Weiter wie bisher und schweigen

Schießen, schaufeln, schweigen heißt es zynisch beim illegalen Abschuss von Wölfen. Was wir oft vergessen: Der größte Feind der Wildtiere ist die Ausbeutung von Natur. Das können wir leicht ändern.

Eine Schildkröte wird mit Wasser aus einer blauen Plastikwasserflasche gereinigt. In dem Beitrag zu diesem Bild geht es um Artenschutz bzw. die Ursachen des Artensterbens in Österreich und global. Schildkröten sind Wildtiere, die besonders unter den Folgen des Klimawandels leiden.
Mugla, Türkei, im Juli 2022: Die Schildkröte wurde aus einem Waldbrand gerettet. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Abgeschossen. In Österreich werden seltene Tiere wie Adler, Bären und Wölfe besonders häufig das Opfer von illegalem Abschuss.
  • Massenaussterben. Die Ursachen des Verlusts der Arten liegen im Verlust der Lebensräume für wildlebende Tiere.
  • Wirksam schützen. Wenn wir den Zustand der Erde insgesamt verbessern, können wir eine große Vielfalt der Tierarten erhalten.
  • Besser Leben. Ohne Veränderungen in unserem Lebensstil wird es nicht gehen, aber wir haben dabei viel zu gewinnen.

Jetzt ist schon wieder was passiert – so könnte man mit Wolf Haas den Alltag des Artenschutzes in Österreich charakterisieren. Denn täglich grüßt das Murmeltier: So kam ein in Österreich flügge gewordener, weiblicher Kaiseradler von einer weiten Tour durch Europa zurück.

Mehr Naturrelevantes

Hierzulande wurden ihr dann per Teilmantelgeschoss beide Fänge durchgeschossen. Die hingen nur noch an den Sehnen als sie am 5. Mai 2022 lebend in einem berüchtigten Revier bei Zurndorf gefunden wurde. In dem Revier gab es bereits zuvor Hinweise auf illegale Verfolgung von Greifvögeln, auch ein Steppeniltis und ein Hund wurden durch Schlagfallen getötet. Der Kaiseradler konnte nur noch euthanasiert werden.

Kaiseradler sind majestätische Vögel mit Spannweiten von bis zu zwei Metern; sie gelten als weltweit gefährdet und in Österreich 190 Jahre lang als ausgestorben – bis 1999 erstmals wieder ein Paar nistete. Dank der Bemühungen von Artenschutz-NGOs gibt es heute wieder mehr als 35 Brutpaare im Osten Österreichs, 2021 wurden 50 Jungvögel flügge.

Seitliches Portrait eines sitzenden Kaiseradlers. Der Kaiseradler ist eine gefährdete Art.
Ein Kaiseradler in Frankreich. © Getty Images

Ein Drittel der Jungvögel verschwindet allerdings im ersten Jahr, der Großteil durch Gift, Falle oder Abschuss, wie man durch Tiere mit Sendern weiß. Anderen seltenen Greifvögeln wie Rotmilanen oder Bartgeiern geht es nicht besser. Kaum ein Täter wird je überführt (Hinweise bitte an die BirdCrime Hotline: +43 660 869 2327).

Schießen, schaufeln, schweigen

Auch ein Großteil der nach Österreich einwandernden Wölfe verschwindet spurlos. Trotz strenger Schutzbestimmungen lautet das Motto offenbar „Schießen, schaufeln, schweigen“. Neuerdings erspart die „Südtiroler Methode“ sogar das Schaufeln: Man jagt dem Wolf ein Vollmantelgeschoß durch die Eingeweide, der verkriecht sich daraufhin und krepiert elendiglich, die Untat ist kaum nachweisbar.

Österreich ist und bleibt Vorreiter als „schwarzes Loch“ für gefährdete Wildtiere in Europa.

