Der Euro ist besser als sein Ruf
Er ist Sinnbild der Krisen – und es stimmt, die Gründung der Währungsunion war eine schwere Geburt. Aber in Wahrheit ist der Euro eine Erfolgsgeschichte. Ein vorläufiges Fazit nach 20 Jahren der Krisen, Reformen und Kurswechsel.
Auf den Punkt gebracht
- Bedeutung. Beim Volumen an internationalen Zahlungstransfers hat der Euro den Rivalen US-Dollar in diesem Jahr erstmals (knapp) überholt.
- Krisen-Medizin. In der Finanzkrise und während der Corona-Pandemie hat sich der Euro als probates Mittel erwiesen, Europa zu stabilisieren.
- Geburtsfehler. Der Euro hat gegenüber anderen Währungen den Nachteil, dass die Mitgliedsstaaten nicht immer an einem Strang ziehen.
- Erleichterung. Wechselkursschwankungen und Spesen gehören in Euro-Europa der Vergangenheit an. Der Wohlfahrtsgewinn wird auf Milliarden Euro geschätzt.
EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, seine Frau Chiara, meine Gattin Gigi und ich drängen uns durch die Massen, die am Wiener Silvesterpfad ungeduldig das neue Jahr erwarten. Bei einem kleinen Blumenhändler angekommen, zücken wir Männer die Geldtaschen und kaufen unseren Ehefrauen rote Rosen. Blitzlichter und Fernsehkameras dokumentieren das Geschehen. Die Pointe: Wir zahlen mit den ersten Euro-Scheinen, die seit null Uhr am 1. Jänner 2002 gültig sind.
Damit ist eine lange Geschichte zu einem schönen Ende, nein, zu einem wirklichen Anfang gekommen. Die EU hat nun eine gemeinsame Währung, wir halten ein sichtbares Stück Europa in der Hand und können damit unsere täglichen Einkäufe erledigen. Wer hätte sich das 20 Jahre davor vorstellen können?
Mehr im Dossier Euro
- Aymo Brunetti: Wie stabil ist die Eurozone?
- Nikolaus Jilch: Digitales Geld, überwachte Bürger
- Der Pragmaticus: Der Euro – die Krisenwährung in Zahlen
- Karel Schwarzenberg: Warum „Böhmen“ den Euro nicht will
- Elisabeth Krecké: DIe Abwärtsspirale der Bankenunion
Die zweite Pointe dieser Silvesternacht: Eigentlich sollte diese Aktion für mich als österreichischen Bundeskanzler eine Art „Heimspiel“ werden, mit dem Kommissionspräsidenten an meiner Seite. Und das nicht einmal zwei Jahre nach den verstörenden Sanktionen des Jahres 2000 gegen unser Land und die von mir geführte Regierung.
Das langsame Werden der Währungsunion
1999 | Der Euro wird als Buch- und Bankengeld in Österreich, Belgien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal und Spanien eingeführt. Griechenland folgt 2001. |
2002 | Am 1. Januar findet der Umstieg auf Euro-Bargeld statt. |
2007 | Slowenien führt den Euro ein. |
2008 | Malta und Zypern treten der Währungsunion bei. |
2009 | Die Slowakei zahlt jetzt mit Euro. |
2011 | Als erstes baltisches Land übernimmt Estland den Euro. |
2014 | Lettland wird Teil des Euroraums. |
2015 | Litauen tritt ebenfalls dem Club der Euro-Länder bei. |
2023? | Kroatien will als nächstes Land den Beitritt zur Währungsunion schaffen, gefolgt von Bulgarien 2024. |
Aber weit gefehlt. Romano und ich wurden plötzlich umringt von Scharen von Italienern, die begeistert „Ritorna, Romano!“ riefen und ihn zur Rückkehr nach Italien und zur Ablösung seines Nachfolgers Silvio Berlusconi drängten. Die Lehre aus der Geschichte: Gut gemeinte PR-Aktionen haben zuweilen ganz andere als die ursprünglich beabsichtigten Wirkungen. Aber schön war’s trotzdem! Und die Bilder gingen um die Welt …
In der Tat war die Einführung des Euro für den Kontinent ein Gamechanger. Der Wegfall des Wechselkursrisikos ist für Importe und Exporte, besonders für den Mittelstand, ein entscheidender Vorteil, dazu kein Geldwechseln vor Urlaub und Auslandsreisen, geringere Transaktionskosten. Das Münchner ifo Institut bezifferte den EU-weiten Wohlfahrtsgewinn mit etwa 50 Milliarden Euro. Vor allem aber sollte die geplante europäische Währung die Einigung zu einer politischen Union verstärken.
