Fünf Schulen, fünf Innovationen

Ideen für modernen Unterricht gibt es viele. Umgesetzt werden sie nur selten. Fünf Beispiele aus aller Welt zeigen, wie Schule anders – und besser – funktionieren kann.

Illustration einer Waage mit einem Geldsack auf einer Seite und einer Eule als Symbol der Weisheit auf der anderen
Kreativer, bunter, offener: In der internationalen Schulwelt gibt es Vorreiter, die nicht nur am Altbewährten festhalten. © Darja Eder

Die Schulsysteme im deutschsprachigen Raum brauchen dringend frischen Wind. Dazu müssen die hiesigen Bildungspolitiker das Rad nicht neu erfinden. Ein Blick über den Tellerrad hilft, moderne und bereits bewährte Ideen zu berücksichtigen. Positive Beispiele gibt es nämlich im In- und Ausland. Fünf Beispiele stellen wir vor:

1. Problembasiertes Lernen statt Klassen und Fächerkorsett

NuVu School, Cambridge, USA

Schülerin der NuVu-Schule bei einem Projekt
Klassenzimmer war gestern: In der NuVu School vertiefen sich Schüler in längere fächerübergreifende Projekte in ­sogenannten Studios. © NuVu

Menschen brauchen das Gefühl von Selbstwirksamkeit. Das kann man nur erleben, wenn man selbst etwas löst. In der Praxis treten Probleme selten abstrakt und fein säuberlich in Wissensgebiete getrennt auf. Daher ist es für Schüler wichtig, erworbenes Wissen in der Welt anzuwenden und zu verknüpfen. In der NuVu School in Cambridge, Massachusetts, will man dem Silodenken erst gar keinen Raum bieten und verzichtet auf Klassen, Stundenpläne, etablierte Fächer und Schulnoten.

Der Fokus liegt stattdessen auf problembasiertem Lernen: Die Schüler widmen sich die meiste Zeit bestimmten Projekten. Sie drehen Kurzfilme, konstruieren statisch belastbare Strukturen aus Nudeln, lassen Wetterballons steigen und diskutieren über gesellschaftliche Entwicklungen. Auch für Mathe, Sprachen und Lesen gibt es Zeit und Raum. Statt Noten gibt es Portfolios über die individuelle Entwicklung der Lernenden.

2. Zweispurig fahren: Matura und Lehre zugleich

Landschulheim Marquartstein, Bayern, Deutschland

Tischler-Lehrling im Landschulheim Marquartstein
Abiturient und Tischlerlehrling zugleich: Das vereint Praxis und Theorie. © Landschulheim Marquartstein

Das Wissen, um eine Aufgabe zu erledigen, ist heute oft nur eine schnelle Google-Suche entfernt. Die Wirtschaft braucht und belohnt Menschen, die etwas bauen können – sei es eine Website, eine Maschine oder eine Maßküche. Ein Handwerk zu ergreifen oder doch zu studieren ist für die meisten Jugendlichen eine langfristige Weichenstellung.

Das muss nicht so sein, wie etwa das bayerische Landschulheim Marquartstein zeigt: In einem Pilotprojekt können Schüler ab der Oberstufe auf dem Weg zur Reifeprüfung eine Tischlerlehre absolvieren. Egal ob man daraus im Anschluss eine Karriere macht oder nicht: Handwerkliche Fähigkeiten sind praktische Skills fürs Leben und trainieren den Schöpfergeist. Solche Angebote sollte es daher häufiger geben. In Österreich bietet etwa das Salzburger Internat Werkschulheim Lehrabschlüsse in Mechatronik, Maschinenbautechnik oder Tischlereitechnik parallel zur Matura an.

