Klimaverbote: Gefahr für die Demokratie

Der Geist der Freiheit ist den Deutschen suspekt. Das mündet in eine Klimapolitik, die auf sinnlose Verbote setzt.

Ein Besucher der Automesse in Hanover betrachtet einen Dieselmotor auf seinem Tablet, auf dem das Innenleben der Maschine angezeigt wird.
Ein Besucher der Automesse in Hannover betrachtet einen Dieselmotor. Ab 2035 dürfen in der EU keine Neuwagen mehr zugelassen werden, die mit Benzin oder Diesel fahren. Deutschland und andere Länder haben eine Ausnahme für Neuwagen mit Verbrennungsmotoren erwirkt, die Efuels tanken. © Getty Images

Der liberale Grundgedanke hat in Deutschland keine besonders große Tradition. Freiheit ist uns Deutschen nicht so wichtig. Hauptsache, der Müll ist ordentlich getrennt. Vielleicht liegt’s ja an unserer Geschichte. Das Land war jahrhundertelang ein sehr instabiles Gebiet aus vielen Kleinstaaten. Das Land war an mehreren Grenzen offen, verwundbar und nie abschließend definiert.

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Und wer fast ein Jahrtausend lang keine sicheren Grenzen hat, macht eben nicht Freiheit, sondern Sicherheit und die bekannten preußischen Tugenden Gehorsam, Pflichtbewusstsein und Unterordnung zum Leitprinzip. Daher sind wir wahrscheinlich so versessen auf Richtlinien und Paragraphen. In einer Informationsbroschüre des Lehrerverbandes Hessen las ich einmal: „Besteht ein Personalrat aus einer Person, erübrigt sich die Trennung nach Geschlechtern.“ 

Wir Deutschen sind stolz auf unsere Demokratie, aber der Geist der Freiheit ist uns suspekt. In Wahrheit jedoch bedeutet die bloße Tatsache, dass der Wille des Volkes in einer freien Wahl zum Ausdruck kommt, nicht sehr viel. Im Grunde genommen bedeutet Demokratie lediglich, dass zehn Füchse und ein Hase darüber abstimmen können, was es zum Abendessen gibt. Freiheit dagegen bedeutet, wenn der Hase mit einer Schrotflinte die Wahl anfechten kann.

Das entscheidende Element der abendländischen Kultur ist also nicht unbedingt die Mitbestimmung, sondern die Selbstbestimmung.

Das entscheidende Element der abendländischen Kultur ist also nicht unbedingt die Mitbestimmung, sondern die Selbstbestimmung. Die Idee, dass jeder Mensch ein individuelles Wesen darstellt, das sich vollkommen frei entfalten darf. Der Philosoph John Locke nannte diese Idee „Selfownership“. Das Eigentum an mir selbst. Du darfst alles tun, was andere als vollkommen idiotisch ansehen, solange du damit keinen schädigst. Oder wie Kant es etwas intellektueller formuliert hat: Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen – auch dann, wenn du keinen hast.

Verzicht als Credo

Während der Coronazeit wurde bekanntlich die Idee der Selbstbestimmung massiv hinterfragt. Wie sehr darf ich die individuellen Freiheitsrechte einschränken, um das Gemeinwohl zu schützen? Diese Diskussion wird nach dem Ende der Pandemie nun nahtlos in der Klimapolitik fortgeführt. Ist es legitim, die Bürger in ihrer Mobilität, ihrem Kaufverhalten und ihrem Lifestyle gesetzlich einzuschränken, weil angeblich eine Art Klimanotstand herrscht? 

Die Politik ist offenbar dieser Ansicht. Wirtschaftsminister Habeck möchte zukünftig die Bürger zwingen, Wärmepumpen in ihre Häuser einzubauen, die EU plant, aus Klimaschutzgründen den Verbrenner zu verbieten und Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung forderte sogar jüngst in der ARD für jeden Bundesbürger ein begrenztes CO2-Budget von drei Tonnen pro Jahr.

Das derzeitige Credo lautet: reduzieren, verzichten, weniger wachsen. Eine Nation, die bereits mit dem Bau eines simplen Flughafens überfordert ist, möchte mit allen Mitteln die Globaltemperatur stabil halten. 

Nur damit wir uns recht verstehen: Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird der Klimawandel ein großes Problem darstellen. Doch dieses löst man nicht, indem man ein Volk zu Mäßigung und Verzicht aufruft. Man löst auch kein einziges Problem, indem man Kraftwerke abschaltet, Ölheizungen verbietet oder gar den Bürgern ein begrenztes CO2 Budget zuweist. All das sind feuchte Träume von fantasielosen Apparatschiks.

Naive Hoffnungen

Unzählige Menschen aus Schwellen- und Entwicklungsländern wollen (und werden) in den nächsten Jahren eine Lebensqualität erreichen, die für uns selbstverständlich ist. Und diese Menschen wollen reisen, konsumieren und Energie verbrauchen. Wer will es ihnen verdenken? 

Ich jedenfalls halte es für sehr unwahrscheinlich, dass demnächst drei Milliarden Asiaten und Afrikaner auf Flachbildschirme, Klimaanlagen und Tiefkühl-Lasagne verzichten werden, damit es Ursula von der Leyen gelingt, das 1,5 Grad Ziel zu erreichen.

Die Hoffnung, dass sich diese Menschen an unserem Verhalten orientieren werden, ist äußerst naiv. Ein Gedanke, der von vielen Klimaschützern gerne ausgeblendet wird. „Papperlapapp!“ sagen sie dann gerne. „Flugreisen sind viel zu billig und schaden dem Klima!“ Aber vielleicht hat man einfach nur keine Lust, auf Mallorca seiner eigenen Putzfrau zu begegnen.