1988: Wie alles begann
Aber es war wahrlich keine leichte Geburt. Beim Europäischen Rat 1988 in Hannover wurde der Plan für eine europäische Währung beschlossen. Schon ein Jahr später präsentierte Kommissionspräsident Jacques Delors seine Vorstellungen. Zu diesem Zeitpunkt betrat Theo Waigel als Finanzminister unter Bundeskanzler Helmut Kohl die europäische Bühne. Schon die erste Sitzung des Ecofin (Rat der EU-Finanz- und -Wirtschaftsminister) konfrontierte ihn mit seinem späteren Leib- und Magenthema. John Major, 1989 Finanzminister Großbritanniens, erklärte, sein Land werde sich am künftigen Europäischen Währungssystem (EWS) beteiligen.
Am 15. Dezember 1990 wurde der Vertrag zur gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion geschlossen. Briten, Dänen, Belgier und Iren hielten sich die letzte Stufe offen. Frankreich und Dänemark wollten sogar ein Referendum dazu abhalten. Den Feinschliff brachte der Vertrag von Maastricht mit den berühmten Fiskalregeln: einer Defizitobergrenze von drei Prozent und einem Schuldendeckel von 60 Prozent des BIP. Der Vertrag selbst wurde am 7. Februar 1992 unterzeichnet.
Die Einführung der gemeinsamen Währung Euro war für den Kontinent ein Gamechanger.
Dann folgte aber ein Tiefschlag nach dem anderen. Die Dänen lehnten in einer Volksabstimmung den Euro ab. Dann folgte die Pfundkrise. Am „Schwarzen Mittwoch“ des 16. September taumelten nach Spekulationen die britische und teilweise auch die italienische Währung. Das Vereinigte Königreich verließ das EWS und erholte sich nie mehr von diesem Trauma.
John Major und Tony Blair hielten die spätere Teilnahme an der Währungsunion noch offen, aber die Kraft zu diesem Schritt fehlte. Zwar wurde der Vertrag im Jahr 1993 ratifiziert, aber nur mit einer sogenannten Opt-out-Klausel. Auch der französische Franc schwächelte. Erst die Erweiterung der Währungsbandbreite auf plus/minus 15 Prozent und Stützungen in enormer Höhe stabilisierten die europäischen Währungen. 1995 war das Jahr der Namensdiskussion – ECU, Franken, Mark oder Euro? Der luxemburgische Finanzminister Jean-Claude Juncker hielt den Namen „Euro“ für zu wenig „erotisch“.
Waigel setzte sich durch
Theo Waigel setzte sich durch: „Aber er ist wenigstens eurotisch!“ 1996 wurden beim Europäischen Rat in Dublin die dritte Stufe der Währungsunion mit dem 1. Jänner 1999, die physische Einführung des Euro mit dem 1. Jänner 2002 und ein bindender Stabilitätspakt fixiert. Als Außenminister freute ich mich sehr, dass das Banknoten-Design nach einem internationalen Wettbewerb von Robert Kalina, einem Grafiker der Nationalbank, gestaltet wurde. Am 2. Mai 1998 fiel die endgültige Entscheidung über die Teilnehmer an der Währungsunion. Frankreich und Deutschland (mühsam wegen der Wiedervereinigung) erfüllten die Kriterien. Belgien und Italien versprachen glaubhaft (?) Besserung.
