Frankreich: Kochen mit Disziplin

Frankreichs Küche ist wie seine Parks, wo die Bäume Truppen bilden, meint Gastrosoph Peter Peter. Doch ohne Frankreich keine Restaurants und keine Kochkunst. macht Hunger Folge II.

Die Malerei von Ernest Ange Duez, Au restaurant Le Doyen von 1878 zeigt eine Szene in einem gehobenen bürgerlichen Restaurant. Eine junge Frau mit aufwändigem Hut, Schmuck und Kleid sitzt an einem mit weißem Tuch gedeckten Tisch und blickt den Betrachter, die Betrachterin des Bildes an. Sie hält die Hände aufgestützt. Zwei junge Männer am Tisch hinter ihr beobachten sie, einer der beiden scheint sich ihr zuzuwenden. Im Hintergrund sind Kellner mit Frack und weißen Schürzen zu sehen, die an den Tischen bedienen. Das Bild ist Teil eines Beitrags über Frankreich und seine Rolle bei der Entstehung von Restaurants.
Ernest Ange Duez, Au restaurant Le Doyen (1878): Das französische Restaurant war eine bürgerliche Erfindung, ein öffentlicher und zugleich privater Ort, der das Essen ebenso zelebrierte wie den Status. Es war im 19. Jahrhundert nicht unüblich, dass Frauen allein ein Restaurant besuchten – vermutlich jedoch nicht, ohne von Männern angesprochen zu werden. © Getty Images

Dass Marie Antoinette das mit dem Kuchen und dem Brot sagte, ist kein Zufall. Sie kannte nichts anderes: In der zweiten Folge unserer Podcastreihe macht Hunger führt Gastrosoph Peter Peter zu den Ursprüngen der französischen Küche – die liegen unter anderem in Versailles und im Paris seit 1789.

Der Podcast

Zwar isst heute kaum jemand noch irgendwas mit Butter und Cognac gleichzeitig, aber ohne Frankreich, Versailles und die Französische Revolution gäbe es keine europäische Esskultur. In den Worten von Peter Peter:

Wer in einem Park Bäume wie Truppen anordnen kann, schneidet auch ein Fischfilet in ein Quadrat.

Gastrosoph Peter Peter übt hier nur scheinbar Kritik an der französischen Küche. In Wahrheit gilt Frankreich – was die Küche betrifft – seine größte Bewunderung. Frankreich habe einen künstlerischen Zugang zum Essen, erklärt er und keine andere Küche bringe so viel Geduld und Respekt für das Essen auf wie die französische. Welche kulinarische Tradition sonst kennt den Begriff des Affinierens, des Reifenlassens bis zur Vollendung?

Frankreich hat nicht nur das Restaurant erfunden, sondern auch die Weltsprache der Küchen, der Essenszubereitung. Sauce, Blanchieren Sorbet: die Sprache des Kochens ist französisch. In Frankreich hat auch die Küchen- und Restauranthierarchie ihren Ursprung: Vom Chef de Cuisine über den Sous Chef bis zum Chef de Partie – ein französisches Restaurant hat eine strenge Arbeitsteilung und möglicherweise haben sowohl Frederick Taylor als auch Henry Ford den Küchen von Versailles und den ersten Restaurants viel zu verdanken.

Dies ist die zweite Folge unseres Podcast macht Hunger mit dem Gastrosophen Peter Peter. In unserer Podcastreihe macht Hunger geht es um die Kulturgeschichte des Essens und alle wirtschaftlichen Verstrickungen und politischen Machtspiele, die mit dem Essen und kulinarischen Traditionen verbunden sind. Die erste Folge über die Macht der Nationalgerichte können Sie hier nachhören, das Programm von macht Hunger finden Sie hier:

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Zahlen & Fakten

Charles Bronson, Jill Ireland und Zuleika Bronson sitzen an einem mit einem weißen Tischtuch und Servietten im selben Muster gedeckten Tisch mit Tellern und Gläsern, der vor einem großen Fenster mit Aussicht auf ein Meer steht.
Charles Bronson, Jill Ireland und Zuleika Bronson in einem nicht näher bestimmten französischen Restaurant im Mai 1978. © Getty Images

macht Hunger – Ihr Programm bis Mitte November

3. Oktober >> Regionalismus lokal – Der Luxus von Cucina Povera: Der italienische Filmregisseur Pier Paolo Pasolini meinte, der Konsumismus werde den Arbeiter umbringen. Sicher bringt der Konsumismus im Gewand des Fast Food die Cucina Povera, die einfache Küche, um. Sie wird Luxus, jede regionale Besonderheit wird eingeebnet, oder doch nicht? Die Cucina Povera ist scheinbar schlicht, aber zäh, und immun gegenüber dem Dünkel.

17. Oktober >> Urheberstreit – Wer hat das Patent auf Schnitzel? In Deutschland war das Wiener Schnitzel einst (also circa in den 1970er Jahren bis zum Ende der Sowjetunion) ein Synonym für gutbürgerliche Küche, und es machte nichts, eine Bratensoße darüber zu schütten. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Österreich das Gericht, dessen Form auch die des Landes ist, als sein Kulturgut zu schützen versucht. Dabei ist das Schnitzel eigentlich ein italienisches Gericht. Oder nicht?

31. Oktober >> Essen global – Die Internationalisierung des Gaumens: „Der Grieche“ und „Der Italiener“ sind „um’s Eck“, man geht auch „zum Chinesen“. Kein Tatort kommt ohne die Nachdenkpause in der Pommesbude aus, dabei gab es Pommes – die guten! – einst nur in Brüssel. Die Gaumenfreuden sind – Migration sei Dank – in Westeuropa internationaler geworden. Zugleich erlebt die Welt eine bedauerliche Standardisierung des Essens.

14. November >> Zucker, Zucker, Zucker: Oh Du süße Inflation: Zucker, tja, kann auch ganze Wirtschaften aufblähen und Spekulationsblasen erzeugen. Aktuell ist Zucker in Europa um 70 Prozent teurer als noch vor einem Jahr. Diese Folge von macht Hunger widmet sich der Wirtschaftsmacht der Lebensmittel.

Über Peter Peter

Portraitfoto von Peter Peter.
Beim Essen gibt es keine Zufälle: Gastrosoph Peter Peter zeigt im Podcast macht Hunger wieviel politisches Kalkül im Essen steckt. © Gregor Kuntscher

Der Kulturwissenschaftler Peter Peter ist in der bayerischen Hauptstadt München aufgewachsen, hat in Klassischer Philologie promoviert und ist Autor zahlreicher Bücher über das Reisen und die Kochkulturen dieser Welt. Er lehrte an der von Slow Food gegründeten Università delle scienze gastronomiche in Pollenzo und Colorno. Seit 2009 lehrt er für den Masterstudiengang des Zentrums für Gastrosophie der Universität Salzburg das Modul „Weltküchen und Kochsysteme“ und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik.

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