So viel Steuern zahlen wir wirklich

Lohnsteuer, Sozialabgaben, Umsatzsteuer, Mineralölsteuer und vieles mehr: Der Staat ist beim Schröpfen seiner Bürger äußerst kreativ. Wie viel an Steuern wir zahlen, zeigen drei Beispiele.

Die Illustration zeigt den österreichischen Adler, der Münzen und Geldscheine unter seinen Flügeln aufbewahrt. Im Vordergrund ist eine Frau und ein Mann zu sehen. Das Bild illustriert einen Artikel darüber, wie viele Steuern wir wirklich zahlen.
Es ist vor allem die arbeitende Bevölkerung, auf die es der Staat abgesehen hat. © Team Rottensteiner Red Bull
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Auf den Punkt gebracht

  • Hohe Abgabenlast. In Österreich wird den Bürgern im europäischen Vergleich besonders viel Geld durch Steuern und Abgaben entzogen.
  • Steuerliche Belastungen. Die Kombination aus direkten Steuern und Mehrwertsteuer führt dazu, dass Bürger einen erheblichen Teil ihres Einkommens an den Staat abführen.
  • Internationaler Vergleich. Andere Länder kommen mit niedrigeren Abgabenquoten aus oder erbringen bessere öffentliche Leistungen für eine vergleichbare Steuerlast.
  • Reformvorschläge. Eine Ausgabenbremse und Pensionsreform könnten dazu beitragen, die Notwendigkeit neuer Steuern zu reduzieren und Bürger zu entlasten.

Möchten Sie ablegen? Der Staat ist gerne behilflich! In kaum einem anderen Land Europas wird den Bürgern von der öffentlichen Hand so viel Geld abgeknöpft wie in Österreich. Jahrelang hatten nur Frankreich, Belgien und Dänemark eine noch höhere Abgabenbelastung als Österreich. Doch seit dem kometenhaften Wirtschaftsaufschwung Dänemarks geht die Abgabenquote dort zurück, weil das Bruttoinlandsprodukt stark wächst.

Sollten die Dänen der Versuchung widerstehen, die Zugewinne einzukassieren und in Wohltaten durch (oder für?) den Staat umzuwandeln, sieht uns die Europäische Kommission spätestens im nächsten Jahr auf Platz drei des Rankings der höchsten Abgabenquoten Europas. Was bedeutet das für die Menschen? Drei Beispiele zeigen, wie der Staat die Bürger belastet:

Beispiel Peter, 25: 2.900 Euro brutto

Peter hat vor einigen Jahren seine Lehre abgeschlossen und verdient nun etwa 2.900 Euro brutto im Monat. Damit ist er recht weit unten in der Einkommensverteilung; nur 20 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten verdienen weniger als Peter. Auf sein Jahresbruttoeinkommen von rund 40.600 Euro kommen aber noch Dienstgeberbeiträge. Das Unternehmen, für das Peter arbeitet, muss für ihn pro Jahr insgesamt 52.600 Euro zahlen. Nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge, der Lohnsteuer und der Lohnnebenkosten bleiben Peter knapp 29.700 Euro netto. Etwa 44 Prozent seiner Arbeitsleistung bekommt er gar nicht erst zu Gesicht.

Doch damit ist der Staat längst nicht zufrieden. Weil Peter so wenig verdient, gibt er das meiste davon gleich wieder aus und zahlt auf seinen Konsum Mehrwertsteuer. Da ein Großteil seines Einkommens für die Miete und für Lebensmittel draufgeht, für die der reduzierte Steuersatz anfällt, zahlt er im Schnitt zwar „nur“ 15 Prozent Mehrwertsteuer. Trotzdem sind das im Jahr noch einmal mehr als 4.000 Euro, die er auf diese Weise an den Fiskus verliert.

Am Jahresende bleiben Peter klägliche 2.700 Euro übrig. Groß investieren kann man mit dieser Summe nicht, außerdem will der junge Mann jederzeit Zugriff auf seine Ersparnisse. Deshalb lässt er das Geld mit nur einem Prozent Habenzins auf seinem Sparkonto liegen. Im Jahr darauf wird der Finanzminister nichts dabei finden, Peter für die mickrigen Zinsgewinne noch sieben Euro an Kapitalertragsteuer abzuknöpfen.