Waigel nannte die Aufnahme Griechenlands später „eine verhängnisvolle Fehlentscheidung“. Man hätte die an die Kommission übermittelten Daten viel genauer unter die Lupe nehmen müssen. (Anmerkung: Die Statistikbehörde Eurostat durfte die griechischen Daten damals gar nicht selbst überprüfen. Erst viel später wurde dies auf österreichischen Vorschlag zur Regel.) Denkwürdig – und abstoßend – für mich als Zeuge war das Ringen um die erste Besetzung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank. Zunächst sollte der Vertreter eines mittelgroßen stabilitätsorientierten Landes, der Niederländer Wim Duisenberg, zum Zug kommen. Jacques Chirac legte sich jedoch quer und schlug Jean-Claude Trichet vor, den Chef der Banque de France.
Tausende Journalisten warteten
Ein stundenlanges Ringen mit Helmut Kohl folgte. Tausende Journalisten mussten bis weit nach Mitternacht warten. Deren negative Kommentare hätte man sich sparen können. Letztlich eine salomonische Lösung: Duisenberg erklärte, aus Altersgründen nicht die gesamte Funktionsperiode von acht Jahren ausfüllen zu wollen – es sei aber seine persönliche Entscheidung, wann er an Trichet übergeben werde.
Auf Trichet folgte schließlich Mario Draghi, der mitten in der Finanzkrise mit seinem „Whatever it takes“ 2012 zur Stabilisierung der Eurozone Geschichte schrieb. In einem sehr schwierigen wirtschaftlichen Umfeld übernahm dann Christine Lagarde das Ruder der EZB. Theo Waigel beklagte sich einmal in privater Runde bei mir, dass er als deutscher Finanzminister für die massiven Kreditaufnahmen zur Wiedervereinigung achteinhalb Prozent Zinsen zahlen musste, während seine Nachfolger sich praktisch umsonst refinanzieren können.
Keine Schuldenunion!
Erst wenn man die Prinzipien bei der Einführung des Euro und die Ab- und Aufweichungen seither genau analysiert, wird der gewaltige Unterschied zum ursprünglich Vereinbarten sichtbar. In Artikel 125 des „Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ steht expressis verbis eine No-Bailout-Klausel: „Die Union haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften (…). Ein Mitgliedsstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierung (…) eines anderen Mitgliedsstaats.“ Der deutsche Bundeskanzler Kohl betonte in seiner großen Rede zur Euro-Einführung im Deutschen Bundestag ausdrücklich: „Nach der vertraglichen Regelung gibt es keine Haftung der Gemeinschaft für die Verbindlichkeiten der Mitgliedsstaaten und keine zusätzlichen Finanztransfers.“
ECU, Franken, Mark oder Euro? Jean-Claude Juncker hielt den Namen „Euro“ für zu wenig „erotisch“.
Letztlich war die Teilnahme an der Eurozone eine rein politische Entscheidung. Im Kriterien-Prüfungsjahr 1997 erfüllten nur Finnland, Frankreich, Luxemburg und Großbritannien das Schuldenkriterium. Es hieß daher: „Nur ein Reformkurs ist ein Beitrittskurs.“ Helmut Kohl war allerdings bereit, die 60-Prozent-Schuldengrenze aufzuweichen, nur um das EU-Gründungsmitglied Italien hereinzuholen. Bedenken der Deutschen Bundesbank wurden ignoriert und der Maastricht-Vertrag mit der schwammigen Formel aufgeweicht, dass man von den 60 Prozent abgehen könnte, wenn die Defizitquote zurückgehe und sich dem Referenzwert von drei Prozent nähere oder diesen „nur ausnahmsweise und vorübergehend“ überschreite.
Tatsächlich stimmte Italiens Ministerpräsident Lamberto Dini einem dauerhaften Primärüberschuss im Budget von vier bis fünf Prozent zu. Die beachtliche Zinsentlastung durch die Euro-Teilnahme sollte zur Schuldentilgung Italiens verwendet werden. Seine Nachfolger hielten sich jedoch nicht mehr daran, was Finanzminister Carlo Ciampi in seinen Memoiren einen „Verrat“ nannte. Hätte Italien – wie versprochen – die Zinsgewinne gespart, läge seine Schuldenquote heute nur mehr bei etwa 50 Prozent. Noch krasser das Beispiel Griechenlands, dessen Schulden 1995 bis 2014 von 99 Prozent auf 180 Prozent hochschnellten, obwohl das Land 2021 einen Schuldenschnitt von 105 Milliarden Euro erhalten hatte.
