Iran – Israel, eine Einordnung

Das Verhältnis von Iran und Israel ist nicht ohne andere geopolitische Konflikte zu verstehen. Der Iranist Walter Posch erklärt die aktuelle Situation im Lichte der Geschichte.

Mehrabad, 1. Februar 1979: Ayatollah Khomeini kehrt aus dem französischen Exil zurück. Das Bild makriert den Abschluss der islamischen Revolution im Iran.
Mehrabad, 1. Februar 1979: Ayatollah Khomeini kehrt aus dem französischen Exil zurück. © Getty Images

Für das Regime werden die Präsidentschaftswahlen in 50 Tagen eine weitere „Delegitimierung des Regimes“ auslösen, doch der Iran und die gesamte Region Naher Osten werden weiterhin in desaströser Prekarität verharren, so der Iranist Walter Posch. Wer einen Flächenbrand ausgehend vom Konflikt Israel und Iran erwarte, sei blind für die Gegenwart, sagt er. Denn der Flächenbrand ist bereits da.

Der Podcast über das Verhältnis Iran – Israel

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Flächenbrand ... Was soll denn noch mehr brennen?

Walter Posch

Als Israel am 1. April 2024 die iranische Botschaft in Damaskus bombardierte – ein Angriff, bei dem auch Zivilisten ums Leben kamen –, und der Iran Vergeltung übte, indem er Israel mit Raketen beschoss, schien der Krieg zwischen dem Iran und Israel aus dem Schatten der Stellvertreterkriege herauszutreten. Viele westliche Medien sprachen vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges nach den Raketenangriffen des Iran von einem möglichen Flächenbrand, der die Region ins Chaos stürzen würde.

Für den Iranisten Walter Posch, der sich seit vielen Jahrzehnten mit den Konflikten in und um den Nahen Osten beschäftigt, ist das eine etwas naive Sicht auf die Dinge. Den Flächenbrand gibt es nach seiner Einschätzung bereits seit Jahrzehnten, und ist nicht ohne die geopolitische Interessenspolitik des Westens in der Region erklärbar.

Israel habe aktuell drei Fronten, so Walter Posch: den Krieg in Gaza, die Westbank, wo Angriffe radikaler Siedler auf Palästinenser den Konflikt immer wieder anheizen, und die Nordfront, an der sich Israel der Hisbollah gegenübersieht.

Iran und Israel: Die Vorgeschichte

Die radikal islamistischen Untergrundbewegungen, die sich bei der Gründung des Staates Israel bildeten, um gegen die Errichtung eines jüdischen Staates auf islamischem Territorium zu kämpfen, blieben im Iran minoritär, sagt Walter Posch. Sie schufen zwar das grundlegende Narrativ, spielten aber lange keine politische Rolle.

Für die Schah-Monarchie waren Beziehungen zu Israel nützlich, sagt Posch. Ebenso war der monarchistische Iran nützlich für Israel: „Beide Seiten erkannten den gegenseitigen Nutzen, und beide hatten einen echten arabischen Feind. Das war der säkulare arabische Nationalismus aus Ägypten, der noch dazu anti-monarchisch war, aus dem Irak sowie aus dem republikanischen Syrien. Israel lieferte über viele Jahrzehnte, was die USA und die Briten nicht bereit waren, den Iranern zu liefern, vor allem Fähigkeiten in nachrichtendienstlicher Arbeit. Der Iran unterstützte auch die israelischen Aktivitäten im irakischen Kurdistan.“

Die islamische Revolution

Nach dem Rücktritt des Schah und der islamischen Revolution 1979 habe der junge islamische Staat Iran von den Beziehungen profitiert: „Zynisch könnte man sagen, der iranische Staat hat alles bekommen von den Israelis was er wollte, vor allem die Modernisierung des Geheimdienstes.“ Nach der Revolution konnten sich die anti-israelischen Untergrundgruppen den anti-israelischen Kampf als Kampf gegen Imperialismus deuten und in der politischen Debatte führend werden.

Dennoch blieben die Beziehungen bis zum Iran-Irak-Krieg (1980 bis 1988) stabil. Israel lieferte Waffen an den Iran, die die USA nicht liefern wollten. „Erst seit Mitte der 1980er Jahre hat man dann diese Frontstellung, diese Verhärtung, die wir bis heute haben.“

Die Rolle der UAE

Am 15. September 2020 unterzeichneten Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate (UAE) die sogenannten Abraham-Abkommen. Aus Sicht von Walter Posch eine vor allem wirtschaftlich motivierte Initiative und Zeichen der realistischen Einschätzung der Lage in den UAE: „Die Bevölkerungen haben die Spannungen und Konflikte satt. Man baut Beziehungen auf, die zur Entspannung in der Region beitragen. Auf der einen Seite binden die Emirate den Iran indirekt ein, und auf der anderen Seite machen sie direkte Beziehungen zu Israel.“