3. Flexi-Boarding vereint die Vorteile zweier Welten

Box Hill School, Surrey, Vereinigtes Königreich

Box Hill School Internatszimmer
An der Box Hill School erleben Schüler den intensiven sozialen und kulturellen Austausch eines Internats, ohne permament dort zu leben und von ihren Familien getrennt zu sein. © Box Hill School

Die häufig aufgestellte Forderung nach Ganztagsschulen darf eines nicht außer Acht lassen: wenn der Unterricht schlecht ist, sollte er nicht auch noch den ganzen Tag stattfinden. Das Prinzip „one size fits all“ funktioniert bei Schülern nicht. Flexible Lösungen sind gefragt, wie sie sich in Großbritannien immer mehr durchsetzen: Schulen wie die Box Hill School in Surrey bieten so genanntes „Flexi Boarding“. Die Schüler können bestimmte Tage wählen, an denen sie in der Schule übernachten.

Damit stehen ihnen die Vorteile eines Internats allen offen: engagiertes Lehrpersonal, einfachere Teilnahme an Clubs, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie Wochenendausflüge. „Flexi-Boarding“ wird nicht nur von teuren Privat-Internaten angeboten. Auch einige öffentlich Schulen bieten gelegentliche Übernachtungsmöglichkeiten an.

4. (Individuelle) Lernsoftware als Ergänzung

Lead-Schools, 5000+ in ganz Indien

Indische Lehrerin mit Tablet in der Hand vor Schulklasse
Das indische Start-up Lead hilft tausenden Schulen im Land, moderne Unterrichts­methoden mithilfe von Software in die Klassenzimmer zu bringen. © Getty Images

Immer mehr Schüler brauchen Nachhilfe. Anscheinend können Lehrer nicht mehr ausreichend auf die individuellen Bedürfnisse der Lernenden eingehen. Digitale Angebote können in dieser Hinsicht helfen: Standardisierte Lerninhalte müssen nicht im Frontalunterricht übermittelt werden. Das Angebot an Erklärvideos und Onlinekursen ist stark gewachsen. Auch die Technik wird immer besser: Algorithmen im Bereich der „Learning Analytics“ passen die Übungen an Wissensstand und Lernerfolg der Schüler an.

Lern-Software kann darüber hinaus feststellen, wie ein Schüler am besten lernt und sich danach richten. Eine Erfolgsgeschichte kommt aus Indien, einem der größten Bildungsmärkte der Welt. Das Startup „Lead“, das 5.000 Schulen mit seiner Lernplattform betreut, wurde zum ersten „Einhorn“ des Jahres – mit einer Bewertung von über einer Milliarde US-Dollar.

5. Neue Lernräume

Ørestad Gymnasium, Kopenhagen, Dänemark

Oerestad Gymnasium in Dänemark, Innenansicht
Im ­Ørestad-Gymnasium wurde die Architektur den Bedürfnissen moderner Pädagogik angepasst. Ob nun allein, in der Gruppe oder im bestens ausgestatteten Labor: Schüler lernen durch Erfahrungen, statt nur Stoff zu pauken. © Adam Mørk

Moderne Lernansätze brauchen die passenden Räume, um sie umzusetzen. Statt den immer gleichen, geschlossenen Klassenzimmern sind Räume notwendig, die zum Austausch einladen; Bereiche, in denen Schülergruppen drei Wochen an einem Projekt arbeiten können. Und Rückzugsorte zum Üben. Die heute verbreitete Schularchitektur ist kosteneffizient, sie umzurüsten ist teuer. Man kann aber auch bestehende Klassenräume anders nutzen und Gemeinschaftszonen ausweiten.

Und bei jedem Neubau kann man die Architektur neu denken: im Ørestad Gymnasium in Kopenhagen etwa wurde der Schulraum nicht für Klassenverbände konzipiert, sondern für offene Lernformate. Bereiche für Projektarbeit sowie Arbeitsplätze und Rückzugsorte auf mehreren Etagen sind offen zugänglich. Darin eingebettet sind etwa ein TV-Studio, ein Musikzimmer aber auch Hör- und Präsentationssäle.