Spannend, aber falsch!

Ist die Cheopspyramide in Gizeh wirklich ein Grabmal? Und wie steht es um den Mythos Karl der Große existierte gar nicht? Diese und weitere abenteuerliche Erzählungen, bei denen die Fantasie wichtiger ist als die Fakten.

Kristallschädel auf spiegelnder Oberfläche. Das Bild illustriert einen Artikel über die Macht des Mythos.
Ein Kristallschädel, einige Jahrzehnte alt. Seit dem späten 19. Jahrhundert hielt sich der Mythos, 13 solcher erstaunlich präzise geschliffenen Schädel seien in Mittelamerika von den Azteken hergestellt worden. Aktuelle Analysen fanden auf den Artefakten allerdings Spuren von Werkzeugen, die es erst seit den 1950er Jahren gibt. Die Azteken-Story hält sich in manchen Kreisen dennoch bis heute. © Getty Images

Woher kommen wir? Diese Frage ist möglicherweise so alt wie die Menschheit selbst. Die Antwort darauf kann auf wissenschaftlichen – also überprüfbaren – Erkenntnissen basieren. Weil die aber nicht so einfach zu bekommen sind, füllen kreative Menschen die Lücken mit ihrer Phantasie. Das ist billiger und die so entstehenden Geschichten sind gerne spannender als das gesicherte Wissen. Hier eine Auswahl quotenträchtiger Mythen über die vermeintlich „wahre“ Version unserer Geschichte.

Nicht immer sind diese kruden Theorien völlig harmlos. Oft positionieren sich ihre Proponenten als überlegene Denker, die meinen, mit ihren Ideen die etablierte Wissenschaft herauszufordern. Anstatt spektakuläre Thesen mit spektakulären, überprüfbaren Beweisen zu belegen, tendieren diese Geschichtenerzähler dazu, ihre Ideen in Publikumsmedien zu postulieren. Regt sich dann Widerspruch aus der Fachwelt, wird dieser gerne als Borniertheit ausgelegt.

Mythos 1: Himmelsscheibe … vom Nil?

20. September 2018, Berlin: Die Himmelsscheibe von Nebra steht in einer Glasvitrine in der Ausstellung „Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland“ im Martin-Gropius-Bau.
20. September 2018, Berlin: Die Himmelsscheibe von Nebra in der Ausstellung „Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland“ im Martin-Gropius-Bau. © Getty Images

Die Bronzeplatte diente wohl als astronomischer Kalender, bis sie vor 3.600 Jahren im heutigen Sachsen-Anhalt bei der Ortschaft Nebra vergraben wurde. Manch einer sieht auf ihr ägyptische Barken verewigt und vermutet interkontinentalen Kulturaustausch.

Mythos 2: Liegt hier Atlantis?

Die legendäre Insel Atlantis. Atlantis wurde erstmals von Platon beschrieben und soll gleich hinter den Säulen des Herkules (Gibraltar und Berg Hacho) liegen. Kupferstich nach einer Beschreibung von Athanasius Kircher (1602-1680), deutscher Jesuitenpater und Wissenschaftler.
Die legendäre Insel Atlantis. Atlantis wurde erstmals von Platon beschrieben und soll gleich hinter den Säulen des Herkules (Gibraltar und Berg Hacho) liegen. Kupferstich nach einer Beschreibung von Athanasius Kircher (1602-1680), deutscher Jesuitenpater und Wissenschaftler. © Getty Images

Diese Karte aus dem Jahr 1669 lokalisiert Atlantis zwischen Afrika und Amerika. Generationen von Abenteurern suchten den angeblich versunkenen Kontinent – dabei ist der bloß eine literarische Erfindung des griechischen Philosophen Platon.

Mythos 3: Ein Bild für Götter?

Die Nazca-Linien in Peru.
Die Nazca-Linien in Peru sind nur aus der Luft erkennbar. © Getty Images

Der Autor Erich von Däniken hielt die riesigen, in die Steinwüste von Nazca in Peru geschürften Figuren für Botschaften an Besucher aus dem All. Schließlich kann man sie nur aus großer Höhe erkennen. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Darstellungen rituellen Zwecken dienten.

Mythos 4: Ein Phantom?

Die Krönung von Kaiser Karl dem Großen (742-814) durch Papst Leo III. (um 750-816) auf dem Petersplatz in Rom im Jahr 800.
Die Krönung von Kaiser Karl dem Großen (742-814) durch Papst Leo III. (um 750-816) auf dem Petersplatz in Rom im Jahr 800. © Getty Images

Karl der Große (hier in einer Darstellung aus dem 14. Jahrhundert) hätte gar nicht existiert, glauben Verfechter der Phantomzeit-Hypothese. Ihr zufolge seien die Jahre 614 bis 911 von Verschwörern schlicht erfunden worden. Die Idee ist vielfach widerlegt, hat aber immer noch Fans.

Mythos 5: Eine Energiequelle?

Besucher reisen auf Kamelen durch das Gebiet, in dem sich die Pyramiden befinden, darunter die größte Cheops-Pyramide, auch bekannt als die Große Pyramide von Gizeh (König Cheops), die mittlere Pyramide des Chephren (König Chephren) und die kleine Pyramide des Menkaure (König Menkaure) in Gizeh, Ägypten, am 09. Dezember 2024.
Die Pyramiden von Gizeh, darunter die größte Cheops-Pyramide, auch bekannt als die Große Pyramide von Gizeh (König Cheops), die mittlere Pyramide des Chephren (König Chephren) und die kleine Pyramide des Menkaure (König Menkaure). © Getty Images

Ist die Cheopspyramide in Gizeh ein Grabmal oder ein Akustikwandler? Ein britischer Autor postuliert, dass hier geniale Baumeister Töne in Energie verwandelt hätten.

Weil in der größten aller Pyramiden bis heute keine Grabkammer gefunden wurde, glaubt mancher Autor, das 139 Meter hohe Bauwerk wäre in Wahrheit ein Kraftwerk gewesen, das Geräusche in Energie umwandelte. Unklar ist nur, wie das funktioniert haben sollte und: wozu die Bauherren diese Energie benutzt haben könnten.

Mythos 6: Ein Klimabunker?

Innenaufnahme von Derinkuyu in der Türkei.
Derinkuyu in der Türkei. © Getty Images

Derinkuyu im türkischen Kappadokien. Pseudo-Historiker erkennen in den Höhlen Klima-Bunker, in denen hochzivilisierte Menschen die Eiszeit überdauerten. Tatsächlich entstanden die Höhlen erst im 6. Jahrhundert.

Die Idee: Während der Eiszeit, die vor 12.000 Jahren zu Ende ging, hätte eine Hochkultur existiert, die technologisch fortschrittlicher war als alle bekannten antiken Kulturen. Diese Geistesgrößen brachten den einfachen Jägern und Sammlern in ihrer Umgebung Ackerbau, Viehzucht und die Grundrechenarten bei. Zuletzt wurde die Idee sogar durch eine Serie des Streamingdienst-Anbieters Netflix geadelt. Warum es – abgesehen von dieser Serie – keine Spuren dieser Kultur mehr gibt? Ist doch logisch: Zum Ende der Eiszeit schwappte das viele Schmelzwasser alle Spuren der Edel-Menschen in einem Aufwasch davon!

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