Der Iran und die Bombe

Teheran kommt der Entwicklung einer Atombombe immer näher. Die USA und Israel müssen ihre Differenzen beilegen, um auf die Bedrohung zu reagieren.

Israels Premierminister Benjamin Netanyahu hält ein Bild mit einer Bombe und zeichnet eine rote Linie
Israels Premierminister Benjamin Netanyahu warnt 2012 vor Irans Atomprogramm. Ist die rote Linie nun bereits überschritten? © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Bedrohung. Für die USA und Israel ist eine iranische Atombombe inakzeptabel. Daher versuchen die USA das Iran-Abkommen wieder herzustellen.
  • Ablehnung. Israel hält das Iran-Abkommen für gescheitert und lehnt es ab. Auch der Iran will das Abkommen nicht mehr erneuern.
  • Geeint. Obwohl die amerikanisch-israelischen Spannungen zugenommen haben, sind sie nach wie vor starke Verbündete.
  • Deterrence. Die USA und Israel setzen weiter auf Abschreckung und werden vor Präventivschlägen nicht zurückschrecken.

Nach Ansicht des Nuklearexperten David Albright, Präsident des Institute for Science and International Security in Washington, D.C., verfügt der Iran wahrscheinlich bereits über die Mittel, um einen nuklear bewaffneten Staat zu werden, und über die Fähigkeit, „Atomwaffen auf Abruf zu produzieren“.

Die Staats- und Regierungschefs Israels und der Vereinigten Staaten haben wiederholt erklärt, dass eine solche Entwicklung inakzeptabel sei. Es bleibt jedoch unklar, was die beiden Verbündeten tun können oder wollen, um Teheran aufzuhalten.

Angespannte Partnerschaft

Ein wesentlicher Faktor ist dabei der Zustand der amerikanisch-israelischen Beziehungen. Während Ex-Präsident Donald Trump seine Unterstützung für die rechtsgerichtete Regierung des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu demonstrierte, hat Präsident Joe Biden eine ablehnendere Haltung eingenommen.

Noch bevor Netanjahu im Dezember 2022 als Premierminister zurückkehrte, orientierte sich Präsident Biden an der Politik seines Vorgängers. Präsident Barack Obama, der von 2009 bis 2017 im Amt war, unterstützte die Palästinenser und eine „Zwei-Staaten-Lösung“. So stellte Biden beispielsweise die US-Unterstützung für das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) wieder her, eine wichtige Quelle für ausländische Hilfe.

Während die grundlegenden Beziehungen nach wie vor sehr gut sind, haben die politischen Spannungen zugenommen. Das Vertrauen ist gering, da sich beide Seiten kritisieren. Die US-Regierung hat beispielsweise einige israelische Maßnahmen beanstandet: Wie Netanjahus umstrittene Justizreform und das Gesetz mit dem der 2005 beschlossene Rückzug aus dem nördlichen besetzten Westjordanland aufgehoben wurde. Um den Protest gegen dieses Gesetz zu verdeutlichen wurde sogar der israelische Botschafter in den USA einbestellt.

Das Iran-Abkommen

Ein komplizierter Faktor in den angespannten Beziehungen waren die Bemühungen der Regierung Biden, den maroden Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) wieder herzustellen. Denn die USA zogen sich bekanntlich, aus dem als Iran-Abkommen (erstmals 2013 vereinbart) bekannten Vertrag, unter Präsident Trump zurück. Der israelische Premierminister hat stets die Ansicht vertreten, dass das Iran-Abkommen die Chancen auf eine iranische Atombombe eher fördert als mindert.

Die Regierung Biden priorisiert den Iran-Deal und zieht das Abkommen den Beziehungen zu Israel, der Energiesicherheit, der Terrorismusbekämpfung und dem Abraham-Abkommen vor. Vor allem das Abraham-Abkommen hatte einen vielversprechenden Start zur Förderung der Normalisierung der Beziehungen zwischen den arabischen Staaten und Israel.

Die Haltung der USA ist verständlich, wenn man bedenkt, wie viele ehemalige „Obama-Beamte“ in der Regierung Biden sitzen. Darunter der ehemalige Außenminister John Kerry und die derzeitige stellvertretende Außenministerin Wendy Sherman, Obamas Chefunterhändlerin für das Iran-Abkommen.

Kalte Schulter

Ungeachtet der amerikanischen Zugeständnisse an den Iran, zeigte Teheran keine Bereitschaft zu dem Abkommen zurückzukehren. Stattdessen versucht der Iran, die Beziehungen zu China und Russland zu vertiefen, um die internationalen Sanktionen und die Isolation auszugleichen. Der Iran hat keinerlei Vertrauen, dass der Kongress ein neues Iran-Abkommen unterstützen würde.