Man geht sogar ganz offiziell gegen geschützte Wildtiere vor: Dem Kärntner Teil des Nationalparks etwa, wurde von Land und Jägerschaft ein „Übereinkommen“ aufs Auge gedrückt, worin man festhält, dass man dort Wolf, Bär, Luchs & Co. nicht will – auch nicht die Forschung an ihnen.

Und im Nationalpark Neusiedler See eliminiert man still und leise die Goldschakale. Nationalparke als Etikettenschwindel. Leider nichts Neues im Land der Berge, man erinnere sich etwa an eine vielversprechende Bärenpopulation im Ötschergebiet, welche um 2000 wieder „erlosch“ (wie man das Ausrotten geschützter Tiere euphemistisch bezeichnet). Österreich ist und bleibt Vorreiter als „schwarzes Loch“ für gefährdete Wildtiere in Europa.

Wenn die Jagd versagt

Diese wenigen Beispiele einer gewalttätigen Beziehung zu Wildtieren, gleichgültig ob geschützt oder nicht, sollen hier reichen. Gleichzeitig versagt die Jagd aber in ihrem eigentlichen Kerngeschäft, nämlich „Schalenwild“ (Rehe, Hirsche und Wildschweine) auf jenen moderaten Dichten zu halten, welche eine naturnahe Waldwirtschaft ermöglichen. Weil das Wild die Naturverjüngung frisst, ist die nämlich in Österreich nur schwer möglich, wäre aber ein Gebot der Stunde, nicht bloß im Sinne des Artenschutzes, sondern auch, um die CO2-Bindungsfähigkeit der Wälder zu verbessern.

So entpuppen sich Arten- und Klimaschutz als zwei Seiten derselben Medaille. Zudem erfüllen gerade die Top-Beutegreifer wichtige ökologische Funktionen. Heute sollte klar sein, dass langfristiges Überleben und mittelfristige Lebensqualität eine ökologische Wende brauchen, einschließlich Energiewende, Klimaschutz und den Schutz von Biodiversität samt großer Beutegreifer.   

Kann uns der Panda retten?

Panda, Eisbär, Gorilla und Tiger sind allgegenwärtige Spendenwerber jener wichtigen NGOs, die sich weltweit um ihren Schutz kümmern. Lange meinte man, mithilfe solch besonders ansprechender Aushängeschilder mehr Verständnis für Natur- und Artenschutz zu wecken. Damit rechtfertigen ja auch die Zoos ihre Existenz. Aber ist das so?

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Zahlen & Fakten

Ein Vogel mit gelb-braunem Gefieder sitzt auf einem Weinlaub. Der Girlitz gehört zu den bedrohten Arten in Österreich.
Der Girlitz gehört zu den bedrohten Arten in Österreich. Er braucht Hecken, um zu brüten. © Michael Dvorak BirdLife Österreich

Das Verschwinden der Vögel …

  • Eine von acht Vogelarten ist vom Aussterben bedroht, stellt der aktuelle Bericht von BirdLife International fest, die Hälfte der Vogelarten ist rückläufig. Die NGO legt alle vier Jahre eine umfassende Bestandsaufnahme von 11.000 Vogelarten vor.
  • Die Ausbreitung von landwirtschaftlichen Flächen und die intensive Landwirtschaft ist für Dreiviertel der Vogelarten weltweit eine Bedrohung.
  • Die Ackerland- und Feldvögel in Europa haben um 57 Prozent abgenommen. Die Gründe sind Pestizide, Dünger, Monokulturen und das Verschwinden der Wiesen.
  • Zugvögel werden millionenfach in Italien, Kroatien, Algeriens, Marokko und Tunesien an den Küsten gefangen. Endemische Arten werden Opfer invasiver Arten; Seevögel fallen dem Beifang der Fischerei zum Opfer.
  • Die Hälfte aller waldbewohnenden Vögel ist durch die Abholzung von Wäldern betroffen. Der Klimawandel verstärkt und beschleunigt den Verlust ihrer Lebensräume.
  • Auch die auf Feuchtgebiete spezialisierten Vögel sind stark bedroht. Das Verschwinden der Langen Lacke im Seewinkel in der Region Neusiedler See – eines der sehr wenigen Binnenland-Salzgebiete Europas – bedeutet, dass ein wichtiger Vogelrastplatz verloren geht.
Ein Beutegreifer im Anflug. Die abgebildete Rohrweihe gehört zu den bedrohten Arten.
Eine beringte Rohrweihe. Der Beutegreifer ist ein Zugvogel, im Winter verlässt sie Österreich gen Afrika. Sie wird in Österreich oft durch illegale Jagd verletzt oder getötet. © M. Suanjak BirdLife Österreich

