Warum Kryptos nicht als Währung taugen

Die Staaten werden sich die Geldschöpfung nicht so leicht aus der Hand nehmen lassen. Abgesehen davon sind die Kurs-Turbulenzen bei Bitcoin & Co. alles andere als eine Werbung für Krypto-Geld.

Kryptos gegen den Staat: Illustration eines Armdrückens zwischen einer Hand mit Kryptowährungen als Finger gegen die Hand des Staates.
Staaten werden mit allen Kräften verhindern, dass Kryptowährungen ihnen die Kontrolle über das Geldwesen entziehen. © Benedetto Cristofani
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Auf den Punkt gebracht

  • Disruption. Die Blockchain-Technologie ermöglicht Transaktionen außerhalb des staatlichen Rahmens und des etablierten Bankenwesens – etwa mit Bitcoin.
  • Währungsalternative. Auf der Blockchain basierende Kryptowährungen könnten als Alternative zu staatlichen Währungen wie Dollar oder Euro benutzt werden.
  • Machterhalt. Die meisten Staaten wollen allerdings verhindern, dass Kryptowährungen ihnen die Kontrolle über das Geldwesen entziehen.
  • Fiat Krypto. Mit eigenen Digitalwährungen könnten Zentralbanken nicht nur mit Bitcoin und Co. konkurrieren, sondern das etablierte Finanzsystem umkrempeln.

Für den US-Investor und Milliardär Warren Buffett ist der Bitcoin „Rattengift“. Peter Thiel, ebenfalls US-Investor und Milliardär, zählt Buffett deshalb zu den „Feinden des Bitcoins“ und beschimpft ihn sogar als „soziopathischen Opa“. Die tatsächliche Entwicklung des Bitcoins und anderer Kryptos bestätigt mal Buffetts, mal Thiels Meinung. Während es Tausendsassa Elon Musk gelang, den Kurs mit ein paar Tweets positiv zu beeinflussen, hat Putins Angriffskrieg die andere Richtung ausgelöst.

Diskussionen über Kryptowährungen verlaufen meist schwierig. Das hat auch mit der für technologielastige Themen typischen Nerd-Sprache zu tun. Wenn man etwa den Unterschied zwischen Blockchain und Distributed Ledger Technology (DLT) nicht kennt, ist man für viele ein naiver Dinosaurier. Auch den revolutionären Aspekt von Auktionen mit Non-Fungible Tokens (NFT) sollte man unbedingt erkennen und schätzen, um dazuzugehören.

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Zahlen & Fakten

Kryptos: Alle Macht der Blockchain

Tatsächlich ist es zunächst wichtig, zwischen Kryptowährungen und deren Technologie zu unterscheiden. Was jenseits der Fachsprache unter „Blockchain“ läuft, ist eine agile und nichts weniger als disruptive Technologie, von der man wissen sollte, dass sie eine fälschungssichere dezentrale Abwicklung von Transaktionen jeder Art ermöglicht.

Das ist fundamental relevant, weil eine zentrale Einheit, ein „Server“, in der bisherigen IT technisch und in der Folge geschäftlich erforderlich ist. Oft leisten diese zentralen Systeme primär eine Vermittlungsleistung, und die sie betreibenden Organisationen führen darüber nur die Bücher. Das kann technisch und geschäftlich durch eine „Blockchain“ zumindest weitgehend automatisiert oder komplett ersetzt werden.

Die dynamische Blockchain-Technologie steht erst am Anfang – auch für Anwendungen in Geldangelegenheiten.

Organisationsformen wie Grundbuchämter, Marktplätze, Börsen, letztlich jede Form einer Vermittlungs- oder reiner Administrationstätigkeit ohne eigene Leistung kann von einer einmal aufgesetzten Blockchain komplett erledigt werden, ohne dass jemand ein zentrales IT-System betreiben muss. 

