Trump lässt die Ukraine hoffen und bangen
Donald Trumps Friedenspläne für den Ukrainekrieg polarisieren: Sie bergen Chancen für den Frieden, könnten aber die Ukraine und die globale Stabilität gefährden.

Auf den Punkt gebracht
- Trump. Die Friedenspläne des neuen alten US-Präsidenten für den Ukrainekrieg stehen im Spannungsfeld zwischen Hoffnung und Risiko.
- Verständnis. Der Krieg ist kein bloßer Regionalkonflikt, sondern ein zentraler Kampf um die europäische Sicherheitsarchitektur und die globale Ordnung.
- Zugeständnisse. Ein schlechter Kompromiss würde die Souveränität der Ukraine gefährden, die westliche Einheit schwächen und könnte einen Weltkrieg provozieren.
- Konsequenzen. Werden autoritäre Regime ermutigt, ihre Ziele mit militärischer Gewalt durchzusetzen, reichen die Folgen weit über die Ukraine hinaus.
Nach der Angelobung Donald Trumps als US-Präsident könnten die globalen Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen kaum größer sein. Nicht zuletzt wird Trumps Präsidentschaft auch die Zukunft des Ukrainekrieges maßgeblich beeinflussen. Schließlich hat der US-Präsident im Wahlkampf mehrfach ankündigt die Kampfhandlungen innerhalb von 24 Stunden nach seiner Inauguration beenden zu können. Doch da Trumps Zusicherungen oft ebenso undurchsichtig wie wandelbar erscheinen, ist es wenig überraschend, dass aus den versprochenen 24 Stunden inzwischen sechs Monate und aus der anfänglichen Überzeugung eine Hoffnung wurden.
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Risiko und Chance
Seit Beginn der vollumfänglichen russischen Invasion der Ukraine vertrat Trump wiederholt die Überzeugung, im Falle eines erneuten Wahlerfolges den Ukrainekrieg durch einen „gesichtswahrenden Deal“ zwischen Wolodymyr Selenskyj und Wladimir Putin beenden zu können. Was allerdings unter einem „gesichtswahrenden Deal“ zu verstehen ist, bleibt nach wie vor unbekannt. Welche konkreten Schritte könnte Trump nach seiner Angelobung setzen?
Im Extremfall könnte Trump die US-Unterstützung für die Ukraine dramatisch reduzieren; zumal sich auch Trumps Vizepräsident James David Vance als Kritiker voraussetzungsloser US-Militärhilfen für Kyjiw zeigte. Auf diese Weise könnte die neue US-Administration versuchen, die ukrainische Führung unter Druck zu setzen, Gebietsabtretungen und weitere Zugeständnisse an Russland abzuverlangen sowie letztlich die Ukraine zu einer Kapitulation und zum Gewaltfrieden zwingen.
Wahrscheinlich ist dieses Szenario freilich nicht. Vielmehr ist von der neuen US-Administration jedenfalls in den ersten Monaten keine grundlegende Wende in der Ukrainepolitik zu erwarten. Änderungen dürften zunächst vor allem auf der rhetorischen Ebene erfolgen, während zentrale Prinzipien der Biden-Politik weitgehend fortgeführt werden. Dazu gehören voraussichtlich auch die von Biden in den letzten Wochen seiner Präsidentschaft zugesicherten Hilfen für die Ukraine. Eine Ausweitung der militärischen Unterstützung durch die USA bleibt zwar eine mögliche Option, falls Russland seine Unnachgiebigkeit fortsetzt, doch erscheint eine solche Entwicklung zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich.
Zahlen & Fakten
Die wundersame Friedensplanvermehrung
Den Informationen von The Wall Street Journal zufolge soll der Beraterstab Donald Trump mehrere Friedenspläne angeboten haben. Gemeinsam ist allen Vorschlägen der Wunsch nach einem raschen Einfrieren der Kriegshandlungen entlang der von einem internationalen Kontingent bewachten Kontaktlinie, sowie die damit zwingend einhergehenden Territorialeinbußen von über 20 Prozent des ukrainischen Territoriums für Kyjiw.
