Nur Innovationen holen uns da raus
Verzicht wird das Klimaproblem nicht lösen. Die einzige Chance, die wir haben, ist billige grüne Energie, um die fossilen Brennstoffe zu ersetzen. Sonnen- und Windenergie erfüllen diese Kriterien nicht.
Auf den Punkt gebracht
- Energiebedarf. Bei den Maßnahmen gegen den Klimawandel wird übersehen, dass alternative Energiequellen nur unzureichend zur Verfügung stehen.
- Der Preis entscheidet. Sobald grüne Energie billiger ist als Erdgas, Kohle oder Öl, wird das Ende des fossilen Zeitalters erreicht sein.
- Innovationen fehlen. Sonne und Wind können unseren Energiebedarf nicht decken, der auch in den kommenden Jahren steigen wird.
- Langfristige Investitionen. Die Erforschung von Kernspaltung und Wasserspaltung sind Beispiele für lohnenswerte, langfristige grüne Investitionen.
Wenngleich Politiker permanent die Zielsetzung von „Netto-Null-Emissionen“ ausgeben, wird die Welt auf absehbare Zeit weiterhin von fossilen Brennstoffen angetrieben werden. Im Jahr 2019 stammten laut Internationaler Energieagentur (IEA) 81 Prozent der weltweiten Energie aus fossilen Brennstoffen. Selbst wenn alle Länder ihre derzeitigen Klimaversprechen einhielten, würde der Anteil der fossilen Brennstoffe nach Schätzungen der IEA bis 2040 immer noch 73 Prozent betragen.
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Sogar in Europa, das sich gern einen grünen Anstrich verpasst, tragen Solar- und Windenergie aktuell nur etwa drei Prozent zur Gesamtenergie bei; was uns insofern nicht wundern sollte, als sie nur unzuverlässig Strom erzeugen und weiterhin hohe Subventionen benötigen. Den Klimawandel werden wir erst dann stoppen, wenn es uns gelingt, grüne Energie billiger zu machen als Energie aus fossilen Brennstoffen. Dann nämlich steigen alle Länder freiwillig um, insbesondere China, Indien und Afrika, die den Großteil der globalen Emissionen für den Rest des Jahrhunderts ausstoßen werden.
Eine wachstumshemmende Klimapolitik wird insbesondere von Entwicklungsländern nicht mitgetragen werden, weil diese darauf fokussiert sind, ihre Bevölkerung aus der Armut zu befreien. Aber – wie das Beispiel der französischen Gelbwesten gezeigt hat – auch in reichen Ländern werden Wähler gegen klimapolitische Maßnahmen rebellieren, solange diese vor allem Verzicht und hohe Kosten bedeuten. Wie die meisten großen Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht, lösen wir sie nicht durch endlose Opfer, sondern durch Innovation.
Steuern führen nicht zum Ziel
Seit langem schon ist klar, dass selbst eine perfekt implementierte globale CO2-Steuer nur einen kleinen Beitrag zur Lösung des Klimaproblems leisten wird. Deswegen begann ich im Jahr 2009 mit meiner Denkfabrik Copenhagen Consensus, andere mögliche Lösungsansätze zu erforschen. Zusammen mit 40 der weltweit führenden Klimaökonomen und drei Nobelpreisträgern evaluierten wir Kosten und Nutzen einer ganzen Palette möglicher Maßnahmen gegen den Klimawandel.
Diese Wissenschaftler kamen zum Schluss, dass die Förderung von Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet grüner Energien die bei weitem beste langfristige Investition darstellt. Ihnen zufolge sollten wir weltweit jährlich 100 Milliarden Dollar in die Entwicklung neuer Erzeugungsmethoden von grüner Energie stecken. Das wäre viel weniger, als wir schon heute an Subventionen in Sonnen- und Windenergie stecken, und würde den Tag vermutlich erheblich näher rücken lassen, an dem kohlenstoffdioxidarme oder -freie Energiequellen die Welt im Sturm erobern.