Sündenfall und Krisen
Aber auch Deutschland und Frankreich zählten zu den frühen Sündern. Trotz guter wirtschaftlicher Lage lag das deutsche Budgetdefizit in der Regierung Gerhard Schröder 2001 bis 2005 über drei Prozent. Frankreich folgte 2002 bis 2005. Beide Länder verlangten prompt eine weitere Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und blockierten allfällige Sanktionen der EU-Kommission.
In der Finanzkrise 2007/08 mit drohenden Bankinsolvenzen, Kapitalflucht und massiver Rezession sprang die EZB mit großzügigen Refinanzierungskrediten ein. Einfach ausgedrückt: In Form von Buchgeld wurde die Notenpresse angeworfen, wurden Staatspapiere ohne Beschränkung angekauft, unbegrenzte Liquidität zur Verfügung gestellt und die Zinsen bis zur Null-Linie immer weiter abgesenkt.
Ab Jänner 2015 eskalierte die Lage mit der griechischen Syriza-Regierung unter Alexis Tsipras noch mehr, als diese die Verhandlungen abbrach und ein (erfolgreiches) Referendum ansetzte. Am 3. Juli wurde die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands festgestellt. Erst unter massivem internationalem Druck nahm die Regierung die Verhandlungen wieder auf – Zeitverlust: etwa zwei Jahre! Letztlich war der Stabilitätspakt an mehreren Eckpunkten geschwächt:
- Niemand hatte vorausgesehen, dass nachfolgende Regierungen frühere Zusagen einfach ignorierten. Vorgesehene Sanktionen wurden im Finanzministerrat oder im Europäischen Rat verschleppt oder blockiert.
- Verschuldete Länder hatten im EZB-Rat die Mehrheit und konnten die Regeln zum Zugang zur lokalen Notenpresse nach Belieben ändern.
- Die dezentrale Struktur des Eurosystems erlaubte jeder Notenbank, der eigenen Wirtschaft über die jeweiligen Banken Notkredite zu gewähren, sofern keine Zweidrittelmehrheit im EZB-Rat dagegen war.
- Der faktisch unbeschränkte Ankauf von Staatspapieren durch die EZB wurde zum Auslöser des Konflikts mit der Deutschen Bundesbank, was zum Rücktritt ihres Präsidenten und des Chefvolkswirts der EZB führte.
- Das „Quantitative Easing“ der EZB geht noch weiter und betrifft Anleihen von Eurostaaten, EU-Institutionen und privaten Emittenten mit einem öffentlichen Förderauftrag. Jeden Monat werden Dutzende Milliarden bereitgestellt; Geld, das nicht wie bisher über Refinanzierungskredite in die Wirtschaft gelangt, sondern über Offenmarktpolitik – also Papiere, die über den Markt gehandelt werden. Damit wurde mit dem Tabu gebrochen, dass die EZB keine Staatspapiere kaufen soll.
Der Tanz um das Bailout
Und zugleich wird mit dem Einschluss von EU-Institutionen die Monetarisierung der Schuldpapiere der Rettungssysteme vorbereitet. Zwar vermied die EZB mit der anfänglichen Festlegung, dass Staatspapiere nur in Proportion zur Ländergröße gekauft werden, den Verdacht von Bailouts. Zudem waren die Aufkäufe auf ein Viertel der Emission und maximal ein Drittel der gesamten Staatsschuld begrenzt. Später fielen aber auch diese Limits. Die heutige Realität weicht also ziemlich stark von den ursprünglichen Zielsetzungen ab. Jeder einzelne Schritt mag verständlich und aus der jeweiligen Krise gut begründet sein.
Die Vorstellung, dass Europa die Krisen besser mit D-Mark oder Schilling bewältigt hätte, ist völlig abwegig.