Ungeachtet amerikanischer Zugeständnisse, zeigt der Iran keine Bereitschaft zum Abkommen zurückzukehren.

Nichtsdestotrotz zeigen die USA guten Willen und lassen weiterhin Schlupflöcher bei der Durchsetzung von Sanktionen zu. US-Senator Ted Cruz rügte dieses Vorgehen scharf. Der texanische Republikaner beschimpfte US-Außenminister Antony Blinken in einer Anhörung vor dem Kongress, weil die Ukraine Militärhilfe erhält, aber gleichzeitig wird Teheran erlaubt Waffen an die Russische Föderation zu verkaufen, seine Energieexporte wieder aufzubauen und seine Wirtschaft zu restrukturieren.

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Zahlen & Fakten

Karte mit Informationen zu den militärischen Kapazitäten Irans und Israels

Regionale Konflikte als Brandbeschleuniger

Trotz der JPCOA-Gespräche und der internen Proteste gegen die Unterdrückung durch das Regime im eigenen Land hat die iranische Regierung eine aggressive Außenpolitik beibehalten. Während Teheran vor kurzem ein Abkommen zur Wiederherstellung der Beziehungen zu Saudi-Arabien akzeptiert hat, unterstützt es weiterhin die Houthis in einem Stellvertreterkrieg im Jemen.

Es gibt Berichte, dass der Iran möglicherweise versucht, die Houthis mit Raketen zu versorgen, die Israel erreichen können. Außerdem unterstützt der Iran die Gewalt der Hisbollah im Libanon und des palästinensischen Islamischen Dschihad gegen Israel.

In jüngster Zeit hat sich der Iran aktiv in die Handelsschifffahrt in der Straße von Hormuz eingemischt. Die Reaktion darauf hat zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen Israel und den USA geführt, einschließlich Plänen zur Entsendung zusätzlicher US-Marineeinheiten in die Region. Kürzlich war der Befehlshaber des U.S. Central Command (CENTCOM), der für die Überwachung der militärischen Operationen in der Region zuständig ist, zu Gesprächen in Israel.

Gemeinsame Marineoperationen der USA und Israels im Roten Meer sind Routine. Es ist jedoch unüblich, dass eine der beiden Seiten sie ankündigt. Das Ausmaß, in dem diese Aktivitäten nun öffentlich bekannt gemacht wurden, kann als Signal an die Iraner und ihre Verbündete gewertet werden: Israel und die USA sehen auf der selben Seite. Dennoch scheinen die derzeitigen Aktionen eher der Abschreckung zu dienen als eine Vorbereitung auf eine gemeinsame Offensive zu sein.

Trotz politischer Spannungen scheinen sowohl die USA als auch Israel darauf bedacht zu sein, die Drohung mit militärischen Operationen als konventionelle Abschreckung aufrechtzuerhalten.

Abschreckung

Über die Reaktion der USA und Israels auf iranische Atomwaffen ist öffentlich wenig bekannt. Die US-Regierung wird sich wahrscheinlich die Tür zum Iran-Abkommen offen halten, obwohl eine Wiederbelebung unwahrscheinlich ist. Stattdessen werden sich die USA auf implizite Drohung gegen das Regime verlassen, um die Israelis zu unterstützen.

Russlands Krieg gegen die Ukraine ist der Grund für die derzeitige Politik.

Der Grund für die derzeitige Politik ist Russlands Krieg gegen die Ukraine. Die Unterstützung des Irans für Russland macht die westlichen Staaten eher bereit, Präventivschläge gegen Teheran zu akzeptieren. Außerdem ist das Vertrauen in das iranische Regime trotz des jüngsten Abkommens zwischen Iran und Saudi-Arabien weiterhin gering.

Vor den US-Wahlen im nächsten Jahr könnte sich Präsident Biden nicht die Blamage leisten, der amerikanische Führer zu sein, der den Iran in die Atompolitik einsteigen lässt. Sollten die Republikaner wieder ins Weiße Haus einziehen, ist die Politik der USA in diesem Bereich unklar.

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Conclusio

Der Iran kommt der Entwicklung von Atomwaffen immer näher. Für Israel kann diese Gefahr zu einer existentiellen Bedrohung werden. Obwohl die USA fest an der Seite Israels stehen, haben die politischen Spannungen zwischen den beiden Ländern zugenommen. Differenzen zum Iran-Abkommen und zu diversen innenpolitischen Entscheidungen Israels ließen das Verhältnis zu den USA abkühlen. Nichts desto trotz ziehen die beiden Länder an einem Strang und setzen auf Abschreckung, um Teheran die Grenzen aufzuzeigen.

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