… und was man tun kann

  • Der Erhalt von Lebensräumen – Feuchtgebiete, Moore, Wiesen, Wälder –, die Wiederherstellung von Ökosystemen, Entsiegelung und Renaturierung werden als entscheidend betrachtet, um die verbliebenen Vogelpopulationen zu schützen. Renaturierung soll den Vögel auch helfen, auf den Klimawandel reagieren zu können. In einer vom Menschen geprägten Welt haben sie kaum Platz um etwa Hitze auszuweichen, indem sie nach Norden wandern.
  • Bei der UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal, COP15, wurde im Dezember 2022 vereinbart, 30 Prozent der Landfläche und 30 Prozent der Ozeane unter Schutz zu stellen.
  • Auch als Einzelperson kann man etwas tun: Vielen Vogelarten, etwa dem Girlitz, würde es bereits helfen, wenn März bis August auf den Heckenschnitt verzichtet würde. Zwar gibt es bedeutend weniger Feldhecken als früher, aber auch Gartenhecken können brütenden Vögeln ein Zuhause bieten – sofern diese Hecken während der Brutzeit nicht geschnitten werden.
  • Insbesondere Eulen sterben häufig durch die Kollision mit Autos. Sie jagen in der Nacht und warten auf Bäumen am Straßenrand auf Beute. Autos, die in der Nacht langsam fahren, können sie bei ihrem Gleitflug eher ausweichen.
  • Viele Vögel kollidieren mit Glasflächen, auch wenn diese mit den Vogelumrissen gekennzeichnet sind. Doch das ist für Vögel schwer zu erkennen. Besser sind laut den Vogelexperten von BirdLife vertikale Streifen auf den Glasflächen, so dass Vögel das Glas wahrnehmen können.

Während Panda & Co die Spendenbereitschaft erhöhen, beschleunigt unser Konsumrausch die Abholzung der letzten tropischen Regenwälder und der borealen Urwälder in Kanada und von Rumänien bis nach Sibirien. Eisbären rettet man nicht, ohne das Klima zu stabilisieren und Orang Utans brauchen Regenwald als Lebensraum.

Wir importieren Soja aus Brasilien, Palmöl aus Borneo und verheizen munter Holzpellets nicht immer astreiner Provenienz – letzteres in trügerisch gutem Gewissens, damit nachhaltig zu handeln. Panda, Eisbär, Gorilla und Tiger fördern zwar gewissensberuhigendes Spenden, damit aber nicht automatisch den Artenschutz. Um Arten und Klima zu schützen, ist es daher hoch an der Zeit, der Natur Gebiete zurückzugeben. Eisbären rettet man nicht, ohne das Klima zu stabilisieren und Orang Utans brauchen Regenwald als Lebensraum, nicht aber Palmölplantagen.

Gefährdete Arten: Ein Massensterben

Menschen und ihre Nutztiere stellen heute 95 Prozent der Biomasse landlebender Wirbeltiere, der mickrige Rest entfällt auf die Elefanten, Löwen, Wölfe oder Hirsche – also jene Wildtiere, deren hinreißende Bildern in Naturdokumentationen vorgaukeln, es sei eh alles in Ordnung. Ist es ganz und gar nicht. Seit 1970 nahmen weltweit und auch hierzulande Wildtiere um 70 Prozent in ihrer Häufigkeit ab, viele Arten starben aus; bereits 1970 war nur noch ein Bruchteil jener Wildtiere vorhanden, die es zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab.

