Die Lösung heißt Kapitalismus

Vor 30 Jahren war Polen das Armenhaus Europas, heute ist das Land eine Wachstumslokomotive. Ähnliches gilt für andere einst sozialistische Staaten. Weltweit hat der Kapitalismus Milliarden von Menschen aus dem Elend befreit. 

Das Bild zeigt die Entwicklung eines Mannes. Vom Affen hin zu einem Geschäftsmann. Das Bild illustriert einen Artikel darüber, dass Kapitalismus nicht für Hunger, Armut, Krieg verantwortlich ist.
Welche Idee hat am meisten dazu beigetragen, das Elend auf der Welt zu lindern, Armut zu bekämpfen und Milliarden von Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen? Die für manche wohl überraschende Antwort: der Kapitalismus. © Ivan Canu
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Auf den Punkt gebracht

  • Armut. Entgegen der landläufigen Meinung ist der Kapitalismus nicht für Hunger und Elend verantwortlich, sondern hat im Gegenteil Milliarden aus Armut befreit.
  • Planwirtschaft. Seit dem Ende der sozialistischen Planwirtschaft ist die Armut so schnell gesunken wie in keiner Phase der Menschheitsgeschichte zuvor.
  • Wirtschaftswachstum. China, Vietnam und Polen: drei Beispiele von Ländern, die sich seit der Einführung des Kapitalismus zu Wachstumsmotoren entwickelt haben.
  • Problemlösung. Nicht zuletzt beim Umwelt- und Klimaschutz ist der Kapitalismus nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung.

Der Kapitalismus hat einen miserablen Ruf. Das lässt sich am Stammtisch des Vereinslokals feststellen, bei Gesprächen unter Kollegen oder bei Festen im Familienkreis. Ich wollte es etwas genauer wissen und habe beim Meinungsforschungsinstitut Ipsos MORI eine Umfrage in Auftrag gegeben, die inzwischen in 35 Ländern durchgeführt wurde. Die Untersuchung fand in Europa, den USA, Lateinamerika, Asien und Afrika statt, überall wurde eine repräsentative Stichprobe von etwa 1000 Personen befragt. Das Ergebnis: Nur in sechs dieser 35 Länder wird der Kapitalismus positiv bewertet, vor allem in Polen, den USA und Südkorea. 

In den meisten anderen Ländern, so auch in Deutschland und Österreich, überwog jedoch ganz klar die Ablehnung. In Deutschland stimmten beispielsweise nur 15 Prozent folgender These zu: „Der Kapitalismus hat in vielen Ländern die Lage der einfachen Leute verbessert.“ 

Gegenteiliger Meinung waren 45 Prozent der Befragten, also dreimal so viele. Sie unterstützten den Satz: „Kapitalismus ist verantwortlich für Hunger und Armut.“ Interessant ist, dass Menschen in armen Ländern die freie Marktwirtschaft viel positiver sehen. In Nigeria sagten nur 16 Prozent, der Kapitalismus sei verantwortlich für Hunger und Armut, während mehr als doppelt so viele meinen, der Kapitalismus habe die Lage der einfachen Leute in vielen Ländern verbessert.

Kapitalismus befreit aus Armut

Die Nigerianer wissen es besser als die Deutschen. Ein Blick zurück beweist, dass der Kapitalismus zu Unrecht für Hunger und Armut verantwortlich gemacht wird. In Wirklichkeit ist er die Lösung, nicht das Problem.

Bevor dieses Wirtschaftssystem entstand, lebten die meisten Menschen auf der Welt in extremer Armut; im Jahr 1820 betrug die Quote noch 90 Prozent. Mittlerweile ist sie auf unter neun Prozent gesunken. Das Bemerkenswerte: In den vergangenen Jahrzehnten, seit dem Ende der sozialistischen Planwirtschaft in China und anderen Ländern, hat sich der Rückgang der Armut so stark beschleunigt wie in keiner Phase der Menschheitsgeschichte zuvor. 1981 lag die Quote noch bei 42,7 Prozent, im Jahr 2000 war sie bereits auf 27,8 Prozent gesunken und 2022 lag sie, wie erwähnt, unter neun Prozent. 

Ein Blick zurück beweist, dass der Kapitalismus zu Unrecht für Hunger und Armut verantwortlich gemacht wird.