Die Beziehungen zu Saudi-Arabien seien komplexer, meint Posch: „Saudiarabien hat zwar immer eine sehr gute nachrichtendienstliche Kooperation mit Israel gehabt, gleichzeitig müssen die Saudis aber auch bedacht sein auf ihren Ruf als Hüter der heiligen Städten in Mekka und Medina. Die dritte heilige Stätte ist Jerusalem für den Islam. Die Palästina-Frage hat in diesem Zusammenhang sehr wohl auch eine religiöse Konnotation, nicht unbedingt eine richtige Bedeutung, aber eine Konnotation. In der diplomatischen Tradition der Saudis war immer vorgesehen, Israel sofort anzuerkennen, sobald es einen palästinensischen Staat gibt.“

Die „Widerstandsachse“

Um aktuelle Bündnisse und Allianzen zu verstehen, müsse man die 1980er Jahre zurückgehen. Aus der Zeit des Iran-IrakKrieges resultiere etwa das Bündnis mit Syrien: „Das war anti-irakisch aufgebaut und schloss all jene arabischen Gruppen ein, die sich gegen Saddam Hussein gestellt haben. Dadurch ist die PLO, mit denen man so gute Beziehungen hatte, einmal rausgefallen aus diesem Bündnis.“

Nach dem Krieg wurde im Rahmen dieses Bündnisses die libanesische Hisbollah aufgebaut und somit nicht die PLO unterstützt, sondern den Palästinensischen Islamischen Dschihad. „Diese Gruppen hatte man koordiniert und hat dem Ganzen ein Mäntelchen gegeben, das man Widerstandsachse nannte und anspielte auf die antiimperialistische Rhetorik von anno dazumal.“

Bei genauerem Hinsehen könne man aber erkennen, dass diese Widerstandsachse weder gegen Israel noch für die Palästinenser war oder ist, sagt Posch: „All die Gruppen, die ein Problem mit Saudi-Arabien haben, sind eben auch in dieser Liste, und es ist sehr typisch für den Nahen Osten, auf Israel zu schimpfen und jemanden anderen zu meinen.“

Teheran im Iran am 20. Mai 2024: Frauen mit Tschador halten Fotos des verstorbenen Staatspräsidenten Ebrahim Raisi in die Höhe.
Teheran am 20. Mai 2024 nach dem Hubschrauberabsturz von Staatspräsident Ebrahim Raisi. © Getty Images

Man wolle Druck auf Saudi-Arabien ausüben, aber keinesfalls einen Krieg mit Israel riskieren. Die Hamas habe diese Rolle für den Iran gespielt, und auch die Huthis im Jemen seien aus diesem Kalkül entstanden. „Nur Kernelemente werden wirklich von den Iranern kontrolliert; die anderen Elemente wurden durch Waffen, Munition, Expertise im Laufe der Jahre so wichtig, dass die selbstständig agieren konnten.“

Ein Flächenbrand?

Während in den politischen Debatten zumeist einzelne Konfliktherde wahrgenommen werden, deren Eskalation und Ausweitung dann befürchtet wird, weist Walter Posch darauf hin, dass die gesamte Region seit Jahrzehnten unter dem vermeintlich noch kommenden Flächenbrand leidet.

„Der Bürgerkrieg im Jemen geht weiter. Der Irak ist alles andere als befriedet und hat immer noch die Probleme, die er seit der Staatsgründung hat. Das Verhältnis von Kurden und Arabern; Syrien ist eine Katastrophe, auch eine menschliche Katastrophe, und Libyen ist schlimm. Und bei Ägypten hat man Angst, dass die Wirtschaft zusammenbricht, was die bisherigen Flüchtlingsströme erblassen lassen würde. Also Flächenbrand ... Was soll denn noch mehr brennen?“

Jenseits der Hegemonien

Es gäbe eine neue Art von Kriegen in der Region, die es zu verhindern gälte, meint Posch. Eine Befriedung der Region müsse dabei mit dem aktuellen Krieg in Gaza beginnen.

„Es geht jetzt nochmal darum, dass eine Lösung gefunden wird, die sowohl die Religion, die Sicherheitsinteressen, aber vor allem anderen, das Elend der Bevölkerung lindert und auch die Verbitterung der Bevölkerung.“

Kinder in Gaza spielen Fußball mit einem Hund namens Sina. Das Foto ist Teil eines Beitrags über Israel und den Iran, in dem es auch um die Rolle der aktuellen Bombardierung Gazas durch Israel geht.
Gaza, 15. März 2018. © Getty Images

Der Wiederaufbau in Gaza werde viele Milliarden verschlingen. Als Geldgeber kämen die reichen Golfstaaten in Frage. Allerdings: „Wenn ich eine Befriedigung zum Zwecke der Absicherung der westlichen Hegemonie versuche, wird das nicht gelingen. Und wie groß der Paradigmenwechsel globalpolitisch schon ist, sieht man schon daran, dass Südafrika Israel vor den Gerichtshof in Den Haag gebracht hat – was auch immer da rauskommt, und wie gut oder schlecht diese Aktion war. Globalisierung heißt auch, dass alle mitreden. Daran werden sich auch die Europäer und die Amerikaner gewöhnen müssen, und die Russen übrigens auch.“

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Über Walter Posch

Walter Posch ist Iranist und Islamwissenschaftler. Er forscht und lehrt am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der Landesverteidigungsakademie in Wien, die zum Bundesministerium für Landesverteidigung gehört. Einer seiner Forschungsschwerpunkte sind Untergrundbewegungen des Nahen Ostens.

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