Verbrenner-Verbot als Klima-Irrweg

Das Verbrenner-Aus nützt der Umwelt kaum, schwächt aber den Wirtschaftsstandort Europa. Technologieoffenheit und eine weniger polemische Politik würden mehr Zukunftssicherheit bringen.

Ein Mann in einem Cabrio, der wegen der Abgasverschmutzung eine Gasmaske trägt, London 1971
London, 1971: Ein Mann fährt wegen der hohen Abgasverschmutzung mit Gasmaske zur Arbeit. © Getty Images
×

Auf den Punkt gebracht

  • Ideologie. Das geplante Aus für Verbrenner in der EU ist politisch motiviert, zumal es kaum Auswirkungen auf die CO2-Bilanz hat.
  • Mogelpackung. E-Autos sollten erst flächendeckend im Einsatz sein, wenn das Stromnetz ausgebaut und von Erneuerbaren gespeist wird.
  • Deindustrialisierung. Die überstürzten Verbote für Verbrennermotoren führen zu Abwanderungen von Industrien an Orte, an denen die Nachfrage weiterhin besteht.
  • Technologieoffen. E-Fuels und Wasserstoff als Alternative zu E-Autos würden vorhandene Infrastruktur und das hiesige Verbernner-Know-How nutzen.

Auch wenn es gerne anders dargestellt wird, ist das Verbrenner-Aus eine vorwiegend politische Entscheidung, die nur einen verschwindend geringen Einfluss auf den Klimaschutz haben wird. Denn der Anteil europäischer Pkws am globalen CO2-Ausstoß liegt im Ein-Prozent-Bereich.

Mehr im Dossier Verbrenner-Verbot

Die Autoindustrie wird die Wende also nicht alleine herbeiführen können, andererseits muss darauf geachtet werden, dass genügend industrielle Wertschöpfung in Europa erhalten bleibt. In anderen Branchen ist sie ja nahezu vollständig abgewandert – etwa in so wichtigen Bereichen wie Computer-Chips oder Photovoltaik – und muss nun unter hohem Aufwand wieder zurückgeholt werden.

Wie viel Polemik bei der EU-Entscheidung im Spiel war, zeigt die Tatsache, dass derzeit kein einziger EU-Mitgliedsstaat – mit Ausnahme des Nicht-EU-Landes Norwegen – auch nur annähernd eine emissionsfreie Stromerzeugung erreicht. Trotzdem werden Elektroautos in der Gesetzgebung null Emissionen zugestanden. Das ist völlig realitätsfern und ökologisch kontraproduktiv.

Kohlestrom für Elektroautos

E-Mobilität löst unser Energieproblem nicht, sondern könnte es sogar noch verschärfen. Heute müssen Kohlekraftwerke reaktiviert werden, um den allgemeinen Strombedarf sicherzustellen. Aber Elektroautos mit Kohlestrom zu betreiben, ist ein wirtschaftlicher und klimapolitischer Irrweg. Das Wachstum bei der E-Mobilität muss hundertprozentig aus regenerativen Energien stattfinden. Deshalb wäre ein langsameres, an die Situation angepasstes Vorgehen angebracht.

Braunkohlekraftwerk Jaenschwalde in Deutschland in Betrieb im Juni 2022
Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde in Brandenburg, Deutschland, soll ab Herbst zwei stillgelegte Blöcke wieder hochfahren, um die Energieversorgung im Winter abzusichern. © Getty Images

Vor allem muss vor der Mobilitätswende eine Energiewende stehen. Weltweit kommen derzeit 88 Prozent der Primärenergie aus fossilen Quellen, selbst im mit Wasserkraft begünstigten Österreich wird mehr als zwei Drittel der gesamten benötigten Energie nicht nachhaltig gewonnen. In den vorgegebenen Zeiträumen vollständig auf regenerative Energiequellen umzustellen, scheint völlig aussichtslos, wenn wir nicht wie im Mittelalter leben wollen.

Ohne schmerzhafte Einschränkungen in unserem gewohnten Lebensstandard dürften bereits 30 Prozent Energie-Einsparung sehr viel sein. Natürlich können wir auch weiter Industrien auslagern, damit unsere Statistik besser aussieht. Aber in dieser Rechnung bedeutet weniger Energieverbrauch letztlich auch weniger Wohlstand.

Steigender Energieverbrauch

Wie viel Vorbildwirkung Europa noch hat, möchte ich nicht einschätzen. Die meisten Prognosen sagen aber voraus, dass der globale CO2-Ausstoß weiter linear steigen wird, weil mit dem wachsenden Wohlstand in Entwicklungsländern und dem Anstieg der Weltbevölkerung auch deren Energieverbrauch steigen wird.

Aber auch ärmere EU-Länder wie Rumänien oder Bulgarien könnten mit der Umsetzung des Verbotes der Verbrennungskraftmaschine in der EU durchaus Probleme bekommen. Aber vielleicht geht Europa ja den gleichen Weg wie Kalifornien. Dort gibt es schon seit Jahrzehnten ein ambitioniertes Zero-Emission-Gesetz, das immer wieder an die machbare Realität angepasst wird.

