Europas Kampfbereitschaft auf dem Prüfstand
Eine von europäischen Staaten zusammengestellte Eingreiftruppe könnte einen künftigen Frieden in der Ukraine absichern. Das ist keine ungefährliche Mission, aber ein notwendiger Beitrag für den Frieden. Nicht nur in der Ukraine, sondern in ganz Europa.

Europa steht vor einer vielleicht nie dagewesenen sicherheitspolitischen Entscheidung: Wie kann der Konflikt in der Ukraine beendet und zukünftigen militärischen Eskalationen durch Russland vorgebeugt werden?
Die Lage ist ernst. Ein möglicher übereilter Waffenstillstand birgt die Gefahr eines erneuten russischen Angriffs und eines noch brutaleren Nachfolgekriegs, der über die Ukraine hinausreichen könnte. Hinzu kommt die Unsicherheit bezüglich der zukünftigen US-Unterstützung, insbesondere unter einer Regierung unter Donald Trump.
Die Frage nach der Bedeutung der Ukraine für die europäische Sicherheitsarchitektur ist zentral. Ist sie tatsächlich ein Schlüssel zum Frieden auf dem Kontinent, oder kann Europa die Risiken eines russischen Sieges eingehen? Die Notwendigkeit eines europäischen militärischen Engagements hängt entscheidend von der Beantwortung dieser Frage ab.
Eine rein symbolische UN-Friedenstruppe zur Überwachung der Waffenstillstandslinie wäre vermutlich wirkungslos.
Eines ist jedoch klar: Ein Waffenstillstand allein wird kaum ausreichen. Erfahrungsgemäß hält Russland Vereinbarungen selten ein, solange es militärisch nicht zumindest kurzfristig geschwächt wurde. Daher ist die Stabilisierung der Frontlinie vor jeglichen Verhandlungen unerlässlich. Dies erfordert ein Aufrechterhalten der westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine und interne Militärreformen, um Kyivs Verhandlungsposition zu stärken und Russland zu ernsthaften Gesprächen zu bewegen. Selbst ein so erzielter Waffenstillstand wirft jedoch die Frage nach seiner Durchsetzung auf.
Eine rein symbolische UN-Friedenstruppe zur Überwachung der Waffenstillstandslinie wäre vermutlich wirkungslos. Eine substanziellere Präsenz ist nötig, um Russland von weiteren Angriffen abzuhalten. Dies könnte eine robuste europäische Eingreiftruppe – eine Koalition der Willigen ohne NATO- oder EU-Mandat – erfordern. Diese Option wird von vielen europäischen Regierungen zögerlich betrachtet. Eine solche Truppe, vergleichbar mit den US-Truppen in Korea, könnte den Waffenstillstand sichern und ein starkes Abschreckungssignal senden. Die Unterstützung der USA wäre dabei unverzichtbar, auch ohne direkte Truppenentsendung – sei es durch logistische Hilfe, Aufklärung oder die Bereitstellung zusätzlicher Feuerkraft, einschließlich Präzisionswaffensystemen für den Ernstfall eines russischen Angriffs.
Die Größe der europäischen Truppe, ihre Zusammensetzung, Ausbildung und Logistik stellen immense Aufgaben dar.
Eine mögliche Lösung, vorausgesetzt die strategische Bedeutung der Ukraine wird bejaht, wäre eine hybride Friedenstruppe: Eine UN-Friedenstruppe, hauptsächlich aus Ländern des globalen Südens, würde die unmittelbare Waffenstillstandslinie überwachen, konzentriert auf Beobachtung und friedensstabilisierende Präsenz. Im Hintergrund, etwas entfernt von der Front, stünde eine robuste europäische Eingreiftruppe bereit, um im Bedarfsfall schnell einzugreifen, die Friedenstruppe zu unterstützen und einen russischen Angriff abzuwehren. Diese Zweigleisigkeit könnte die Akzeptanz bei Russland erhöhen, da die direkte NATO-Beteiligung vermieden und die Präsenz westlicher Truppen reduziert wird. Dies bleibt jedoch abhängig von der positiven Beantwortung der Frage nach der Bedeutung der Ukraine für Europas Sicherheit.
Ein solches Szenario birgt erhebliche Risiken und Herausforderungen. Die Größe der europäischen Truppe, ihre Zusammensetzung, Ausbildung und Logistik stellen immense Aufgaben dar. Die Zusammenarbeit mit der ukrainischen Armee ist unerlässlich, sowohl um deren Erfahrung zu nutzen als auch eine reibungslose Integration für den Ernstfall eines erneuten russischen Angriffs zu gewährleisten. Europa bräuchte zudem eine klare Strategie für den Umgang mit möglichen russischen Provokationen, beispielsweise Sabotageakten oder „unabsichtlichen“ Beschüssen europäischer Truppen mit Toten und Verletzten als Folge. All dies erfordert sorgfältige Planung und breite politische Einigkeit innerhalb Europas. Die Unterstützung der USA, insbesondere die logistische Unterstützung und die Bereitstellung zusätzlicher Feuerkraft durch Präzisionswaffensysteme, ist für den Erfolg einer solchen Mission entscheidend, auch ohne direkte Truppenbeteiligung.
Europas Kampfbereitschaft
Schließlich stellt sich die grundlegende Frage nach Europas Kampfbereitschaft. Würden europäische Nationen tatsächlich gegen russische Truppen kämpfen, um einen Waffenstillstand zu verteidigen? Politische Uneinigkeit und Kriegsmüdigkeit könnten die Entschlossenheit schwächen. Eine klare Kommunikation der Risiken und der Bedeutung der Ukraine für die europäische Sicherheitsarchitektur ist daher unerlässlich. Die Alternative zum direkten militärischen Eingreifen ist ein hohes Risiko: Ein zukünftiger Krieg im Osten Europas mit einem möglicherweise gestärkten Russland.
Es ist ein schwieriger Abwägungsprozess zwischen bekannten und unbekannten Gefahren. Die Entscheidung über ein militärisches Engagement könnte die wichtigste sicherheitspolitische Entscheidung Europas im Jahr 2025 werden. Die Antwort auf die Frage nach der strategischen Bedeutung der Ukraine wird über das Schicksal der europäischen Sicherheitsarchitektur und den Frieden auf dem Kontinent mitentscheiden.