Tatsächlich schaffen Menschen heute durch direkte Verfolgung und indem wir den Mitgeschöpfen den Lebensraum nehmen, das rasanteste Artensterben, seit vor 66 Millionen Jahren ein riesiger Meteorit bei Yukatan einschlug und die Dinosaurier auslöschte. Lokal wäre schon viel erreicht, wenn im europäischen Rekordland der Bodenversiegelung endlich damit Schluss wäre. Ist es aber nicht, es wird Ackerland und Lebensraum verbaut, als gäbe es kein Morgen.

Artenschutz ist eine Chance

Noch ist es nicht zu spät. Die Welt wird zwar nie wieder so sein, wie sie früher war, aber noch kann man die Biosphäre in Zuständen stabilisieren, welche den Menschen und den anderen Tieren langfristig ein gutes Überleben ermöglicht. Ein internationales Konsortium um Bernardo Strassburg empfahl, dazu weltweit mindestens 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen aus der intensiven Nutzung zu nehmen, sowie Wälder und Flüsse zu renaturieren – vor allem im globalen Süden, aber auch die gemäßigten Breiten müssen ihren Beitrag zu CO2-Bindung und Artenschutz leisten.

Eine solche Maßnahme gefährdet im Gegensatz zu Kriegen die weltweite Nahrungsmittelversorgung nicht, werden doch etwa 70 Prozent des produzierten Soja und Getreides an Tiere verfüttert. Weniger Fleisch essen und das Problem wäre gelöst. Unrealistisch?

Vielleicht, aber haben wir allzu viel Wahl? Zur Sicherung von Zukunft wird es nicht reichen, Leben und Wirtschaften zu dekarbonisieren, indem man rasch aus den fossilen Brennstoffen aussteigt. Um ein funktionell nötiges Minimum an Ökosystemen und Wildtieren zu erhalten und damit auch das Klima zu stabilisieren, braucht es effiziente CO2-Senken. Allen voran die Meere, die allerdings dabei versauern. Vor allem braucht es im Süden wirksame Aufforstungen und wesentlich naturnäher bewirtschaftete Wälder in unseren Breiten, sowie einen wirksamen Schutz der nördlichen Urwälder in Sibirien und Kanada.

Wir sind nur eine von vielen Arten

Letztere in Biomassekraftwerken zu verheizen ist alles andere als nachhaltig und gar nicht im Sinn des Artenschutzes. Noch dominieren bei uns Fichte und Kahlschlagwirtschaft, es wird zu intensiv gewirtschaftet, weswegen die heimischen Wälder heute bereits etwa gleich viel CO2 abgeben wie sie binden. Viel zu viele Hirsche und Rehe verhindern die Naturverjüngung und gefährdete Arten werden immer noch gezielt vernichtet.  

Es wäre eigentlich ganz einfach: Um Arten- und Biodiversitätsverlust, sowie die Erderwärmung zu stoppen, braucht es eine substantielle Reduktion der direkten Nutzung und Verfolgung gefährdeter Arten und wieder mehr Raum für die Natur. Vor allem sollten wir es als Menschen bescheidener geben und uns als das sehen, was wir sind: Eine von vielen auf der Erde lebenden Arten, die allerdings Verantwortung übernehmen muss, für ihr eigenes Überleben und für das der Mitgeschöpfe.

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Conclusio

Gift, Geschosse und Fallen: Österreichs gefährdete Arten stehen unter Beschuss. Adler, Bären und Wölfe werden in Österreich häufig Opfer illegaler Jagd. Doch das ist nur ein Grund für das Artensterben. Der am stärksten wirkende Ursache ist unser Lebensstil, durch den immer mehr Lebensräume für wildlebende Tiere vernichtet werden. Der Verlust an Ökosystemen beraubt uns auch einer wichtigen Bremse im Klimawandel. Wenn wir unseren Ressourcenverbrauch einschränken, haben wir viel zu gewinnen.

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