Vater und Tochter stehen mit einem E-Auto vor einem Kraftwerk

Elektroautos: Ausweg oder Irrweg?

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Auf den Punkt gebracht

  • Strom-Illusionen. Die Batterie ist noch immer nicht so sauber, wie ihre Lobbyisten uns weismachen wollen. Aber: Die Technologie ist relativ ausgereift.
  • Neue Wege. Industrie und Politik müssen Möglichkeiten finden, die Abhängigkeit von Zulieferern aus Südostasien zu mildern und den Standort Europa zu sichern.
  • Orientierung. Neben der Förder-Gießkanne brauchen Autokäufer Sicherheit. Wozu in einen Elektro-Neuwagen investieren, wenn ein Autoverbot in Städten droht?
  • Augenmaß. Die Mobilitätswende sorgt für Ängste um verschwindende Arbeitsplätze. Totalverbote von Verbrennungsmotoren tragen zur Verunsicherung bei.

Fritz Indra ist von der Vorstellung, sich in eines der trendigen neuen E-Autos setzen zu müssen oder gar damit zu fahren, nicht besonders amused: „Im Grunde sind E-Autos chemische Fabriken mit Spannungen bis 1.000 Volt. Mit herkömmlichen Mitteln sind diese Fahrzeuge nach einem unfallbedingten Brand nicht löschbar. Aus Hilflosigkeit müssen sie von den Feuerwehren in wassergefüllte Container geworfen werden.“ Indra ist einer, der von Autos mehr versteht als die meisten anderen Menschen; jahrzehntelang war er bei Konzernen wie „General Motors“ der wohl bedeutendste Motoren-Entwickler Europas. Er ist in der Welt des Autos eine Legende und davon überzeugt, dass die Elektromobilität aus vielen Gründen – ökonomischen, ökologischen und auch technologischen – ein Irrweg ist, der schnellstens wieder verlassen werden sollte.

Doch der Zeitgeist weht ihm und seinesgleichen entgegen. Rundum läuten Regierungen das erzwungene Ende des Verbrennungsmotors ein. Die EU-Kommission hat es auf 2035 terminisiert. E-Autos hingegen boomen. Stellt sich die Frage: Haben Kritiker wie Fritz Indra am Ende recht – oder wird den Stromern doch die Zukunft gehören? Grüne Volt statt schwarzes Gold – der Kampf um die Technologie der Zukunft und damit die Zukunft der konventionellen Autos scheint jetzt in die entscheidende Phase zu treten. „Pragmaticus“ -Experten sagen deshalb, was Sache ist – und was bloße Propaganda.

Mehr im Dossier Elektromobilität

Im öffentlichen Diskurs versucht vor allem die Elektro-Fraktion ein allzu rosiges Bild ihrer Technologie zu zeichnen. Dass Öko-Flitzer oft mit Strom aus Atomkraftwerken oder gar kalorischen Kohlemeilern unterwegs sind, wird da genauso unter den Teppich gekehrt wie die staatlichen Millionenförderungen für grüne Luxus-Automobile. Auch geopolitische und wirtschaftliche Fragen zu nicht ungefährlichen Abhängigkeiten von Zulieferern etwa in China – vor allem bei den Batterien – oder  die wackelige Zukunft von Arbeitsplätzen in der Verbrenner-Produktion werden gerne ausgeblendet. Genauso wie der strittige Praxisnutzen der Stromer. Und da wäre eben noch das von Fachmann Indra adressierte Sicherheitsproblem.

Flop ohne Kohle vom Steuerzahler

Ein weiterer heikler Punkt: Kann Elektromobilität in großem Maßstab nur durch üppige staatliche Förderungen und Anreize bestehen und wachsen, während sie unter den Bedingungen des freien Marktes zum Scheitern verurteilt wäre? Dafür gibt es jedenfalls starke Indizien, wie ADAC-Experte Matthias Vogt, der sich intensiv mit Kostenvergleichen zwischen Elektromobilen und Verbrennern beschäftigt, bestätigt: „Ohne staatliche Förderungen ist Elektromobilität aktuell für den Verbraucher oft nicht günstiger.“ 

Diese werden allerdings weidlich ausgenützt. In Deutschland wurden von Jänner bis Ende Juni satte 1,33 Milliarden Euro an staatlichen Zuschüssen an Käufer von Elektroautos ausbezahlt. Auch die Republik Österreich lässt sich die Ankurbelung der grünen Mobilität stolze Summen kosten. Die 2021 für die Förderung der E-Mobilität vorgesehenen Mittel von 46 Millionen waren bereits im Juli ausgeschöpft. Das Verkehrsministerium musste daher um weitere 55 Millionen Euro aufstocken. 