Seit nunmehr drei Jahrzehnten pumpt der Staat Unsummen in den Klimaschutz. Ohne einen messbaren positiven Effekt. Der weltweite CO2-Ausstoß steigt unaufhörlich an. Derzeit plant alleine China 200 neue Kohlekraftwerke und ist jetzt schon für ein Drittel der weltweiten Gesamtemissionen verantwortlich.

Bis zum Ende dieses Jahrhunderts wird die Weltbevölkerung wohl um weitere drei Milliarden Menschen angewachsen sein. Setzt man pro Kopf den von Schellnhuber geforderten CO2-Fußabdruck von drei Tonnen pro Jahr an, würden sich dadurch die globale Emissionen trotzdem um neun Milliarden Tonnen jährlich erhöhen. 

Wir können zwar die Welt nicht retten, aber wir könnten sie durchaus ein Stückchen besser machen.

Wenn das Bild stimmt, dass wir beim Klimaschutz „alle in einem Boot“ sitzen, dann versuchen wir gerade, mit einem gigantischen Aufwand ein zehn Zentimeter großes Leck zu stopfen, während am gegenüberliegenden Teil des Schiffes die Passagiere der Schwellenländer mit Spitzhacken und Presslufthämmern Löcher in der Größenordnung einer Fünfzimmerwohnung in den Rumpf schlagen.

Innovationen statt Einschränkung

Was also sollen wir tun? Den Kopf in den Sand stecken und sagen: „Es nützt eh‘ nix?“ Nein, ganz im Gegenteil. Wir können zwar die Welt nicht retten, aber wir könnten sie durchaus ein Stückchen besser machen.

Aber ist das mit gesetzlich erzwungenen Verzichtsmaßnahmen möglich? Löst es tatsächlich die Probleme der Welt, wenn wir weniger wachsen? Ich denke nicht. Schauen Sie sich einen Kirschbaum im Frühling an. Der blüht! Kein Sparen, kein Vermeiden, kein Verzichten. Im Gegenteil. Der ist total verschwenderisch. Aber in seiner Verschwendung schafft er Leben für 200 andere Arten.

Und genau so sollte eine kluge Zukunftsstrategie aussehen. Es muss weniger um Reduzieren und Verzichten gehen, sondern um Erfindungsreichtum und Kreativität. Denn die Geschichte der Innovationen zeigt eindeutig: Revolutionäre Durchbrüche kamen meist aus Bereichen, die man anfangs nie auf dem Schirm hatte. 

Porzellan wurde erfunden, weil die Alchemisten eigentlich Gold herstellen wollten. Tesafilm sollte ursprünglich Heftpflaster werden. Viagra wurde entdeckt, weil männliche Versuchspersonen ein Herzmedikament in der Testphase partout nicht mehr absetzen wollten.

Technologieoffenheit 

Leider setzt die derzeitige Politik keine Rahmenbedingungen mit der ergebnisoffenen Haltung „Mal sehen, welche Ideen, Technologien und Energieformen in der Zukunft entstehen werden“, sondern sie behauptet: „Wir wissen ganz genau, welche Technologien wir in 20 Jahren haben möchten. Und nur die fördern wir.“ 

Alles andere wird ausgeblendet, reglementiert, verhindert oder sogar verboten. Gentechnik, Stammzellenforschung, Verbrennungsmotoren, Ölheizungen, Kernenergie, Fracking. So eine Stimmung vor 500.000 Jahren, und die Sache mit dem Feuer wäre nie genehmigt worden.

Um die großen Herausforderungen der Zukunft zu lösen, benötigen wir mehr Technologieoffenheit und mehr Wettbewerb. Denn wem man überhaupt etwas mit Gewissheit über Innovationen sagen kann, dann nur, dass sie uns komplett überraschen werden. Der Mensch ist innovativ und erfindungsreich. Die Steinzeit ist auch nicht zu Ende gegangen, weil es plötzlich keine Steine mehr gab.

Es stimmt, wir haben derzeit noch keine global umsetzbare Lösung für das Problem des Klimawandels. Aber eine solche Lösung werden wir erst recht nicht bekommen, wenn wir mit planwirtschaftlichen Methoden die Kreativität der Menschen einschränken und sie mit demokratisch fragwürdigen Verboten und Verzichtsappellen gängeln.

Gute Ideen gab es immer 

Die Wissenschaft kann vielleicht die Höhe der Globaltemperatur im Jahr 2050 bestimmen. Aber kein Forscher der Welt kann eine fundierte Aussage darüber machen, welche Technologien eine zukünftige Gesellschaft zur Verfügung hat, um mit dieser Situation umzugehen. 

Daher liefert uns auch die Wissenschaft keine Patentrezepte, geschweige denn Lösungen, wie wir unsere Zukunft gestalten sollen. Sie bietet uns lediglich Methoden an, um immer bessere Erkenntnisse zu gewinnen auf deren Basis wir neue Wege für die Zukunft definieren können. Doch diese Zukunft ist und bleibt offen.

Man kann bei einem Fahrzeug, das auf einen Abgrund zufährt, natürlich auf die Bremse drücken und es dadurch verlangsamen. Aber man kann eben auch auf dem verbleibenden Weg Flügel entwickeln. Es gibt Tausende sich widersprechende Szenarien, wann genau der Produktionsgesellschaft die Rohstoffe ausgehen werden. Doch es gibt kein einziges Szenario, dass der Menschheit jemals gute Ideen ausgehen werden. 

Lasst uns also lieber Flügel bauen und keine Bremsen!

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