Die Furcht vor dem falschen Pferd

Elektromobilität erfordert aktives Umdenken im Alltag. Emotionale Hemmschwellen beim Kauf eines Elektroautos bleiben, solange Autofahrer fürchten müssen, dass sie mit E-Autos auf das falsche Pferd setzen.

Leerer Elektroauto-Parkplatz
In der Praxis gibt es zahlreiche Bedenken beim Kauf eines Elektrofahrzeugs. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Eingeschränkte Reichweite. Der befürchtete Mangel an Ladeinfrastruktur ist für viele potenzielle Nutzer ein ernstes Hindernis beim Kauf eines Elektroautos.
  • Unterschiedliche Wahrnehmung. Erfahrene E-Auto-Nutzer und Neulinge nehmen die Herausforderungen der Elektromobilität unterschiedlich war.
  • Diverse Entscheidungskriterien. Autokauf ist keine rein rationale Angelegenheit. Emotionen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.
  • Fehlende Sicherheit. Pläne für komplett autofreie Städte sorgen für deutliche Kaufzurückhaltung - auch bei Elektrofahrzeugen.

Angebote, Technik und Infrastruktur rund um die Elektro-Mobilität nehmen qualitativ und quantitativ deutlich zu. Um der Elektromobilität endgültig zum Durchbruch zu verhelfen, müssen diese Fahrzeuge aber zunächst einmal von den Fahrern angeschafft werden. Beim Kauf von E-Autos gibt es offenbar zahlreiche Hürden und Hemmnisse, die dieser Form der Fortbewegung im Wege stehen. Eine Studie der ETH Zürich ist eben diesen Hemmnissen auf den Grund gegangen. Das Ergebnis: Vorstellung und Wirklichkeit von Elektromobilität klaffen noch weit auseinander.

Mehr im Dossier Elektromobilität

Die Untersuchung fand im Zeitraum November 2019 mit Fokusgruppen sowie im August und September 2020 mit einer Umfrage mit 2.000 Teilnehmern im Kanton Zürich statt, der sowohl urbane als auch ländliche Räume umfasst. Zunächst wurden sechs Fokusgruppen-Gespräche geführt – mit Bewohnern, Vertretern der Kfz-Branche und der Politik. Danach wurde die Umfrage unter zufällig ausgewählten Personen durchgeführt.

Die Fokusgruppen haben als Hindernisse für eine weitere Verbreitung von Elektromobilität vor allem den Mangel an ausreichender Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum angegeben. Weiters führten sie die nicht ausreichende Reichweite der Fahrzeuge, Unsicherheiten bei den Bezahlmodellen der Stromversorger und Verwirrung beim Handling und der Kompatibilität der Stecker an. Als weiterer Punkt kristallisierte sich heraus, dass die Umweltauswirkungen des breiten Einsatzes von Elektromobilität für diese Gruppen unklar waren. Es stellte sich die Kernfrage: Ist ein bereits vorhandener Verbrenner, dessen Ressourcen bereits eingesetzt wurden, nicht umweltfreundlicher als ein neu zu bauendes E-Auto? Und es gibt Bedenken aufs falsche Pferd zu setzen. Sollte man nicht noch abwarten, ob etwa Brennstoffzellenfahrzeug die bessere Technologie der Zukunft sind?

Die Verkehrswende beginnt im Kopf.

Ein spezifischer Punkt kommt in Zürich noch hinzu – ist aber wohl auch in anderen Städten durchaus wichtig. Was passiert, wenn die Innenstadt künftig komplett autofrei wird? Lohnt sich dann überhaupt die Investition in ein Elektrofahrzeug, wenn es dort ohnehin nicht verwendet werden darf? Noch ein Schweizer Spezifikum: Kaufpreis-Prämien, also die öffentlich subventionierte Anschaffung, sind in der Eidgenossenschaft umstritten. Nur in einigen Kantonen wurden diese etabliert. In anderen Ländern wie Deutschland oder Österreich spielen Prämien allerdings eine große Rolle.