Elektroautos sind chemische Fabriken mit Spannungen bis 1.000 Volt. Bei einem unfallbedingten Brand sind sie mit herkömmlichen Mitteln nicht löschbar.

Fritz Indra (Motorenentwickler)

Doch das ist nicht alles. Der Wegfall der Normverbrauchsabgabe, der motorbezogenen Versicherungssteuer und Begünstigungen bei der Nutzung von elektrisch betriebenen Firmenwagen sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Stellt sich die Frage: Kommt dieses Geld tatsächlich dem Klimaschutz zugute, oder werden durch die massiven Förderungen vorrangig Partikularinteressen bedient? 

Steuerliche Berechnungsmodelle mit individuellen Ersparnissen von zehntausenden Euros für die Käufer der E-Mobile deuten in diese Richtung. Wenn aber vor allem leitenden Angestellten, grünbewegten Bobos und wohlbestallten Unternehmern bei der Anschaffung teurer Teslas massiv Steuergeld spendiert, andererseits aber Durchschnittsverdienern dank steuerlich hoch belasteter herkömmlicher Treibstoffen in die Tasche gegriffen wird, stellt sich die Frage der „sozialen Gerechtigkeit” recht schnell.

Um so mehr, als auch Menschen, die gar kein Auto haben oder fahren – oft sozial Schwächere –,  nicht nur die Förderung von Elektro-Luxusautos mitzahlen, sondern auch die Ladeinfrastruktur („Wallboxen“) in den Privatgaragen der Elektro-Fahrer. 

Wird deren Flitzer vom Arbeitgeber bereitgestellt, sparen sich Unternehmen beispielsweise gegenüber einem konventionellen Porsche Panamera über vier Jahre mehr als 40.000 Euro – und der Dienstnehmer 22.070 Euro, hat das Steuerberatungsunternehmen Leitner & Leitner für den Pragmaticus errechnet. Beim E-Golf liegt der vom Staat verfügte Steuervorteil immer noch bei knapp 8.000 Euro (Dienstgeber) und 10.000 Euro (Dienstnehmer). Und da sind die Vorteile bei Normverbrauchsabgabe und Vorsteuerabzug noch gar nicht berücksichtigt. Wir sehen: wo „öko“ draufsteht, ist nicht selten Umverteilung von unten nach oben drinnen.

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Zahlen & Fakten

Ein Blick auf die Zulassungszahlen weltweit, aber insbesondere auch in Deutschland und Österreich, beweist, dass nicht zuletzt auf Grund dieser massiven Subventionen Elektroautos und Hybridfahrzeuge klar auf dem Vormarsch sind. Bei Firmenautos ist der Effekt besonders deutlich. In Deutschland fielen 2020 rund 63 Prozent aller Neuzulassungen auf stromgetriebene Dienstwagen. In Österreich ist das ähnlich: Im Vorjahr waren erstmals über zehn Prozent der neuen Firmenautos Elektromobile, heuer wird es in Österreich Richtung 20 Prozent, vielleicht sogar etwas darüber, gehen. Die finanzielle Attraktivität von Elektrofahrzeugen in den Fuhrparks von Unternehmen und juristischen Personen ist derart hoch, dass die Pragmaticus-Steuerexperten von Leitner & Leitner, Claudia Anzinger und Alexander Kras, von einer „fast logischen Entscheidung“ sprechen. 

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Zahlen & Fakten

Was zur berechtigten Diskussion führt, ob die Elektroautos nicht ziemlich „überfördert” sind. Eine Marktverzerrung also, die eventuell noch argumentiert werden könnte, wenn wenigstens die Ökobilanz der Elektromobilität unumstritten wäre. Ist sie aber leider so gar nicht. 

Das Klima hat wenig davon, sorry

„Sauber“, „klimafreundlich“, „zukunftsweisend“ – so preisen Lobbyverbände, Teile der Automobilindustrie und gerne auch die Politik Elektroautos an. Die Vorstellung dahinter: Windräder oder Solaranlagen, unterstützt von Wasserkraftwerken, speisen Strom in die Netze ein. Smarte Ladeboxen sorgen für ständig volle Akkus in hochmodernen Fahrzeugen, deren dünne Reifen und windschlüpfrigen Bodenplatten maximale Effizienz garantieren. Ohne Ruß, CO2-Belastung oder dem Ausstoß von Stickoxiden und Feinstaub gleiten diese Autos dann durch blühende Landschaften, wo ihnen Fuchs und Hase freundlich den grünen Daumen entgegenstrecken. Ein Idyll, das nur einen kleinen Nachteil hat: es ist mehr Wunsch als Wirklichkeit. 