Warum wir eine CO2-Steuer brauchen
Die Ökonomen errechneten, dass jeder Dollar, der im Bereich grüner Energie in Forschung und Entwicklung (F&E) gesteckt wird, uns etwa elf Dollar an langfristigen Klimaschäden ersparen würde. Das wäre ein Supergeschäft. Darüber hinaus werden die Forschungsanstrengungen uns vielleicht nicht nur zu einer bahnbrechenden grünen Energiequelle verhelfen, sondern wahrscheinlich auch viele weitere für die Menschheit nützliche Innovationen hervorbringen, etwa bessere Akkus für Handys oder billigere Energie für die Erforschung des Weltalls.
Seither trommeln meine Denkfabrik und etliche andere für eine drastische Erhöhung der Ausgaben für grüne F&E. Ein vielversprechender Durchbruch gelang 2015, als zwanzig wichtige Staats- und Regierungschefs, darunter US-Präsident Obama und die EU, im Rahmen der „Mission Innovation“ versprachen, die Ausgaben ihrer Länder für grüne F&E zu verdoppeln.
Leere Versprechen
Leider erfüllten die Länder ihr Versprechen nicht. Daten der Internationalen Energieagentur zufolge stiegen die Forschungsausgaben inflationsbereinigt kaum an, die reichen Länder geben weiterhin keine drei Cent pro 100 Dollar BIP für die Entwicklung neuer grüner Energien aus; dieser Prozentsatz blieb den „Mission Innovation“-Versprechen zum Trotz im Grunde unverändert. Damit summieren sich die Ausgaben auf weniger als ein Sechstel jener 100 Milliarden Dollar jährlich, zu denen die Nobelpreisträger und meine Denkfabrik rieten.
Zahlen & Fakten
Das Frustrierende daran: Es sind sich ja fast alle einig, dass wir viel mehr in grüne Forschungsprojekte investieren sollten. Diese Idee ist unumstritten. Und trotzdem fließt das Geld nie, weil wir in unserer Panik all das Geld für den weiteren Ausbau ineffizienter Sonnen- und Windenergieanlagen verpulvern. Warum? Weil man bei der Eröffnung ineffizienter Solarparks ganz tolle Pressefotos machen kann und allen das Gefühl vermittelt wird, es geschähe etwas. Wissenschaftlern in der Forschung Geld zuzustecken ergibt viel weniger schöne Bilder.
Kein Geld mehr für Ineffizienz!
Innovationen müssen ganz anders gefördert werden, mit viel mehr Weitblick. Weltweit geben Privatunternehmen gerade einmal sechs Milliarden Dollar für die Entwicklung nachhaltiger Energie aus. Seit 2012 sinkt der Anteil privater Investitionen in Forschung zu grüner Energie am globalen BIP sogar!
Um die Erforschung grüner Energien schneller voranzutreiben, müssen wir unser Geld direkt dafür ausgeben, statt über die Bande die Branche zu alimentieren und zu hoffen, dass sie dann schon die nötigen Mittel in F&E steckt. Im Jahr 2020 subventionierten Steuerzahler in aller Welt ineffiziente Sonnen- und Windenergie mit 141 Milliarden Dollar. Dafür bekamen sie nur sechs Milliarden Dollar an tatsächlicher Forschung. Warum geben wir stattdessen nicht 100 Milliarden direkt für Forschungsförderung aus? So flössen 94 Milliarden Dollar mehr in grüne Forschung – und mit den übrigen 41 Milliarden Dollar ließen sich andere Projekte zur Verbesserung der Welt finanzieren.
Wenn wir die Welt ändern wollen, müssen wir die Dinge endlich anders anpacken und uns neue Lösungsansätze ausdenken.
Wenn wir die Welt ändern wollen, müssen wir die Dinge endlich anders anpacken und uns neue Lösungsansätze ausdenken. Wir sollten also lieber die Technologien von morgen entwickeln, anstatt die ineffizienten Turbinen und Sonnenkollektoren von heute zu installieren. Neben der Weiterentwicklung bestehender regenerativer Technologien sollten wir zur Kernfusion forschen, zur Kernspaltung, zur Wasserspaltung und vielem mehr.
Wir könnten probieren, ob sich mit an der Ozeanoberfläche wachsenden Algen Öl produzieren ließe. Da Algen Sonnenlicht und CO2 in Biotreibstoff umwandeln, würde die Verbrennung dieses Treibstoffs kein zusätzliches CO2 freisetzen. Aktuell lohnen sich solche Algenplantagen wirtschaftlich noch nicht, doch es würde nicht viel kosten, die Forschung auf diesem und etlichen anderen Gebieten zu fördern. Und, wer weiß, vielleicht entstehen daraus ja bahnbrechende Technologien!
