Mit Takt gegen Parkinson

Das Leben mit Parkinson ist mit vielen Einschränkungen verbunden. Musiktherapie kann helfen, klassische Symptome – allen voran das Gangbild – zu verbessern. Ein besonders guter Rhythmusmacher: der Radetzkymarsch.

Illustration einer musikhörenden, in Gedanken versunkenen Frau
Mit dem richtigen Beat können Parkinson-Patienten zu mehr Ruhe finden. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Symptome. Parkinson ist eine Erkrankung, bei der es zu einer Einschränkung von Bewegungsabläufen kommt. Auch Sprechen fällt Betroffenen schwerer.
  • Ursache. Die Erkrankung geht von einer Gehirnregion aus, die Dopamin produziert. Ohne Dopamin wird die Reizübertragung zwischen Nervenzellen gestört.
  • Therapie. Parkinson ist nicht heilbar. Mit Medikamenten kann die neurologische Erkrankung aber kontrolliert und die Lebensqualität verbessert werden.
  • Rhythmus. Eine weniger bekannte Therapieform ist Musik. Durch die Vorgabe eines Taktes können sich Gangbild und Sprechrhythmus verbessern.

Gehen, Laufen, Springen: Das sind selbstverständliche Aktivitäten des täglichen Lebens, über die sich in der Regel niemand den Kopf zerbricht. Die wenigsten sind sich bewusst, dass mit sämtlichen Bewegungen des menschlichen Körpers sehr komplexe Gehirnleistungen verbunden sind. Jeder Schritt findet erst einmal im Kopf statt, bevor tatsächlich ein Fuß vor den anderen gesetzt wird. Im Netzwerk der Hirn-Muskel-Koordination spielt die Substantia nigra, die schwarze Substanz, eine zentrale Rolle. Sie liegt im Mittelhirn und ist mit anderen Hirn­regionen über den Bereich der sogenannten Basalganglien verbunden.

Genau hier liegt bei einer Parkinson-Erkrankung auch die Problemzone, denn in der Substantia nigra sterben die Nervenzellen ab, und folglich kommt dadurch auch die Produktion der Überträgersubstanz Dopamin zum Erliegen. Doch das Gehirn braucht gerade diesen Botenstoff, um die von dem zentralen Netzwerk ausgehenden bioelektrischen Impulse über die Nerven zu den Muskeln weiterleiten zu können und auf diese Weise Bewegung zu ermöglichen.

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Botenstoff ankurbeln

Bei Morbus Parkinson sind Abläufe gestört – Bewegungen wirken deshalb verlangsamt, reduziert und zunehmend unkoordiniert, manchmal kommt der Bewegungsfluss auch unerwartet zum Erliegen, ein Phänomen, das als Freezing bekannt ist. Andererseits kann es aber auch sein, dass von Parkinson Betroffene in Ruhepositionen zu zittern beginnen, weshalb die Erkrankung früher auch als Schüttellähmung bezeichnet wurde. Der Neurotransmitter Dopamin spielt zudem auch eine Schlüsselrolle beim Wohlbefinden. Es kann sein, dass Menschen, die an Parkinson erkrankt sind, auch an einem Defizit an Lebensfreude, Interesse und Antrieb leiden. Nicht selten fühlen sie sich niedergeschlagen und erschöpft. Das alles können auch Anzeichen einer Depression sein.

Substantia nigra im Gehirn
Die orange markierte Region zeigt die Substantia nigra – Ursprungsort der Parkinson-Erkrankung. © Getty Images

Wenngleich eine Parkinson-Erkrankung selbst nicht heilbar ist, gibt es eine Reihe von wirksamen medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapien, die es ermöglichen, trotzdem ein gutes Leben zu führen. Viel zu wenig ausgeschöpft werden die Möglichkeiten der neurologischen Musiktherapie, mit der wir hier in der Gailtal-Klinik Hermagor bei der Behandlung von Parkinson-Betroffenen sehr gute Erfolge erzielen. Bewegung hat viele Facetten, aber stets etwas mit Rhythmus zu tun. Man könnte sagen, dass bei Parkinson ein gut eingespieltes System aus dem Takt gerät und Musik eine Möglichkeit ist, diesen Takt von außen wieder in den Körper zurückzubringen. Dabei muss es nicht vorrangig um Musik gehen, sondern vor allem um den Beat.