Heuer wandte sich darum Thomas Willner, Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg und  Experte für nachhaltige Kraftstoffe gemeinsam mit 60 Kollegen mit einem Warnruf an die deutsche Bundeskanzlerin. Nach Überzeugung der Wissenschaftler wird die E-Mobilität in der „Zeitspanne bis 2030, die für den langfristigen Erfolg oder Misserfolg des Klimaschutzes entscheidend sein wird, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu keiner nennenswerten Treibhausgasminderung über die gesamte Wertschöpfungskette führen.“ 

Als wesentlicher Grund dafür wird angeführt, dass die hohen Emissionen bei der Produktion der Akkus völlig ausgeblendet werden und ein Teil des Stroms in Deutschland auf absehbare Zeit aus Kohlekraftwerken kommen wird. Und: Mehr E-Fahrzeuge bedeuten einen höheren Strombedarf. Nur wenn dieser umweltfreundlich gedeckt werden kann, ist eine wünschenswerte Klimabilanz erreichbar. Es nützt dem Klima eben nichts, wenn statt der Emissionen aus den Verbrennungsmotoren der große Braunkohle-Auspuff, etwa in Polen, steht. 

Der frühere SPD-Umweltsenator in Hamburg und Honorarprofessor für Chemie Fritz Vahrenholt hat sich eingehend mit den Umweltaspekten von Elektromobilität auseinandergesetzt.

Der teuflische Rucksack

In der Wissenschaft besonders umstritten ist der CO2-Vergleich von Stromern und Verbrennern über die Nutzungsdauer. Skeptiker wie Vahrenholt argumentieren, dass selbst bei Umstellung der gesamten deutschen Stromerzeugung auf  Wind und Sonne die E-Autos erheblich zur CO2-Emission beitragen, weil die Batterien – was fast ausschließlich der Fall ist – klimaschädlich in Südostasien hergestellt werden. Heute sei jedenfalls in Summe, also unter Berücksichtigung nicht nur des Betriebes, sondern auch der Fertigung, der CO2-Ausstoß eines E-Autos größer als der eines benzin- oder dieselbetriebenen Fahrzeugs. 

Der CO2-Einspareffekt würde mit Stromexporten höher ausfallen als die Einsparung durch das Ersetzen von Verbrennern durch Elektrofahrzeuge.

Ulrich Schmidt (Universitätsprofessor)

Nach einer Studie im Auftrag des ADAC und des österreichischen Automobilclubs stößt ein Diesel-Golf bis zu einer Fahrleistung von 219.000 Kilometer weniger CO2 aus als ein E-Golf. Auch 2030 bis 2040, bei angenommener 100 Prozent-Versorgung mit CO2-freiem Strom, gilt dies für die ersten 40.500 Kilometer, weil die Batterien in den asiatischen Herstellerländern einen „CO2-Rucksack“ verpasst bekommen. 

Ähnlich argumentiert Ulrich Schmidt, Volkswirtschaftsprofessor der Universität Kiel, der vor allem den stark steigenden Gesamt-Strombedarf ins Treffen führt. Ein zusätzlicher Verbrauch, das  schwer mit rein erneuerbarer Energie gedeckt werden kann. Seine These: Mehr Elektromobilität führt, zumindest aktuell, zu keiner geringeren CO2-Belastung, weil nicht ausreichend und konstant sauberer Strom zur Verfügung steht.  

Jobverluste drohen

In Österreich ist es ähnlich: Durch den anhaltenden Trend zu Elektroautos könnten bis 2030 bis zu 24.000 Arbeitsplätze verloren gehen, wenn sich die Zulieferbetriebe nicht rechtzeitig an die neuen Rahmenbedingungen anpassen, ergibt eine Studie im Auftrag der Industriellenvereinigung und des Infrastrukturministeriums.

Die Politik hat in vorauseilendem Gehorsam gegenüber ebenso radikalen wie lautstarken Klimaschutz-Aktivisten freilich viele Weichen einfach gestellt – vielfach ohne dabei die Meinung der Bevölkerung zu berücksichtigen.