Notfallplan Geoengineering
Grüne Energie, die billiger als fossile Brennstoffe ist, oder günstige Methoden, um die schädlichen Auswirkungen von Kohlenstoffdioxid auf die Umwelt zu verhindern – das würde den Durchbruch im Kampf gegen den Klimawandel bedeuten. Der aktuell bestehende Zielkonflikt zwischen Wachstum und Umweltschutz würde sich in Wohlgefallen auflösen. Mithilfe von Innovationen könnten wir das Problem der fossilen Brennstoffe auf die altmodische, bewährte Art lösen – indem wir Alternativen billiger und besser machen.
Zahlen & Fakten
Es wird natürlich einige Zeit brauchen, um die Energiequellen und -speicher der Zukunft zu entwickeln. Was aber, wenn wir einen Notfallplan bräuchten für den Fall, dass etwa die Eisdecke über der Antarktis anfinge, rasend schnell abzuschmelzen? Die üblichen Maßnahmen zur CO2-Reduktion brauchen Jahrzehnte zur Umsetzung und ein halbes Jahrhundert, bis sie sich merklich auf das Klima auswirken. Einen Ansatz, die Temperaturen stark zu senken, und zwar sehr billig und innerhalb von Wochen, stellt das Geoengineering dar.
Geoengineering bedeutet, aktiv an den Stellschrauben des Weltklimas zu drehen. Allerdings begäben wir uns damit auf unerforschtes Terrain. Noch nie hat die Menschheit bewusst versucht, das Weltklima zu verändern. Viele Geoengineering-Techniken klingen nach Science-Fiction. Kein Wunder also, dass das Thema Ängste weckt. Dennoch sollten wir die Chancen des Geoengineerings ausloten.
Forschung mit Vorsicht
Beim Geoengineering werden natürliche Prozesse imitiert, um die Temperatur auf der Erde zu senken. Um ein Beispiel zu nennen: Als 1991 der Vulkan Pinatubo auf den Philippinen ausbrach, blies er etwa 15 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre, wo ein Dunstschleier entstand, der sich über den ganzen Globus verteilte. Dieser Dunst reflektierte einen Teil des einfallenden Sonnenlichts und kühlte die Oberfläche des Planeten über eineinhalb Jahre hinweg durchschnittlich um ein gutes halbes Grad Celsius ab. Angesichts wachsender Sorgen um das Klima begannen Forscher zu erkunden, ob sich ein solcher Abkühlungseffekt auch künstlich bewerkstelligen ließe – ohne die Verheerungen eines echten Vulkanausbruchs.
Nur mit Geoengineering lässt sich die Temperatur der Erde rasch senken. Noch sollten wir mit solchen Plänen vorsichtig sein, weil die Folgen unabsehbar sein könnten. Aber wir sollten weiter dazu forschen, um zu sehen, ob sie in einigen Fällen nicht doch eine gangbare Lösung darstellen würden. Betrachten wir Geoengineering doch als Notfallplan, den wir herausholen, wenn alle anderen Bemühungen gescheitert sind.
Der vorliegende Text basiert auf Auszügen aus dem neuen Buch von Bjørn Lomborg, „Klimapanik: Warum uns eine falsche Klimapolitik Billionen kostet und den Planeten nicht retten wird“, das im Februar im FinanzBuch Verlag erschienen ist.
Conclusio
Während individueller Verzicht oder ein langsameres oder gar negatives Wirtschaftswachstum keine Antworten auf die Klimafrage sind, führen Innovationen, Forschung und Entwicklung im Bereich alternativer Energien auf dem sichersten und direktesten Weg aus der drohenden Klimakatastrophe. Allerdings fließt der größte Teil der weltweiten Forschungsausgaben in Technologien, die im Hinblick auf ihre Effizienz und Praxistauglichkeit wenig geeignet sind, den Energiebedarf der Welt zu decken. Statt weiterhin Geld in Technologien zu investieren, die das Problem nicht lösen können, sollten Innovationen wie Kernfusion, Träger alternativer Energien und auch bekanntere Technologien wie Wasserstoff mit den entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden, damit ihre Erforschung auch Erfolge zeitigt.