Individuelle Musiktherapie

Interessanterweise scheint der Radetzkymarsch einem weit verbreiteten Taktgefühl der Menschen zu entsprechen. Er wirkt oft extrem gut bei Parkinson. Doch es können natürlich auch schnellere oder langsamere Rhythmen notwendig sein – das ist ein Bereich, den wir im Zuge einer Musiktherapie, in diesem Fall eines rhythmischen Trainings, eruieren und sehr spezifisch auf den Gang eines Parkinson-Betroffenen anpassen. Das richtige Stimulationstempo ist ausschlaggebend für den Erfolg.

Bei Parkinson gerät ein gut eingespieltes System aus dem Takt. Musik bringt diesen Takt von außen wieder zurück.

Wir sehen schon nach wenigen Einheiten, ob sich ein Krankheitssymptom durch diese musikalische Stimulation von außen verbessert. Wenn ja, empfehlen wir tägliche Trainingseinheiten, weil das Gehirn auf Wiederholungen meist sehr gut reagiert und lernt. Es gibt aber auch sogenannte Non-Responder, etwa 20 Prozent aller Patienten, die nicht an musikalische Rhythmen ankoppeln können. Das ist sehr schnell klar, wir setzen dann andere Therapiemethoden ein. Bei Parkinson-Kranken kann auch der Sprechrhythmus beeinträchtigt sein, rhythmisch-akustisches Sprechtraining kann in diesen Fällen ebenfalls eine sehr hilfreiche Therapie sein.

Unter der langjährigen Leitung von Manfred Freimüller, dem medizinischen Leiter der Gailtal-Klinik, und dem Parkinson-Spezialisten Volker Tomantschger haben wir hier in Hermagor ein umfassendes Therapie- und Trainingsprogramm entwickelt, das in Kombination mit Medikamenten Betroffenen eine sehr gute Lebensqualität bringen kann. Zur Wirksamkeit unterschiedlicher Methoden haben wir Daten und Erfahrungen gesammelt und international publiziert.

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Zahlen & Fakten

Immer mehr Parkinson-Kranke

Trotzdem ist die neurologische Musiktherapie viel zu wenig bekannt. Parkinson tritt in Deutschland bei 321 und in Österreich bei 278 von 100.000 Einwohnern auf und wird mehrheitlich nach dem 60. Lebensjahr diagnostiziert. In Österreich gibt es rund 20.000, in Deutschland zirka 240.000 und in der Schweiz über 15.000 Erkrankte, die jede Unterstützung gebrauchen können. Ein großer Teil leidet auch an depressiven Symptomen. Es ist allgemein bekannt, wie sehr Musik die Stimmung beeinflussen kann – insofern ist sie also auch als eine Art von Antidepressivum zu sehen. Auch Tanztherapie hilft Parkinson-Patienten.

Wir organisieren regelmäßig Fortbildungen und Schulungen für unser Team, verfolgen aber das Ziel, die neurologische Musiktherapie in anderen Behandlungszentren bekannt zu machen. Es geht darum, diese Optionen besser als bisher auszuschöpfen und sie in der Neurologie als Standard-Behandlung zu verankern.

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Conclusio

Denken, Sprechen und Bewegung sind menschliche Aktivitäten, die viel stärker miteinander verbunden sind, als viele vermuten. Sie erfordern eine reibungslose Kommunikation zwischen verschiedenen Gehirnarealen. Genau das ist auch das Problem bei der Parkinson-Erkrankung. Und genau deshalb hat die neurologische Musiktherapie bei einer Vielzahl von Patienten eine erstaunliche Wirkung. Musik aktiviert viele Gehirnbereiche gleichzeitig. Vor allem das Gefühl für Takt scheint auch das Gehen und Sprechen positiv zu beeinflussen. Bei einer neuro­logischen Musiktherapie geht es darum, mithilfe der Musik auf beeinträchtigte Areale im Gehirn einzuwirken. Durch regelmäßiges Training lassen sich Sym­ptome verbessern. Das Problem: Musik­therapie ist zu wenig bekannt und kommt deshalb nur selten zum Einsatz.