Befürchtet wird, dass mit der Umstellung auf die E-Mobilität hohe Stromkosten auf sie zukommen werden. Schon jetzt ist Strom in Deutschland teurer als in jedem anderen Land der EU. Eine Kilowattstunde kostete im zweiten Halbjahr 2020 30,06 Cent, der europäische Schnitt liegt bei vergleichsweise günstigen 21,34 Cent. Der Grund für den hohen Strompreis in Deutschland: Umlagen zur Förderung von Ökostrom und Steuern. Diese machen bereits zwei Drittel des Strompreises aus.

Ein weiterer Kostenpunkt wird aus der Debatte weitestgehend ausgeklammert: die sündteure Errichtung öffentlicher Ladestationen. Denn neben dem Platzbedarf, der in Städten Parkplätze killt – etwa knapp 25 Quadratmeter pro Wiener Ladestation – schlägt die Investition mit horrenden Beträgen zu Buche. Laut einer Studie des Österreichischen Vereins für Kraftfahrzeugtechnik kostet eine öffentliche Ladesäule in der Stadt bis zu 55.044 Euro. Auf Autobahnen, die in Österreich von der staatlichen ASFINAG betrieben werden, gar 96.913 Euro.

Laut dieser Studie summieren sich die einschlägigen Kosten so bis zum Jahr 2030 auf 6,1 Milliarden Euro. Steuergeld versteht sich. Teuer ist auch das Aufladen von Elektrofahrzeugen an öffentlichen Ladepunkten. Deren Zahl ist zwar in Westeuropa bereits auf ein praxistaugliches Niveau gestiegen, die Preisunterschiede und trickreiche Abrechnungsmodelle rufen aber regelmäßig Verbraucherschützer auf den Plan. Einzelne Versorger berechnen gar „Blockiergebühren“ von 10 Cent pro Minute, wenn das Fahrzeug zu lange an einer Säule angesteckt ist. Für Experten wie Matthias Vogt vom ADAC steht fest, dass das größte private Sparpotenzial in der Nutzung einer Heim-Ladestation liegt. Wird dort zudem privat Strom vom Solardach eingespeist, lassen sich echte Vorteile bei Preis und Umweltbilanz erzielen.

Lohnt es sich, Stromer zu kaufen?

Kaufpreis und die laufenden Kosten sind, wenig überraschend, auch die wichtigsten Parameter bei der finanziellen Rentabilität von Elektromobilität für die Autokäufer, die durchaus üppigen Förderungen natürlich auch. Der deutsche ADAC hat detaillierte Rechner entwickelt, um nahezu alle am Markt erhältlichen Elektrofahrzeuge mit ihren Verbrenner-Pendants zu vergleichen beziehungsweise die realen Kosten der Elektroautos darzustellen – inklusive Wartungsarbeiten. Fazit: Die Unterhaltskosten sind bei Stromern deutlich geringer, weil weder Ölwechsel noch Tausch von Motor-Verschleißteilen nötig sind, nicht einmal der Auspuff kann durchrosten. 

Der Wertverlust des Autos ist weitaus schwieriger abzuschätzen, weil die hohen staatlichen Förderungen den Gebrauchtwagenmarkt unattraktiv machen. Und: Das Tempo der technologischen Entwicklungen, auch und vor allem am Batteriesektor, sowie deren Langlebigkeit sind Unsicherheitsfaktoren. Schlechte Nachrichten für Freunde des Feilschens: während bei Verbrennern Rabatte von rund 15 Prozent üblich sind, gibt es diese bei Elektroautos fast gar nicht. Die Nachfrage ist weit höher als das Angebot. Populäre Modelle von Volkswagen oder Skoda haben Wartezeiten bis zu einem Jahr. 

Verstärkt wird dieses Problem durch Ankündigungen großer Automobilhersteller, gänzlich aus der Herstellung von Verbrennungsmotoren aussteigen zu wollen. Kommt es dann noch zu einem Boom von Elektromobilität in Ost- und Südosteuropa (wo derzeit die Ladeinfrastruktur in den Kinderschuhen steckt), wird das den Produktionsengpass und die Zulieferungsproblematik der Batterien aus Südostasien verschärfen. Ein simpler Blick auf die Konfigurations-Portale großer Autofirmen zeigt das schon heute.