Viele Menschen stellen sich die vorkapitalistische Zeit völlig unrealistisch vor. Johan Norberg, der Verfasser des Buches Fortschritt, war in seiner Jugend selbst ein Antikapitalist. Er räumt jedoch ein, dass er nie darüber nachgedacht habe, wie die Leute wohl vor der industriellen Revolution gelebt hätten: „Ich stellte mir diese Epoche der Menschheit im Grunde genommen vor wie einen Ausflug aufs Land.“

Doch Armut bedeutete damals noch etwas ganz anderes als heute. Die Menschen waren mager und kleinwüchsig, weil sich der Körper an die unzureichende Kalorienzufuhr angepasst hatte. „Die kleinwüchsigen Arbeiter des 18. Jahrhunderts waren faktisch in einer Ernährungsfalle gefangen“, so schreibt Angus Deaton in seinem Buch Der große Aufbruch. Das Problem: „Sie konnten nicht viel verdienen, weil sie körperlich so schwach waren, und sie konnten nicht genug essen, weil sie ohne Arbeit nicht das Geld hatten, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen.“ 

Der persönliche Besitz der Menschen beschränkte sich damals auf einige wenige Dinge, so wie man das auf zeitgenössischen Bildern sieht: ein paar Hocker, eine Bank und als Tisch ein Fass. Schon Adam Smith hatte vorhergesagt, dass nur eine Ausweitung der Märkte und wirtschaftliches Wachstum zu steigendem Wohlstand führen würden – und genau das ist in den vergangenen Jahrzehnten nach dem Ende der sozialistischen Planwirtschaften geschehen.

Am Beispiel China und Vietnam

Allein in China sank durch die Einführung des Privateigentums und marktwirtschaftliche Reformen die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, von 88 Prozent (1981) auf heute unter ein Prozent. Anders als man es im Westen gerne sieht, sind der Rückgang der Armut und das wirtschaftliche Wachstum in China nicht „wegen des Staates, sondern trotz des Staates“ erfolgt, erklärt Weiying Zhang, Ökonom an der Peking-Universität. Der enorme Aufholprozess habe seine Ursache in der Einführung des Privateigentums und in marktwirtschaftlichen Reformen.

Ein anderes Beispiel für die Überlegenheit der Marktwirtschaft ist Vietnam. Aus einem Land, das vor Beginn der marktwirtschaftlichen Doi-Moi-Reformen Ende der 1980er-Jahre nicht in der Lage gewesen war, genug Reis zu produzieren, um die eigene Bevölkerung zu ernähren, ist einer der größten Reis-Exporteure der Welt geworden – und ein wichtiger Elektronik-Standort. Mit einem Pro-Kopf-BIP von 98 US-Dollar pro Jahr war Vietnam vor Beginn der Reformen das ärmste Land der Welt, noch hinter Somalia (130 US-Dollar) und Sierra Leone (163). Jede Missernte führte zu Hunger, und Vietnam war auf die Unterstützung des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen sowie die finanzielle Hilfe der Sowjetunion und anderer Ostblockländer angewiesen.

Noch 1993 lebten 79,7 Prozent der vietnamesischen Bevölkerung in Armut. Bis 2006 war die Quote auf 50,6 Prozent gesunken, mittlerweile sind es weniger als fünf Prozent. Vietnam ist heute eines der dynamischsten Länder der Welt, mit einer pulsierenden Wirtschaft, die fleißigen Menschen und Unternehmern große Chancen bietet.

Vom Armenhaus zum Champion

Dass Wirtschaftswachstum – und nicht etwa Umverteilung oder Staatsdirigismus – den Weg aus der Armut weist, wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder bestätigt, auch in Europa. Im Jahr 1989 war Polen eines der ärmsten Länder auf dem Kontinent. Der durchschnittliche Pole verdiente weniger als 50 USD im Monat – das entsprach nicht einmal einem Zehntel dessen, was die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland verdienten.

Selbst wenn man die Unterschiede in der Kaufkraft berücksichtigt, verfügte ein Pole 1989 über nicht einmal ein Drittel des durchschnittlichen Einkommens in Westdeutschland. Die Polen waren ärmer als die Menschen in Gabun, der Ukraine oder Surinam. Sogar im Vergleich mit anderen kommunistischen Ländern hinkte Polen hinterher: Ihr BIP pro Kopf war nur halb so hoch wie in der Tschechoslowakei.

2017 veröffentlichte der Wirtschaftswissenschaftler Marcin Piatkowski ein Buch mit dem Titel Europe‘s Growth Champion, in dem er eine Bilanz der wirtschaftlichen Aufholjagd zieht: „25 Jahre später ist Polen zum unangefochtenen Vorreiter der Transformation und zum Wachstums-Champion Europas und der Welt geworden. Seit dem Beginn des postkommunistischen Übergangs im Jahr 1989 ist Polens Wirtschaft stärker gewachsen als die jedes anderen Landes in Europa. Polens Pro-Kopf-BIP ist fast um das Zweieinhalbfache gestiegen und übertrifft damit alle anderen postkommunistischen Staaten sowie die Euro-Zone“. 