Die Überzeugung von der Notwendigkeit, die Kriegshandlungen entlang der Kontaktlinie einzufrieren und eine befestigte entmilitarisierte Zone einzurichten, die eine erneute Invasion Russlands verhindern würde, decken sich jedenfalls mit den Äußerungen des US-Vizepräsidenten J.D. Vance vom September 2024. Unabhängig von der Detailausgestaltung dürfte sich Trumps finaler Friedensplan im Wesentlichen an diesen Vorschlägen orientieren.
Es erscheint mehr als fraglich, ob Trumps Friedenspläne Erfolg haben können.
Trumps ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater und designierter Sondergesandter für die Ukraine und Russland, Generalleutnant Keith Kellogg, bat im Interview mit Fox News jedenfalls um Geduld und versicherte, dass Trump nicht an Zugeständnissen an Putin interessiert sei und versuchen würde, die Ukraine sowie ihre Souveränität zu retten. Für eine Lösung seien allerdings Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin notwendig.
Der Fokus der USA liegt auf China
Donald Trumps Team wirkt jedenfalls entschlossen. Denn schließlich möchte man wie bereits während der ersten Amtszeit den außenpolitischen Hauptfokus auf den Pazifik und vor allem auf die Eindämmung Chinas legen. Durch eine schnelle Befriedung des Ukrainekrieges hofft Trump, die zunehmende Abhängigkeit Russlands von China im militärischen, wirtschaftlichen und industriellen Bereich zu unterbinden und damit China als Hauptrivalen der USA zu schwächen.
Freilich erscheint es mehr als fraglich, ob seine Friedenspläne Erfolg haben können. Bereits während seines Wahlkampfes 2016 glänzte Trump in Bezug auf den Krieg im Donbas und die Beziehungen zu Russland mit charismatischen, jedoch vagen Versprechen.
Trump-Administration im Dunstkreis des Kremls
Abgesehen davon fehlt es Donald Trump angesichts seiner teils nachgewiesenen, teils mutmaßlichen Verbindungen zum Kreml an Glaubwürdigkeit als neutraler Friedensvermittler. Darüber hinaus hat sich Trump immer wieder geradezu bewundernd über Wladimir Putin und seinen autokratischen Führungsstil geäußert und dabei viel zu oft mit Kritik gespart. So verweigerte Trump Putin gegenüber jedwede Kritik angesichts des Todes des bekanntesten politischen Häftlings Russlands, Alexej Nawalny, welchen er jedoch als einen „sehr mutigen Mann“ bezeichnete, und meinte zugleich in den USA auf eine ähnliche Weise wie Nawalny verfolgt zu werden.
Auch hat sich Trump ausdrücklich geweigert, die Einmischung Russlands in die US-Wahlen 2016 anzuerkennen. Dies ungeachtet der Tatsache, dass der Sonderermittler Robert Mueller in seinem Untersuchungsbericht eine systematische Beeinflussung der US-Präsidentschaftswahlen feststellte. Stattdessen beschuldigte Trump die Ukraine, die Präsidentschaftskandidatin der US-Demokraten Hillary Clinton zu unterstützen.
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist sehr viel mehr als ein imperialer Unterwerfungsfeldzug gegen eine ehemalige Provinz.
Die unverantwortlich starke Nähe bis hin zu einer für die nationale Sicherheit der USA bedrohlichen Verflechtung der zentralen Berater Donald Trumps mit dem Kreml ist alles andere als vermeintlich. Die Einflussnahme des Kremls auf Donald Trump über den Kreis seiner engsten Vertrauten lässt kaum Hoffnung auf eine ehrliche Vermittlerrolle des US-Präsidenten im Ukrainekrieg zu.
Der Ukrainekrieg ist kein bloßer Regionalkonflikt
Sollte es aber Donald Trump mit seiner Friedensmission ernst meinen, so hat er eine schwere Bringschuld auf sich geladen. Denn die Zeichen stehen für das Weiße Haus bei Weitem nicht günstig. Unglücklicherweise scheint Trump dem gleichen Verständnisfehler zu unterliegen wie viele Friedensaktivisten im Westen. Bei der russischen Invasion der Ukraine handelt es sich nämlich keinesfalls um einen bloßen Regionalkrieg, eine begrenzte territoriale Streitigkeit zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation. Eine derart isolierte Betrachtung verschleiert mehr als sie zu erklären vermag.