Besonders deutlich sichtbar werden die Auswirkungen von Stromkosten, Ladeinfrastruktur und staatlicher Bevorzugungen im europäischen Vergleich. In der Schweiz etwa ist der Boom bei der Neuzulassung von Elektrofahrzeugen etwas in Stocken geraten, was an weniger ausgeprägten Förderungen liegt. In Norwegen hingegen – dem Land mit dem höchsten Anteil von Elektrofahrzeug-Neuzulassungen – gibt es dafür zahlreiche Anreize, die von der Mitbenutzung von Busspuren in einzelnen Städten über kostenfreie Fährverbindungen bis hin zur Befreiung von Parkgebühren reichen.

Diese Vorteile werden aber nicht von Dauer sein – spätestens ab einer Marktdurchdringung, die keine Anreize mehr erforderlich macht. Wie auch Gracia Brückmann von der ETH Zürich anmerkt, spielt diese Unsicherheit in Kaufentscheidungen hinein. Ein weiterer Punkt: Was nützt ein Elektromobil, wenn viele Städte in zehn Jahren ohnehin autofrei sein wollen?

Warum nicht Wasserstoff?

Dazu kommt eine Grundsatzfrage: Ist das Laden von Strom in Batterien tatsächlich der richtige Weg – oder ist nicht zum Beispiel die mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle ein Ansatz mit höheren Erfolgschancen? Also ein Fahrzeug, das den Strom selbst durch sogenannte „umgekehrte Elektrolyse“ produziert. Die ernüchterndere Antwort gibt die Zulassungsstatistik: Aktuell werden in Deutschland ganze zwei Fahrzeugtypen, die mit Wasserstofftechnologie betrieben werden, angeboten. Mit dem daraus folgenden Henne-Ei-Problem, nämlich der unzureichenden Infrastruktur. In ganz Europa sind knapp 150 öffentlich zugängliche Wasserstoff-Tankstellen vorhanden. In Wien gar nur eine.

Die Batteriekosten gelten nach wie als große Hürde für die Akzeptanz der Elektromobilität und die Profitabilität der Hersteller.

Egbert Figgemeier (Universitätsprofessor)

Egbert Figgemeier, Professor an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, hat sich mit der Ökonomie der Batterie, dem Herzen des Stromers,  beschäftigt: „Neben der Eigenschafts- steht die Kostenoptimierung momentan an erster Stelle aller Bemühungen. Obwohl der Preis pro gespeicherter Kilowattstunde Energie bereits von über 1.000 Euro auf unter 200 Euro gesunken ist, gelten die Batteriekosten nach wie vor als große Hürde für die Akzeptanz der Elektromobilität in den Massenmärkten und die Profitabilität der Hersteller.“

Batterie-Wirrwarr

So ist auch der Widerstand gegen einheitliche Batterieformate zu erklären, die für einen raschen und unkomplizierten Tausch notwendig wären. Fahren alle mit dem gleichen technischen Standard, sind die Unterschiede der Hersteller dem Konsumenten bestenfalls über Karosserieform und individuelle Ausstattung erklärbar. Vor allem für deutsche Premiumhersteller wäre das eine Herausforderung. Diese tun sich ohnehin mit Newcomern wie Tesla schwer. Wenn ein Mercedes und ein Dacia dieselbe technische Basis teilen, lässt sich der eklatante Preisunterschied auch durch offenporige Kirschholzfurniere an der Mittelkonsole nicht wirklich erklären.

Unterschätzen sollte man die Innovationskraft der Hersteller aber nicht, wenn es um neue Geschäftsmodelle geht. VW etwa hat angekündigt, im kommenden Jahr das bidirektionale Laden bei neuen Fahrzeugen zu ermöglichen. Das heißt, dass Batterien nicht nur in eine Richtung funktionieren, sondern auch Strom abgeben können. 

Dahinter stehen zwei Visionen. Die „Vehicle to home“-Lösung, bei der Elektroautos Strom etwa aus einer Photovoltaikanlage speichern und bei Bedarf wieder ins Hausnetz abgeben können. Eine Ladung würde reichen, um ein Einfamilienhaus knapp eine Woche versorgen zu können. Die große Lösung heißt „Vehicle to grid“. Die Idee: Alle Elektrofahrzeuge eines Landes können zu einem riesigen Stromspeicher zusammengeschlossen werden.

Autos als Stromnetz

Bis es so weit ist, wird zwar noch einige Zeit ins Land ziehen, aber dann könnten Auto-Hersteller ins Stromgeschäft einsteigen und ihre Fahrzeuge als gigantische Batterie verwenden, deren Strom verkauft werden kann. Unsicher dabei ist die notwendige Zustimmung der Autohalter und die Möglichkeit, dass auch klassische Stromkonzerne diese Idee nutzen wollen. Der Autobesitzer könnte dann seinen Strom auch an Energieversorger verkaufen, wenn diese etwa bessere Preise als die Hersteller bieten. Das Thema ist hochkomplex, denn es wird auch die heiklen Garantiebedingungen der Batterie betreffen. So könnten die Hersteller versuchen, sich den Letztzugriff auf die Batterien zu sichern, den sie ungern aus der Hand geben.

