Neue Politiker braucht das Land

Der Schlüssel zu einer besseren Politik liegt in der Stärkung des freien Mandats und in einem lebendigeren Parlamentarismus.

Illustration eines Bauarbeiters, der sich ein Jackett anzieht, vor einem Regierungsgebäude. Das Bild ist Teil eines Beitrags zur Frage, wie eine bessere Politik aussehen könnte.
Als Teil der Legislative sollte man seine Erfahrungen aus dem Beruf in die Gesetzgebung einbringen dürfen. © Michael Pleesz
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Auf den Punkt gebracht

  • Geld. Politik ist ein Dienst an der Gesellschaft. Da darf die Entlohnung nicht das vorherrschende Motiv sein.
  • Macht. Das Parlament sollte die Gesetze machen. In Wirklichkeit liegt die Macht in den Kammern, bei Raiffeisen und in den regierenden Parteizentralen.
  • Abgeordnete. Das Parlament ist kein Abbild der Gesellschaft, sondern eine Blase von vorwiegend Berufspolitikern und Apologeten von Zwangsvertretungen.
  • Parlamentarismus. Der Schlüssel zu einer besseren Politik liegt in der Unabhängigkeit der Abgeordneten und der Stärkung des freien Mandats.

Um ein Kanzlergehalt würde sich kein ATX-Vorstand die Manschettenknöpfe anlegen. Ist also vielleicht Geld – das Nationalratsgehalt, das Ministergehalt – ein entscheidender Qualitätsfaktor in der Politik? Um es mit Goethe zu sagen („Faust. Der Tragödie erster Teil“, Studierzimmerszene, Vers 1651): „Nein, nein!“ Politiker sollen nicht mehr verdienen.

Politik darf man nicht mit Wirtschaft vergleichen. Wer in der Politik arbeitet, sollte dies als Dienst an der Gesellschaft sehen. Da darf die Entlohnung nicht das Motiv sein. Voraussetzung dafür ist freilich, dass die Abgeordneten zum Nationalrat ein Abbild der Gesellschaft sind. Und es geht nicht ohne den Spirit von Entrepreneurship im Parlament.

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Für mich war Geld nie das Motiv, um in die Politik zu gehen. Ich wollte – und will abseits vom politischen Alltag auch heute noch – einen Beitrag dazu leisten, dass es der Gesellschaft, im konkreten Fall Österreich und Europa, nach meinem Dafürhalten besser geht. Ich will meinen Beitrag dazu leisten, die Bildungs- und Arbeitspolitik endlich ins Heute zu heben. Die entscheidende Frage ist, wie man Arbeitswelten für das 21. Jahrhundert schafft.

Dazu müssen wir das politische System überdenken. Also, worauf ist zu achten?

Zehn Punkte für eine bessere Politik

  1. Das Parlament sollte ein Abbild der Gesellschaft, ihrer Bedürfnisse und ein Ort des Ausgleichs der verschiedenen Interessen sein.
  2. Aktuell ist es eine in sich verschlossene Blase von vorwiegend Berufspolitikern und Apologeten von Zwangsvertretungen.
  3. Gute Ideen gelten nichts, es kommt vor allem auf das Lobbyieren von Eigeninteressen an. Abwehr statt Bewegung lautet die Devise.
  4. Nicht etwa im Parlament, sondern in den Kammern, bei Raiffeisen und in den regierenden Parteizentralen sind die mächtigsten Interessen verortet.
  5. Ich fände es fantastisch, wenn der überwiegende Teil von Politikern nur auf Zeit in den politischen Betrieb wechselt. Oder zumindest Pausen macht und die Luft der Lebensrealitäten schnuppert.
  6. Politik soll nie ein dauerhafter Lebensunterhaltsbeschaffer sein, sondern immer als Dienst an der Gesellschaft verstanden werden.
  7. In der Exekutive sind aufgrund des gleichzeitigen Berufsverbots anständige Gehälter absolut gerechtfertigt.
  8. Auch im Parlament ist eine gute Bezahlung gerechtfertigt. Aber das nur unter der Voraussetzung, dass es sich um ein Arbeitsparlament handelt. Nicht die Regierung, sondern die Volksvertretung sollte die Gesetze entwickeln.
  9. Eine Ahnung vom „Leben da draußen“ sollten alle haben: also entweder aktiv erwerbstätig sein oder zumindest eine relevante Berufserfahrung vorweisen können.
  10. Mindestens die Hälfte der Abgeordneten sollte einem Beruf außerhalb der Politik oder der Interessenvertretungen wie Kammern und Gewerkschaften nachgehen. Ich weiß schon, dem dürfte die Verfassung entgegenstehen – aber wünschenswert wäre es.

