Gute Rote, schlechte Rote
Warum besinnt sich die politische Linke eigentlich nicht darauf, dass sie oft mit pragmatischer, wenig ideologisch verseuchter Politik erfolgreich war?
Sozialisten eilt ja nicht wirklich der Ruf voraus, brillante Wirtschaftspolitiker zu sein. Ihre schlichten Methoden sind meistens mehr Schulden und Steuern, die Ergebnisse oft genug so, dass Sanierung notwendig wird. „Das Problem der Sozialisten ist, dass ihnen früher oder später das Geld der anderen Leute ausgeht“, hat die großartige Margaret Thatcher das dereinst präzise beschrieben.
Der Hinweis hat deshalb eine gewisse Aktualität, weil sozialistische Ideen gerade wieder eine bizarre Renaissance erleben, als wäre Karl Marx aus seinem Grab am Londoner Highgate-Friedhof geklettert und auf Promo-Tour durch Europa unterwegs. Ich sage nur Salzburg.
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Gerade hierzulande wird von den Proponenten dieser Renaissance gerne auf die unbestrittenen Erfolge des „Roten Wien“ hingewiesen; ein gewaltiges sozialpolitisches Projekt der Zwischenkriegszeit, das hunderttausende Menschen aus ihren elenden Lebensbedingungen befreite.
Doch eine historische Tiefenbohrung in jene Zeit befördert politische Artefakte zutage, die heutige Sozialisten am liebsten in den Giftschrank sperren würden, um anschließend die Schlüssel wegzuwerfen. Wir treffen in den 1920er Jahren nämlich auf Hugo Breitner, damals Finanzstadtrat und Mastermind des „Roten Wien“. Dass er dieses finanzierte, indem er hohe Steuern auf Luxus und ein Leben in Saus & Braus einführte, ist bekannt.
Sektsteuer statt Schulden
Weniger bekannt ist, dass der überzeugte Sozialist Breitner eine Finanzierung seines Projektes durch Schulden entschieden ablehnte, weil er Schulden zur Finanzierung des Sozialstaates für unmoralisch und eine ungerechtfertigte Belastung der Nachgeborenen ansah. Mehr noch: Mit den Einnahmen seiner Sekt- und Bordell-Abgaben baute er nicht nur Wohnungen, sondern baute auch die Schulden der Stadt ab.
Heutige Sozialisten würden die Finanzpolitik des „Roten Wien“ wohl als Form des Kaputtsparens anprangern.
Heutige Sozialisten würden das wohl als Form des Kaputtsparens anprangern und von kaltem, herzlosem und menschenverachtendem Neoliberalismus sprechen. Tatsächlich verhielt sich Breitner vor allem pragmatisch, trotz seiner Überzeugungen, und hatte damit enormen Erfolg – auf einer soliden Basis.
Das ist insofern relevant, als die Sozialisten in der Geschichte oft erfolgreich waren, wenn sie den Pragmatismus an die Stelle purer Ideologie stellten.
Ignorierter Erfolgsfaktor
Schnell fällt einem da etwa der ehemalige Finanzminister Ferdinand Lacina ein, ein echter Roter, der aber in Österreich Stiftungen für böse Kapitalisten einführte, die Privatisierung der „Verstaatlichten Industrie“ einleitete und die Vermögenssteuer abschaffte. Oder ein Hannes Androsch, der zwar für sich selbst das Steuerrecht nonchalant interpretierte, aber mit der Bindung des Schillings an die D-Mark eine wesentliche Basis für den Wohlstand des Landes schuf. Oder auch ein Gerhard Schröder, der zwar heute sehr zu Recht als schräger Putinist gilt, seinem Land mit der unpopulären Agenda-Politik aber zweifellos sehr gedient hat.
Es sind gerade die roten Pragmatiker, die zu ihrer Zeit bewiesen, dass den Sozialisten zwar oft, aber eben nicht immer „das Geld der anderen Leute ausgeht“, und damit Erfolg hatten. Eine politische Linke, die das ignoriert, wie derzeit üblich, wird von diesen Erfolgen nur träumen können.