 Aus Umweltschutz-Sicht hat der Plan von Volkswagen jedenfalls klar ersichtliche Vorteile. Allein in Deutschland gehen jedes Jahr 6.500 Gigawattstunden verloren, die an sehr windigen Tagen in Nord- und Ostsee zu viel produziert werden. Das entspricht gut einem Prozent des Strom-Jahresverbrauchs. Könnte nur ein Teil davon in Elerktroautos gespeichert und bei Bedarf wieder abgegeben werden, wäre der Gewinn für die Klimabilanz enorm.

Volkswagen meint es ernst: Schon 2022 will der Konzen 300.000 Fahrzeuge, die bidirektional funktionieren, vom Band rollen lassen. Und, um die Nähe zur Windkraft-affinen Nordsee zu nutzen, sein Werk im friesischen Emden hinsichtlich Batterieproduktion massiv ausbauen. Ab 2030 sollen zudem alle Werke des Konzern, außer jene in China, mit hundert Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden.

Problematische Umweltaspekte bei der Energiegewinnung, die Verarbeitung seltener Rohstoffe unter menschenunwürdigen Bedingungen, Fragen der Praxistauglichkeit und weitreichende geopolitische Überlegungen: Ein Streit um den Nutzen und die Schattenseiten der Elektromobilität, der wohl die nächsten zehn Jahre weiter dauern wird. 

Milchmädchenrechnung

Doch was wie ein regelrechter Glaubenskrieg anmutet, wird pragmatisch gelöst werden. Wahrscheinlich ist, dass es nicht den einen allein gültigen Nachfolger des Benziners geben wird, sondern unterschiedliche Lösungen für unterschiedliche Mobilitätserfordernisse. Sicher ist auch: Die Zeit, in denen Autos ausschließlich von Verbrennern angetrieben werden, neigt sich dem Ende zu. Oder wie es Katsuhiko Hirose, ein Chef-Entwickler von Toyota, formuliert: „Die Welt hat erneuerbare Energie im Überfluss, so wie mancher Landwirt Milch im Überfluss hat. Die Stromerzeuger müssen nur lernen, aus der Milch Käse zu machen.“

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Zahlen & Fakten

Die Natur als Vorbild 

Vielleicht spielen auch synthetische Kraftstoffe eine Rolle – also Treibstoffe, die mit überschüssiger Energie aus Wind,- und Sonnenkraftwerken erzeugt werden. Vorbild ist das Naturphänomen der Photosynthese der Pflanzen. Der Haken: Noch nicht serienreife Produktion, geringer Wirkungsgrad (von der eingesetzten Energie bleiben nur rund 15 Prozent übrig, während es bei batteriebetriebenen Elektroautos immerhin 70 bis 80 Prozent sind)  und von der deutschen Energie-Agentur prognostizierte Kosten von 4,50 Euro pro Liter. Vorteil: Bestehende Infrastruktur, also Tankstellen, können in gewohnter Weise weiter genutzt und der Kraftstoff auf Vorrat produziert werden.

Ausschlaggebend sind am Ende aber die Konsumenten. Gekauft wird was gefällt, halbwegs leistbar ist und beim Händler im Showroom steht. Oder – wie „Motor-Papst“ Fritz Indra es formuliert: „Der mündige Kunde ist der beste Gradmesser für zukunftsweisende Technologie. Er kauft einfach kein Auto, das für ihn und die Umwelt schlechter ist, als das, welches bereits in seiner Garage steht.“ 

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Conclusio

Dem Kauf eines E-Autos stehen zahlreiche Hürden entgegen: Hohe Anschaffungskosten, Bedenken hinsichtlich ausreichender Ladeinfrastruktur, Umweltaspekte und das Reichweiten-Thema. Die ehrgeizigen Klima-Ziele der Politik und das tatsächliche Leben der Menschen klaffen beim Thema Mobilität besonders weit auseinander. Weil die Verkehrswende ein hochemotionales Thema ist, braucht es klare Kommunikation und Sicherheit. Und die Garantie, dass zumindest mit E-Autos individuelle Mobilität weiter möglich bleibt.