Beruflich war es eine schlechte Erfahrung, als Unternehmer in die Politik zu gehen. Die 32 behördlichen Überprüfungen in sieben Jahren in meinen drei Unternehmungen waren kein Zufall. Das kostet Zeit, Energie und Geld.

Systemfehler und Intransparenz

Für den Großteil der Abgeordneten ist ihr Job im Parlament die Haupteinnahmequelle. Sehr viele sind karenziert, andere wiederum befinden sich im Bataillon der Funktionäre einer Zwangsvertretung. Damit scheitert schon das Vorhaben, einen Dienst an der Gesellschaft zu leisten. Als Nationalratsabgeordneter wurde ich den Richtlinien gemäß gefragt, welche Nebenbeschäftigungen ich ausübe. Richtiger wäre es zu fragen: „Welche Hauptbeschäftigung üben Sie aus?“

Der zweite Systemfehler liegt in der Arbeit des Parlaments. Die Abgeordneten (Legislative) sollten die Gesetze erarbeiten und beschließen – so sieht es auch die Verfassung vor. Somit hätte die Regierung (Exekutive) diese Gesetze zu exekutieren.

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Zahlen & Fakten

Schottland, 1999: Der Schotte William Wallace nutzte die populäre Darstellung seines historischen Vorgängers gleichen Namens bei den Wahlen zum schottischen Parlament undkandidierte als unabhängiger Braveheart-Kandidat für den Wahlkreis Edinburgh Central.
Schottland, 1999: Der Schotte William Wallace nutzte die populäre Darstellung seines historischen Vorgängers gleichen Namens bei den Wahlen zum schottischen Parlament und kandidierte als unabhängiger Braveheart-Kandidat für den Wahlkreis Edinburgh Central. © Getty Images

Glossar: Verhältniswahl

Ziel ist die repräsentative Vertretung aller politischen Gruppierungen im Parlament. Die Mandate werden entsprechend dem Stimmenverhältnis auf alle Parteien bzw. Kandidaten verteilt. Man nennt das Proporz. Ein reines Verhältniswahlsystem errechnet alle Mandate aus einem einzigen Wahlkreis. Nur in diesem Verfahren repräsentiert jeder Mandatar (fast) gleich viele Wählerstimmen, das Verhältnis von Stimmen und Mandaten ist nahezu ident. Praktiziert wird dieses System nur selten, zum Beispiel in den Niederlanden. Systeme mit mehreren Wahlkreisen fördern trotz Verhältniswahl die Konzentration auf wenige Parteien im Parlament.

In der Realität ist der eigentliche Gesetzgeber – das Parlament, die Abgeordneten – zum Gesetznehmer degradiert. Wenn uns an einem lebendigen Parlamentarismus etwas liegt, muss hier der sogenannte U-Turn geschafft werden. Gleichzeitig ist das Instrument des Bundesrats im Sinne der Verfassung richtigzustellen: als Kammer der Bundesländer, die aktiv an der Gesetzgebung mitwirkt.

Die ehemaligen Großparteien, heute Mittelparteien, haben immer nach dem falschen System Menschen auf wählbare Stellen gesetzt: nach bündischen Strukturen und nach Bundesländern, nicht nach der politischen Ausrichtung. Dadurch entstehen Abhängigkeiten – vom Landesparteichef, von der Fraktion, vom jeweiligen Sozialpartner.

Politikern wirft man gerne Unvereinbarkeiten vor. Als Mitglied der Exekutive hat man zu Recht Berufsverbot. Aber als Teil der Legislative sollte man ja gerade seine Erfahrungen aus dem Beruf in die Gesetzgebung einbringen dürfen. Allerdings würden dann schon mal drei Viertel der Abgeordneten wegfallen, grob gesagt. Das Glaubwürdigkeitsproblem der Politik beruht nicht auf einzelnen Unvereinbarkeiten, sondern auf Intransparenz.

Der Schlüssel zu einer besseren Politik liegt in einem lebendigen Parlamentarismus mit aktiven Abgeordneten. Dafür braucht es transparente, sinnvolle Regeln nach dem Vorbild von börsennotierten Unternehmen. Und es braucht die Stärkung des freien Mandats. Dann ist Politik eine sinnvolle Arbeit im Dienst der Gesellschaft – und nicht eine Geldfrage.

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Conclusio

Geld ist in der Politik kein entscheidender Qualitätsfaktor, Politiker sollten ihre Arbeit als Dienst an der Gesellschaft betrachten. In Österreich liegt die Macht bei den Zwangsvertretungen und in den Parteizentralen. Die Gesetze sollten jedoch im Parlament gemacht werden, hierzu sollten die Parlamentarier praktische Erfahrungen aus ihrem Beruf einbringen. Dazu braucht es unabhängige Abgeordnete mit einem starken Mandat.

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