Planwirtschaft hat in der Geschichte noch nie ein Problem gelöst, aber viele Probleme erzeugt – nicht zuletzt im Bereich der Umwelt.

Nach Angaben der Weltbank lag das Pro-Kopf-BIP in Polen 1989 bei 30 Prozent des entsprechenden Wertes in den USA und war bis 2016 auf 48 Prozent des US-Niveaus angestiegen. Dies machte sich im Leben der Menschen in Polen natürlich bemerkbar: Ihr Einkommen stieg von rund 10.300 US-Dollar im Jahr 1990 kaufkraftbereinigt auf fast 27.000 US-Dollar im Jahr 2017. Im Vergleich zu den EU-15 lag das Einkommen der Polen 1989 bei weniger als einem Drittel und war 2015 auf fast zwei Drittel gestiegen.

Es braucht also keine Alternativen zum Kapitalismus, weil der Kapitalismus eben nicht – wie viele Menschen glauben – für Hunger, Armut, Krieg usw. verantwortlich ist. Doch jeden Tag werden neue Alternativen zum Kapitalismus erdacht. Es gibt unzählige Bücher und Theorien, so etwa über „Gemeinwohlökonomie“, „Postwachstumsökonomie“ oder über neue Spielarten des Sozialismus. 

Evolution statt Planwirtschaft

Der größte Irrtum aller Antikapitalisten besteht in dem Glauben, man könne eine perfekte Gesellschafts- oder Wirtschaftsordnung im Kopf erschaffen, und wenn sich nur genug Menschen fänden, die hinter diesen Ideen stehen, werde es möglich sein, dieses Gedankenkonstrukt in der Realität zu implementieren. 

Der Kapitalismus ist, anders als der Sozialismus, kein von Intellektuellen erdachtes System, sondern eine Wirtschaftsordnung, die sich evolutionär entwickelt hat – so wie sich Tiere und Pflanzen in der Natur entwickelt haben und weiterentwickeln, ohne dass es dafür eines zentralen, lenkenden Plans oder einer Theorie bedürfte. Natürlich wird auch der Kapitalismus nicht bleiben, wie er ist. Es zählt zu den entscheidenden Stärken dieses Systems, dass es sich immer wieder verändert und anpasst – sonst wäre es nicht so erfolgreich. Doch diese Veränderungen geschehen in der Realität des Wirtschaftslebens und nicht in der Studierstube eines Intellektuellen, der sich eine perfekte Gesellschaft ausdenkt. 

Planwirtschaft hat in der Geschichte noch nie ein Problem gelöst, aber viele Probleme erzeugt – übrigens nicht zuletzt im Bereich der Umwelt. Die CO2-Emissionen waren, bezogen auf das Bruttosozialprodukt, in der sozialistischen DDR drei Mal höher als in der kapitalistischen Bundesrepublik. Es ist abwegig anzunehmen, dass die Beseitigung des Kapitalismus den Klimawandel und die Umweltzerstörung beenden könnte. Nirgendwo waren diese Probleme so groß wie in sozialistischen Ländern, und nur durch technische Innovationen und wirtschaftliche Kraft wird es möglich sein, auch diese Herausforderungen zu meistern.

Teil I der Pragmaticus-Serie über den Sozialismus finden Sie hier. Zu Teil II geht es hier und den Teil III können Sie hier nachlesen.

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Conclusio

Der Kapitalismus hat einen miserablen Ruf. Nur in sechs von 35 Ländern in Europa, den USA, Lateinamerika, Asien und Afrika wird er positiv bewertet. Auch in Österreich und Deutschland macht eine Mehrheit der Bevölkerung dieses Wirtschaftssystem für Hunger und Armut verantwortlich. In Wahrheit führte es seit seiner Einführung überall zu steigendem Wohlstand. Noch 1820 lebten 90 Prozent der Menschheit in extremer Armut, heute sind es weniger als neun Prozent. In keiner Phase der Menschheitsgeschichte hat sich der Rückgang der Armut so stark beschleunigt, wie seit dem Ende der sozialistischen Planwirtschaft in China, Vietnam und anderen Ländern.  Die Geschichte zeigt, dass nicht Umverteilung oder Staatsdirigismus den Weg aus der Armut weisen. Der Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung.

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