Große Sorge über E-Mobilität in der Praxis

Die Umfrage brachte vor allem Unterschiede zwischen Neulingen und bereits erfahrenen Nutzern von Elektromobilität ans Licht. Haupt-Hemmnis bei der ersten Gruppe ist die Unsicherheit über Ladedauer und Reichweite. Diese äußerten auch Sorge über belegte, also blockierte, Ladestationen, wodurch das sorgenfreie Aufladen unmöglich wäre. Für etablierte E-Fahrer ist das, nach deren Angaben, kein Problem. In der Praxis gäbe es kaum Schwierigkeiten.

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Zahlen & Fakten

Große Unterschiede zwischen Fokusgruppen und Umfrageteilnehmern gab es auch bei der Bewertung der Anschaffungskosten. Vor allem bei der Politik ist das kein großes Thema, während unter den Umfrage-Teilnehmern der höhere Kaufpreis von Elektrofahrzeugen noch ein wichtiges Hemmnis ist, und wohl kaum über die deutlich niedrigeren laufenden Kosten ausgeglichen werden kann.

Zusammenfassend lässt sich aus der Studie erkennen, dass es eine Differenz zwischen Vorstellung, oder besser der empfundenen Wahrheit, und der Realität gibt. Unser mentales Bild vom Auto scheint sehr stark vom Verbrenner geprägt zu sein. Fahrende von Elektro-Autos denken aber anders. Ihnen ist bewusst, dass das Fahrzeug mehr als 23 Stunden am Tag nicht in Betrieb ist. Daraus folgt, dass diese Zeit gut zum Laden genutzt werden kann. Die Mehrzahl hängt aber der Vorstellung an: Das Elektromobil soll in allen Parametern möglichst dem gewohnten Verbrenner ähneln – vom Tanken bis zu den Kosten. Denn der Autokauf ist immer noch sehr emotional besetzt. Die meisten Menschen lehnen hier Kompromisse ab, was Preis, Laden und Reichweite angeht. Das Nachdenken über Umweltfreundlichkeit gerät ins Hintertreffen. Selbst preislich attraktive Angebote wie Kombinationen aus öffentlichem Verkehr mit Carsharing-Fahrzeugen erreichen, zumindest in der Schweiz, wenig Zuspruch.

Bequemlichkeit als Hemmschuh

Um das zu unterstreichen, fällt etwa das Argument auf: Im eigenen Auto kann man Sachen drinnen lassen (etwa den Kindersitz). Da geht es stark um Bequemlichkeit und nicht nur um die Möglichkeit von A nach B zu kommen.

Unterschiede in der Bewertung von Elektromobilität zwischen Stadt und Land sind nicht signifikant aufgefallen – am ehesten noch ein stärkeres urbanes Bewusstsein für die Luftqualität.

Fasst man die Ergebnisse der Studie einfach zusammen, lässt sich sagen: „Die Verkehrswende beginnt im Kopf“. Und: Verkehrswende ist mehr als reine Antriebswende. Elektromobilität erfordert ein gesamthaftes Umdenken – von der Anschaffung des Fahrzeugs bis hin zum täglichen Betrieb. Spannend könnte eine Folgestudie im zeitlichen Abstand werden, da gerade beim Thema Elektromobilität vieles in Bewegung ist und eine positive Eigendynamik zu beobachten ist.

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Conclusio

Dem Kauf eines E-Autos stehen zahlreiche Hürden entgegen: Hohe Anschaffungskosten, Bedenken hinsichtlich ausreichender Ladeinfrastruktur, Umweltaspekte und die Reichweite. Elektromobilität erfordert ein breitflächiges Umdenken bei der Fahrzeugnutzung im Alltag. Die ehrgeizigen Klimaziele der Politik und das tatsächliche Leben der Menschen klaffen beim Thema Mobilität besonders weit auseinander. Hauptproblem: Mangelndes Bewusstsein der Entscheidungsträger für die Preissensibilität der Bevölkerung. Außerdem ist die Verkehrswende ein hochemotionales Thema und braucht es klare Kommunikation sowie Technologiesicherheit, um nicht aufs falsche Pferd zu setzen. Und die Garantie, dass zumindest mit E-Autos individuelle Mobilität weiter möglich bleibt.