Diese dynamische Technologie für unsere zunehmend digitalisierte Welt steht erst am Anfang. Das trifft auch auf die Möglichkeit zu, sie für Anwendungen in Geldangelegenheiten zu nutzen. Trotz der Vielzahl an verschiedenen Kryptowährungen gilt es auch hier, den wesentlichen Kern zu erkennen: Konzepte wie Bitcoin basieren auf der Idee einer überstaatlichen „Weltwährung“ – mit einer wie auch immer gestalteten Begrenzung der Menge an „Coins“. Im Gegensatz dazu arbeiten Notenbanken an Kryptos, die an bestehende Währungen gebunden sind. Daraus resultieren die hitzigen Debatten, die schnell politisch werden können – Kontroversen über unser Fiatgeldsystem mit prinzipiell unbegrenzter Geldschöpfung durch Kredite im Notenbanken- und Bankensystem inbegriffen.

Als Weltwährung untauglich

Dabei übersehen enthusiastische Befürworter einer unregulierten, staatlichen Einflüssen entzogenen, libertären Weltwährung, dass Bitcoin und Co. für diesen Zweck schlicht nicht geeignet sind. Besonders ihre hohen Wertschwankungen lassen die wichtigste Eigenschaft einer Währung, die Stabilität der Kaufkraft, vermissen. Die zweite Eigenschaft, die bisher nur durch staatliche Regulierung erreicht wird, nämlich die allgemeine Akzeptanz als Zahlungsmittel, hängt von der freiwilligen und vor allem stabilen Einigung aller Beteiligten ab. Bisher ist so eine Einigung allerdings nicht zu erkennen. 

Im Gegenteil zeigt die Entwicklung, wie abhängig Bitcoin und Co. von der Stimmung ihres Schwarms sind. Wenn in der Szene Multiplikatoren wie Elon Musk positive Impulse setzen, reagiert der Wert enorm, weil sich der Schwarm plötzlich von einer Wertsteigerung überzeugen lässt. Außer dieser Überzeugung gibt es jedoch keinen Grund für irgendeine Wertbemessung. Das kritisiert Warren Buffett – er spricht von einem reinen Spekulationsobjekt, das er aufgrund der leichten Manipulierbarkeit in typisch amerikanischer Direktheit ablehnt.

Ob eine überstaatliche „Weltwährung“ entstehen kann, deren Wert und Funktionsfähigkeit von einer stabilen gemeinsamen Meinung und Verhaltensweise aller Nutzer abhängt, darf tatsächlich bezweifelt werden. Insofern bringt der Kurssturz der Kryptowährungen als Reaktion auf Putins Angriffskrieg Licht in die Sache, denn damit wurden Kryptos mehrheitlich auf der Seite der unsicheren Anlagen verortet.

Die Vorteile der Regulation

Die Frage ist aber auch, ob eine überstaatliche Weltwährung überhaupt wünschenswert wäre. Bei aller berechtigten Kritik am aktuellen Geldsystem dürfen die Bedeutung einer flexiblen Geldmengensteuerung sowie die Funktion des Leitzinses als Preissetzung für Investitionskosten nicht übersehen werden. Wir sollten weiter heftig über die Steuerung streiten und vor allem um deren Unabhängigkeit kämpfen, aber das Steuerrad einfach über Bord zu werfen, wäre keine gute Idee.

Nun geht es in der Realität oft nicht darum, was wir uns wünschen, sondern welche Kräfte in den existierenden Systemen wirken. So ist unverkennbar, dass Bitcoin und Co. als globale Währung allein schon deshalb ausgeschlossen sind, weil die Staaten das nicht zulassen können. Die Hoheit über Währung und gesetzliche Zahlungsmittel gehören zu den essenziellen Mitteln staatlicher Organisation. Daher müssen und werden Regulierer auf eine wachsende Bedeutung von Kryptos reagieren, was bereits mehrfach passiert ist. Das muss nicht unbedingt zu einem Verbot führen, aber zumindest zu einer Begrenzung der Bedeutung.

Die jüngste Entwicklung von Coinbase, einem der größten Handelsplätze, sollte zudem selbst puristischen Krypto-Anhängern zu denken geben: Im Fall einer durchaus denkbaren Insolvenz des Unternehmens wären alle Krypto-Bestände Teil des Insolvenzverfahrens. Ob in Fällen wie diesem ein wenig Regulierung vielleicht nicht doch besser wäre? 