Letztlich haben auch alle Euro-Teilnehmer an diesen Entwicklungen mitgewirkt, Parlamente ihren Sanktus gegeben und der Europäische Gerichtshof und nationale Höchstgerichte zugestimmt. Die gewaltigen Rettungsschirme von zwei Billionen Euro haben funktioniert, sie haben bis zur Stunde die europäischen Steuerzahler nicht belastet. Alle Krisenländer haben sich erholt und können sich wieder auf den Kapitalmärkten finanzieren.
Wachsamkeit gefordert
Wenn allerdings immer neue Vorstöße in Richtung Eurobonds, Ausklammerung von Ausgaben (für Klimaschutz, Pandemiefolgen, Sicherheit und Verteidigung und so weiter) für die Berechnung der Maastricht-Kriterien und Lockerung von Schuldenbremsen erfolgen, dann ist Wachsamkeit notwendig. Es geht nicht um einen weiteren „Hamilton-Moment“ (Copyright Olaf Scholz), also um eine weitere Vergemeinschaftung von Risiken und Haftungen, sondern vor allem darum, den Euro sicher in einem ziemlich unruhigen globalen Umfeld zu bewahren.
Die Zeichen dafür stehen gut: 19 Länder verwenden den Euro. Kroatien und Bulgarien sind demnächst Kandidaten. 60 weitere Nationen haben ihre Währung mit dem Euro fest verbunden. 20 Prozent der Weltwährungsreserven werden in Euro gehalten. Noch beeindruckender die globalen Zahlungstransfers: Im heurigen Frühjahr wurden 37,8 Prozent der Transaktionen laut Bloomberg mit dem Euro, 37,5 Prozent mit Dollar getätigt. Die Zustimmung der Bürger zum Euro ist heute mit 78 Prozent auf einem Allzeithoch. Italien wird mit ruhiger Hand von Mario Draghi geführt, der dafür sorgt, dass erste Tranchen des 750 Milliarden schweren Wiederaufbaufonds effizient genutzt werden.
In Frankreich wird Emmanuel Macron hoffentlich wiedergewählt. Somit könnte ein interessantes Triumvirat – Deutschland, Frankreich, Italien – eine produktive neue Phase der Wirtschaftspolitik einleiten und die EZB von ihrer überzogenen Stabilisierungsfunktion entlasten. Das ohnehin zu 75 Prozent ausgeschöpfte Pandemie-Notkaufprogramm könnte langsam auslaufen.
Die Vorstellung, dass wir Europäer die schweren Finanz-, Wirtschafts- und Pandemiekrisen der letzten Jahre besser mit der Deutschen Mark, dem Franc, der Lira, mit Escudo, Peseten, Finnmark oder Schilling bewältigt hätten, ist völlig abwegig. Chinesen, Amerikaner, Russen oder Inder würden Europa dann überhaupt nicht mehr als ernst zu nehmenden Partner betrachten. Gerade die Wirtschafts- und Währungsunion ist ein zentrales Bindemittel des Binnenmarktes und hält die EU zusammen. Die notwendige Flexibilität wurde gerade in der laufenden Corona-Krise unter Beweis gestellt. Dabei wurde der Stabilitätspakt befristet ausgesetzt. Aber Stabilitätsregeln und Budgetdisziplin waren und bleiben wichtig.
Conclusio
Die gemeinsame Währung war eine schwere Geburt und der Euro musste – an kurzfristigen Erfolgen orientierte – politische Einmischungen hinnehmen. Dabei haben sich die meisten Euro-Mitgliedsländer nicht mit Ruhm bekleckert. Dennoch fällt die Bilanz nach 20 Jahren höchst erfreulich aus. Denn neben der soliden Etablierung des Euro auf den internationalen Finanzmärkten, der Erweiterung um neue Mitgliedsländer und den Erleichterungen im Alltag der Bürger spielt auch die fühlbare Europäisierung in der Geldbörse eine wichtige Rolle für das Gemeinschaftsgefühl des Kontinents. Nicht zuletzt hat sich der Euro in der Finanz- und Corona-Krise bewährt und schlimme Abstürze verhindert. Jetzt gilt es, die Resilienz der Gemeinschaftswährung weiter zu stärken und bei der Aufweichung von Fiskalregeln wachsam zu sein.