×

Zahlen & Fakten

Dass es gegen das Verbrenner-Verbot nicht mehr Widerstand gab, hat mehrere Hintergründe. Mit dem Abgas-Skandal verlor die Industrie viel von ihrer Reputation und Glaubwürdigkeit. Zudem hat sich bei den Konzernchefs eine pragmatische Sicht durchgesetzt hat. Mit einer offensiv kommunizierten Elektrostrategie will man am Börsenerfolg von Tesla und jüngeren Startups teilhaben. Im Alltagsgeschäft sieht es allerdings anders aus. Kein großer Hersteller, der auf allen Weltmärkten präsent sein möchte, wird ganz auf Verbrenner verzichten können.

Bei den Motoren wird es kaum mehr Neuentwicklungen in Europa geben. Es steckt zwar noch Potenzial in der Effizienzsteigerung, aber die Ertragskurve ist verflacht. Und die Abgasgrenzwerte sind inzwischen so nieder angesetzt, dass die modernste Generation von Dieselmotoren in Regionen mit hoher Luftbelastung sozusagen als Luftreinigungsmaschinen arbeiten. Beim Auspuff kommen weniger Partikel raus, als vorne angesaugt wurden.

Windräder entlang einer Straße in den Niederlanden
Windräder entlang einer Straße in den Niederlanden. © Getty Images

Und bei den künftigen Vorgaben wird längst nicht mehr der technische Aufwand gegen den gesellschaftlichen Nutzen aufgewogen. Darüber hinaus stoßen die Analysegeräte an die Grenze der Messbarkeit. Die Vorschreibung einer weiteren Reduktion der Schadstoffe macht zunehmend weniger Sinn und dient hauptsächlich dazu, den Verbrenner weniger attraktiv zu machen.

Industrie wandert ab

Das zweifelhafte Ergebnis des Verbrenner-Verbotes wird also sein, dass die Produktion dorthin wandert, wo sie auch verkauft werden dürfen. Es droht ein Verlust an Know-how bei den Produktionsmethoden und in der Grundlagenforschung. Schon heute kommen beim jährlichen Wiener Motorensymposium die überwiegende Mehrheit der Beiträge zu Verbrennungskraftmaschinen aus China und Südkorea. Die zukünftigen Verbrennermärkte akzeptieren auch geringere Entwicklungsstände bei Effizienz und Abgas. In der Vergangenheit waren Motorenbaureihen bis zu 30 Jahre im Einsatz, das könnte in Zukunft noch übertroffen werden.

Das Verbrenner-Verbot trägt planwirtschaftliche Züge, ein fairer Technologie-Wettstreit stand den EU-Politikern nie im Sinn, wie die Null-Emissions-Annahme für Elektroautos klar zeigt. Richtiger wäre eine gesamtheitliche Betrachtung der CO2-Emissionen. Angefangen von der Primärenergieproduktion bis zur Lebenszyklusanalyse inklusive Entsorgung.

Ein Beispiel: Das Problem des Batterierecyclings ist noch weitgehend ungelöst und das dabei entstehende CO2 fließt nicht in die Betrachtung der aktuellen CO2-Gesetzgebung ein. Wie viel Lithium kann zu welchem Preis – wirtschaftlich und ökologisch – wiederverwendet werden? Aus einem Verbrennungsmotor kann zu fast 100 Prozent wieder ein Verbrennungsmotor werden.

Alternative Treibstoffe

Eine hohe Comeback-Chance für Verbrenner besteht mittels E-Fuels und Wasserstoff. Der Wirkungsgrad eines Elektromotors ist fantastisch und für einen Verbrenner nie erreichbar. Dafür haben flüssige Kraftstoffe eine unübertroffen hohe Energiedichte. Natürlich sollten wir E-Fuels und Wasserstoff nicht in Europa erzeugen. Aber in der Sahara oder in Patagonien liefern Photovoltaikanlagen die doppelte Stromausbeute.

Flüssige oder gasförmige Energieträger lassen sich – als ganz wesentlicher Vorteil gegenüber dem leitungsgebundenen Strom – viel leichter transportieren und speichern. In Europa könnte dann die bestehende Infrastruktur aus Gasleitungen und Tankstellen weiter genützt werden und so das Stromnetz entlasten. Aber vorläufig wird auch in diesem Bereich in Europa viel zu engstirnig gedacht. Denn auch mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge sollen unter das Verbot fallen. Vorläufig jedenfalls.

×

Conclusio

Am Verbrennungsmotor hängen viele Arbeitsplätze in Europa. Ein Verbot auf EU-Ebene sollte daher politisch gut gerechtfertigt sein. Während die PKW mit Verbrenner rund ein Prozent zu den globalen Treibhausgas-Emissionen beitragen, werden E-Autos von Brüssel so behandelt, als würden sie keine Emissionen erzeugen. Das ist ein Trugschluss, solang der getankte Strom aus fossilen Quellen stammt. Würden Verbrenner nicht verboten, könnten E-Fuels und Wasserstoff mit der bestehenden Infrastruktur aus Gasleitungen und dem bestehenden Tankstellennetz das Stromnetz entlasten. Auch die Verbrenner-Industrie hätte mit der Forschung und Entwicklung dieser alternativen Kraftstoffe weiterhin eine Perspektive.