Schutzlos, wehrlos, hilflos
Deutschland gibt seine Bürger schutzlos preis und macht sie auch noch wehrlos. Magdeburg und Ludwigshafen, zwei deutsche Weihnachtsmärkte im Jahr 2024.
Mindestens fünf Tote und zweihundert Verletzte. Während ich diese Zeilen schreibe, ringen ein Dutzend Opfer noch immer um ihr Leben. Der Weihnachtsmarkt in Magdeburg war mit Pollern gegen Kleinlastwagen geschützt. Taleb Al-Abdulmohsen reichte ein schmaler Rettungsweg, um mit einem BMW in die Menge zu rasen.
Mehr von Thomas Eppinger
Die Informationen über den Täter beschreiben eine gelinde gesagt widersprüchliche Person. Sicher ist: Er kam 2006 von Saudi-Arabien nach Deutschland und erhielt 2016 Asyl als politisch Verfolgter. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und das Bundeskriminalamt (BKA) waren von verschiedenen Seiten vor ihm gewarnt worden. Saudi-Arabien hatte wegen Delikten in seinem Herkunftsland erfolglos seine Auslieferung beantragt und die deutschen Behörden zuletzt vor einem Jahr gewarnt, dass der Mann gefährlich sei. Einige Posts sind angeblich gelöscht worden, aber sein X-Account ist immer noch online, das letzte Posting stammt vom Tag des Anschlags.
Al-Abdulmohsen war amtsbekannt und sollte, müsste oder dürfte gar nicht in Deutschland sein. Attribute, die der angebliche Anti-Islamist mit fast allen seiner bekennend islamistischen Terrorkollegen teilt.
Am Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen
Szenenwechsel. Wenige Tage vor dem Anschlag in Magdeburg machte eine andere Szene aus dem vorweihnachtlichen deutschen Alltag im Internet die Runde. Zu sehen waren Ausschnitte aus einem Bericht des SWR (Südwestrundfunk, die zweitgrößte Rundfunkanstalt der ARD) über die Kontrolle des Messerverbots auf einem Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen.
Zum Hintergrund: Im Oktober hat der Deutsche Bundestag eine Verschärfung des ohnehin schon strengen Waffengesetzes beschlossen. Seither ist das Mitführen von Messern im öffentlichen Fernverkehr und bei Volksfesten – darunter fallen auch Weihnachtsmärkte – verboten. Im Zug einen Apfel schälen oder ein Stück Wurst schneiden? Lassen Sie es lieber! Mit der Gesetzesänderung reagierte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) auf den Messeranschlag in Solingen im August, bei dem ein IS-Mitglied drei Menschen ermordet und acht weitere verletzt hatte.
Ich bezweifle, dass sich der Täter, der zum Zeitpunkt der Tat längst nicht mehr in Deutschland sein hätte dürfen, an ein Messerverbot gehalten hätte. Dass Mord verboten ist, hat ihn schließlich auch nicht beeindruckt. Aber wenn Politiker nicht willens oder fähig sind, ein Problem zu lösen, signalisieren sie dem Wähler gerne Tatendrang durch symbolische Aktionen. Angela Merkel war die Meisterin dieser Art von Symbolpolitik – in der Sache wirkungslos bis kontraproduktiv, aber dem Wähler gut vermittelbar – und Frau Faeser ist offenbar eine gelehrige Schülerin.
Mit welchem Recht verwehrt der Staat seinen Bürgern, sich selbst zu schützen?
Und so sieht man in der SWR-Reportage freundliche Polizisten, wie sie die Handtasche einer harmlosen Rentnerin untersuchen und prompt fündig werden: ein kleines Schweizermesser konnte sichergestellt und konfisziert werden, nachdem die Dame die Polizistin selbst auf die Seitentasche hingewiesen hatte, in dem es aufbewahrt war. Und weil die Szene in Deutschland handelt, finden die braven Bürger es auch noch gut, in aller Öffentlichkeit perlustriert zu werden und den Inhalt ihrer Taschen ausbreiten zu müssen: „Macht sicherer“. Tut es eben nicht.
Der Staat gibt seine Bürger schutzlos preis
Die innere und äußere Sicherheit – die Verteidigung der Grenzen und der Schutz der Bürger – gehören zu den unbestrittenen Kernaufgaben eines jeden Staates. Nicht einmal Javier Milei rief bei diesen beiden Ressorts „Afuera“, was in dem Zusammenhang so viel bedeutet wie „Hinfort!“ oder „Weg damit!“. Das Erstarken der politischen Ränder ist eine unmittelbare Folge daraus, dass Deutschland beide Aufgaben nicht mehr erfüllt. Das Land ist nicht verteidigungsfähig, hat praktisch keine Kontrolle über seine Grenzen und die Zahl der Gewalttaten explodiert förmlich.
Binnen zehn Jahren stieg die Anzahl der polizeilich erfassten „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ von 46.793 (2013) auf 126.470 (2023). Darunter fallen auch die Verbreitung, der Erwerb, Besitz oder die Herstellung kinderpornografischer Inhalte. Mehr als 12.000 Frauen wurden im Vorjahr Opfer von Vergewaltigung oder sexueller Nötigung. Über 30 Frauen an jedem einzelnen Tag des Jahres. Rund 37 Prozent der Tatverdächtigen stammten nicht aus Deutschland. Von sämtlichen Straftatverdächtigen in Deutschland sind beeindruckende 41,1 Prozent Ausländer, obwohl diese nur 15,2 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Niemand auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg hätte sich vor dem Anschlag schützen können. Aber so manches Opfer der 214.099 polizeilich erfassten Gewalttaten im Jahr 2023 vielleicht schon. Angesichts dieser Zahlen und des offensichtlichen staatlichen Kontrollverlusts ist die Perlustrierung sichtlich harmloser Damen blanker Hohn. Und die Entwaffnung der Bürger eine Gefährdung ihrer Sicherheit.
Die Stärkung des Rechts auf Selbstverteidigung würde die Sicherheit der Menschen im öffentlichen Raum deutlich mehr erhöhen als eine Waffenverbotszone: Die beste Verteidigung gegen einen Messerangriff ist Davonlaufen. Die zweitbeste eine Pistole. Wenn der Staat nicht fähig dazu ist: Mit welchem Recht verwehrt er seinen Bürgern, sich selbst zu schützen?
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