Europa schafft das!

Autoritäre Populisten im Inneren, Energiekrise und ein Krieg: Die Soziologin Caroline Hornstein-Tomić hat dennoch keine Angst um Europa. „Es war noch nie so einig“, sagt sie.

Viktor Orban und Georgia Meloni sprechen miteinander bei einer Pause einer Konferenz. Meloni hat die Arme auf die Sessellehne gestützt. Das Bild illustriert ein Interview über Populismus in Europa und die Herausforderungen der Europäischen Union.
Der Ministerpräsident von Ungarn, Viktor Orban, und Giorgia Meloni, die Premierministerin von Italien bei dem Nato-Gipfel in Vilnius im Juli 2023, als der ukrainische Antrag auf Nato-Mitgliedschaft abgelehnt wurde. © Getty Images

Konfrontiert mit der These, dass Europa kein Friedensprojekt mehr sei, hat Caroline Hornstein-Tomić, eine Gegenthese: Die Zivilgesellschaft in Europa sei stark genug, den Traum Europa wahr zu machen – egal, was autoritäre Populisten sagen; egal, wie sehr die EU-Institutionen – „zu Recht!“, wie sie sagt – an Vertrauen verloren haben.

Der Podcast

Wo gegenwärtig die größten Herausforderungen liegen, sieht Hornstein-Tomić auch die größten Chancen für das europäische Projekt: Verteidigung, Integration, Energiesicherheit und Demokratie.

Ich träume von einem demokratischen Europa, in dem destruktive Kräfte marginalisiert sind. Ich träume von einem Europa, das frei ist.

1. Verteidigung

Der 24. Februar 2022 war ein Weckruf für Europa. Vorangetrieben von den osteuropäischen Staaten, allen voran dem Baltikum und Polen, hat Europa zu Einigkeit in Verteidigungsfragen gefunden, so Hornstein Tomić: „Polen und das Baltikum haben deutlich gemacht, wie immens wichtig die militärische Sicherung ist.“ Nebenbei spielten sich die osteuropäischen Staaten damit auch nach vorn in eine führende Rolle.

2. Energiepolitik

Die Warnungen wollte die EU lang nicht hören, doch seit dem Angrifftskrieg ist klar, dass Energiepolitik eine Frage der Sicherheit ist. „Plötzlich verstehen wir, dass Frieden auch Versorgungssicherheit bedeutet.“ Diese kann es ohne die Hinwendung zu erneuerbarer Energie nicht geben, meint Hornstein-Tomić.

3. Integration

Indem sie die Integration des Westbalkans sträflich schleifen ließ, habe die EU eine offene Flanke geschaffen, die von autoritären Populisten ebenso wie von undemokratischen Regimen ausgenutzt wird: „Es können sich Akteure mit ökonomischen Interessen durchsetzen, die zugleich kein Interesse an einer liberalen demokratischen Ordnung haben. Das ist eine Gefährdung für den Wohlstand, die Demokratie und die Sicherheit.“ Hornstein-Tomić plädiert dafür, den Integrationsprozess der Staaten des Westbalkans, aber auch Moldaviens und der Ukraine „dringend“ voranzutreiben.

4. Demokratie

Europa leidet unter einem autoritären Populismus, der Angst und Verunsicherung schürt, wie Hornstein-Tomić erklärt: „Es gibt diese Kräfte, die davon profitieren, dass die Ängste in der Bevölkerung wachsen, dass der Eindruck entsteht, es sei alles nicht zu schaffen und die Bürger hätten keine Handlungsmacht. Das Gegenteil ist wahr.“ Auch die politische Mitte neige dazu, der Sogwirkung nachgeben zu wollen, doch die wahre Stärke der EU liege in den zivilgesellschaftlichen Organisationen. Aber: „Ja, Demokratien sind vulnerabel.“ Speziell die osteuropäischen Länder müssen sich damit auseinandersetzen, dass sie von historischen Auswanderungsländern zu Einwanderungsländern werden.

Über Caroline Hornstein-Tomić

Foto von Caroline Hornstein-Tomic. Das Bild ist Teil eines Interviews mit ihr über Europa und die Zukunft der Demokratie.
Caroline Hornstein-Tomic. © EFA / Andrei Pungovschi

Caroline Hornstein-Tomić ist Senior Researcher (Soziologie und Anthropologie) am Institut für Sozialwissenschaften Ivo Pilar in Zagreb. Sie ist Vorstandsmitglied der Stiftung Europäisches Forum Alpbach und Mitbegründerin sowie geschäftsführende Partnerin von The Civics Innovation Hub.

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