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist auch sehr viel mehr als ein imperialer Unterwerfungsfeldzug Moskaus gegen eine ehemalige Provinz. Der Kreml sieht den Ukrainekrieg als einen mehrdimensionalen Konflikt über die Zukunft der europäischen Sicherheit, sowie letztlich über die Spielregeln der gesamten Weltordnung. Fiona Hill, die ehemalige Russlandberaterin Donald Trumps, bezeichnete den Ukrainekrieg gar treffend als eine „Stellvertreterrebellion Russlands gegen die Vereinigten Staaten sowie die etablierte Völkerrechtsordnung“.
Vor diesem Hintergrund sollte sich Trump von grundsätzlicher Gesprächsbereitschaft des Kremls mit Washington nicht täuschen lassen. Moskau möchte die Gespräche mit dem Weißen Haus auf Augenhöhe dazu nutzen, um Fragen der gesamteuropäischen und globalen Sicherheitsarchitektur unter überproportionaler Berücksichtigung russischer Interessen zu erörtern. Andere Anreize für einen Waffenstillstand, das Einfrieren der Kampfhandlungen oder Friedensgespräche sieht Putin hingegen kaum. Auch die Interessen Kyjiws werden von Moskau weitgehend ignoriert.
Das russische Ultimatum gegen die USA und die NATO vom Dezember 2021 zeugt eindrucksvoll von den wahren Absichten Moskaus, so insbesondere die Forderung nach Rückführung militärischer Fähigkeiten der NATO, einschließlich der Angriffsfähigkeit sowie der Infrastruktur auf den Stand der NATO-Russland-Gründungsakte aus dem Jahre 1997.
Ein schlecht durchdachter Waffenstillstand könnte das Risiko künftiger russischer Aggressionen erheblich erhöhen.
Diese Forderungen bilden für den Kreml das Fundament etwaiger Verhandlungen über das Ende der Kampfhandlungen in der Ukraine. So lässt sich Russlands Aggression durch territoriale Zugeständnisse Kyjiws und einen Verzicht auf die Aufnahme der Ukraine in die NATO lediglich eine Zeitlang einfrieren, jedoch keinesfalls lösen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Zu hoffen bleibt, dass die zukünftige US-Friedensinitiative nicht nur kurzfristige Maßnahmen zur Deeskalation und zum Einfrieren des Konflikts vorsieht, sondern auch die langfristigen geopolitischen Konsequenzen berücksichtigt. Ein schlecht durchdachter Waffenstillstand oder unzureichende Sicherheitsgarantien könnten die Ukraine destabilisieren und das Risiko künftiger russischer Aggressionen erheblich erhöhen. Zudem könnten Zugeständnisse an Russland einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, der anderen autoritären Regimen signalisiert, dass militärische Gewalt ein effektives Mittel zur Erreichung geopolitischer Ziele ist.
Insbesondere darf die neue US-Administration die asymmetrische Machtverteilung zwischen Russland und der Ukraine keinesfalls ignorieren, da Washington andernfalls eine zukünftige russische Aggression indirekt legitimieren würde. Diese Asymmetrie kann nur durch belastbare Sicherheitsgarantien überwunden werden – in Form einer stark bewaffneten internationalen Friedenstruppe unter zwingender Beteiligung der USA, ergänzt durch weitere Zusicherungen wie die Errichtung einer Flugverbotszone im Falle erneuter russischer Aggression.
In diesem Kontext sollte Washington seine Strategie eng mit seinen Verbündeten abstimmen. Diese muss auf konsequenten Sanktionen gegen den Kreml, der Stärkung der ukrainischen Souveränität und dem Aufbau einer stabilen Sicherheitsarchitektur mit glaubhafter Abschreckung gegenüber Russland basieren. Nur so kann eine erneute russische Aggression verhindert und ein Abgleiten in einen Weltkrieg vermieden werden.
Conclusio
Friedenspläne. Während Trumps unorthodoxe Herangehensweise Chancen für neue Verhandlungsansätze bieten könnte, überwiegen die potenziellen Gefahren.
Risiken. Besondere Herausforderungen sind Trumps erratischer Führungsstil, seine Nähe zu Russland und sein Misstrauen gegenüber internationalen Allianzen.
Strategie. Eine wirksame Friedensinitiative muss langfristige Stabilität und eine glaubhafte Abschreckung des Westens Russland gegenüber sichern.