Viel maßgeblicher als die Entwicklung des bisher unregulierten Bereichs sind aber ohnehin die Projekte an währungshinterlegten Kryptos der Notenbanken selbst. Hier sollte man die gewaltige Spannbreite der Möglichkeiten erkennen. Die simpelste Form ist die Einführung einer weiteren digitalen Zahlungsmöglichkeit, die sich systemkonform in alle anderen einreiht. Das ist vermutlich der erste Schritt, notwendig ist so etwas nicht. Es könnte aber Basis für Ausweitungen sein, denn die bereits jetzt diskutierte Frage lautet: Wie entstehen die hinterlegten Dollars oder Euros, und wo lagern sie? 

Ein Krypto-Konto bei der Zentralbank

Das könnte beispielsweise rein technisch dazu führen, dass jeder Bürger über ein Konto bei der Notenbank verfügt. Wenn er das dann auch überziehen darf, hätte jeder die Möglichkeit, die Geldschöpfung im Fiatsystem direkt mit der Notenbank selbst vorzunehmen. Bereits diese ersten Überlegungen, die Notenbanken aktuell diskutieren, zeigen, wohin das führen könnte: Das rein technische und auch regulatorische Potenzial reicht von einer tiefgreifenden Reform bis zu einem Ersatz des gesamten Bankensystems.

Wenn jeder Bürger über ein Konto bei der Notenbank verfügt, könnte jeder die Geldschöpfung selbst vornehmen.

Das ist letztlich eine Frage des politischen Willens, nicht eine der Machbarkeit. Notenbanken könnten das komplette Geldsystem weitgehend selbst abwickeln. Die realwirtschaftlich notwendige Funktion von Banken besteht in der Vermittlung von Geldanlage und Kreditbedarf mit unterschiedlichen Laufzeiten. Bisher scheuen die Notenbanken davor zurück, diese Leistung der Realwirtschaft selbst anzubieten.

Aber auch das ist ein politisches Thema, denn eines ist klar: Ein System mit einer einzigen Bank kann nicht pleitegehen. Wenn in diesem Fall Kredite ausfallen, betrifft das nicht die Zahlungsfähigkeit der Bank, denn das nicht zurückgezahlte Geld liegt ja bei derselben Bank – nur auf anderen Konten. Es geht wohl eher darum, dass so eine Rolle aus der Notenbank eine noch viel mächtigere Instanz für die Schöpfung und Verteilung von Geld machen würde. Es wird in der Tat sehr spannend, welche politischen Systeme so etwas scheuen und welche es sogar anstreben.

Unregulierte Kryptos als Anlage 

So unklar die Entwicklung der Notenbank-Kryptos ist, so erkennbar ist die Reise der Unregulierten: Sie bleiben eine virtuelle Anlagemöglichkeit, deren Wert von der Stimmungslage abhängig und entsprechend manipulierbar ist. Man darf an der Stelle den Verdacht haben, dass die besonders lauten Befürworter diesen Punkt für sich entdeckt haben. 

Der Crash der Kryptowährung Luna im Mai 2022 bestätigt einerseits die Warnungen vor einem Kollaps, andererseits ändert er nichts daran, dass es wieder enorme Wertzuwächse geben wird. Libertär sind unregulierte Kryptowährungen jedoch sicher, denn jeder kann für sich entscheiden, ob er daran teilnimmt oder nicht.

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Conclusio

Hinter Kryptowährungen wie Bitcoin steht eine wichtige technologische Innovation: die Blockchain. Sie ermöglicht es, Transaktionen dezentral und de facto fälschungssicher durchzuführen. Kryptowährungen wie Bitcoin könnten laut ihren Anhängern als Weltwährung fungieren und staatlich kontrollierte Währungen wie Dollar oder Euro ablösen. Allerdings taugen digitale Währungen kaum dazu, wenn ihr Wert weiterhin so stark schwankt. Auch ist unwahrscheinlich, dass Staaten sich derart entmachten lassen. Dagegen schreiten Pläne für den digitalen Euro, Dollar oder Yuan voran. Zentralbanken könnten, sofern es politisch gewollt ist, das jetzige Geldsystem und die Rolle der Banken komplett umkrempeln.