Peter kauft zum Vorglühen eine Flasche Wodka. Der Finanzminister feiert mit.

Teure Hobbys kann sich Peter nicht leisten. Aber er feiert am Wochenende gerne mit seinen Freunden. Zum Vorglühen kauft er eine Flasche Wodka. Der Finanzminister feiert mit: Er hebt nämlich nicht nur Steuern ein, damit der Staat seine Aufgaben erfüllen kann, sondern manchmal auch aus pädagogischen Gründen. Die Schäfchen sollen auf dem rechten Pfad bleiben und nicht zu viele Laster pflegen. Spirituosen belegt der Staat daher mit einer Sündensteuer; der Hersteller muss je Hektoliter reinen Alkohols 1.200 Euro abführen. Dann kommt natürlich noch die Mehrwertsteuer dazu. Die Alkoholsteuer fließt dabei in die Berechnungsgrundlage der Mehrwertsteuer ein.

Kein Scherz: Man zahlt Steuern auf Steuern! Am Ende berappt Peter für einen Liter Kopfschmerzgarantie 20 Euro. Keinen Kater hat dagegen der Staat, der rund 40 Prozent des Kaufpreises einkassiert. Dabei ist Österreich bei der Besteuerung von Alkohol sogar noch sehr nachsichtig. In Norwegen verlangt der Fiskus umgerechnet mehr als 8.000 Euro je Hektoliter; dort besteht der Großteil des Kaufpreises aus Steuern.

Beispiel Gisela, 56: 4.000 Euro brutto

Das monatliche Median-Einkommen von Vollzeitbeschäftigten liegt in Österreich – hochgerechnet auf das Jahr 2024 – bei etwa 4.000 Euro brutto. Gisela verdient genau diese Summe; im Jahr sind das rund 56.000 Euro. Inklusive Dienstgeberbeiträgen und Lohnnebenkosten muss sie 72.600 Euro erwirtschaften. Netto bleiben Gisela am Ende des Jahres nur 38.500 Euro. Ihre Steuer- und Abgabenbelastung ist höher als jene von Peter. Das liegt am progressiven Steuertarif. Da ein größerer Anteil ihres Einkommens in den höheren Steuerstufen liegt, wird es für sie teurer.

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Zahlen & Fakten

Der karge Lohn der Arbeit

Fast die Hälfte der Arbeitskosten wird wegbesteuert, an den Konsumausgaben nascht der Staat noch einmal kräftig mit.

Auch bei der Mehrwertsteuer zahlt sie mehr. Das liegt daran, dass Giselas Warenkorb – statistisch betrachtet – anders zusammengesetzt ist als der von Peter. Sie kann sich mehr Dinge leisten, die laut den österreichischen Umsatzsteuerrichtlinien als nicht lebensnotwendig gelten und folglich auch nicht dem reduzierten Mehrwertsteuersatz unterliegen. Daher zahlt Gisela auf ihren Konsum im Schnitt fast 16 Prozent Mehrwertsteuer.

Am Ende des Jahres hat Gisela rund 5.000 Euro übrig. Da sie sich mehr Gedanken über Geldanlage gemacht hat als Peter und das Geld nicht sofort braucht, veranlagt sie fest mit einer Verzinsung von drei Prozent. Auf die Rendite wird sie im Jahr darauf etwa 37 Euro Kapitalertragsteuer zahlen.

Gisela wohnt auf dem Land. Um ihren Arbeitsplatz zu erreichen, braucht sie ein Auto. Sie legt keinen Wert auf Schnickschnack; ein kleiner Neuwagen soll es sein. Der Kaufpreis beträgt 30.000 Euro. Natürlich schlägt die Mehrwertsteuer zu Buche. Und obwohl das Autofahren keine Sünde darstellt, gibt es wie beim Alkohol auch hier Steuern, die den Fahrzeugkauf zusätzlich verteuern. Beim Auto sind das die Normverbrauchsabgabe (NoVA) in Höhe von 1.650 Euro und die motorbezogene Versicherungssteuer von 562 Euro pro Jahr. Rund ein Viertel des Kaufpreises hat der Finanzminister also schon in der Tasche, bevor Gisela so richtig durchstarten kann.

Vom Benzinpreis fließen 54 Prozent an den Staat.

Reduzieren könnte sie ihre Steuerbelastung nur, wenn sie ein Elektroauto kaufen würde. Dieses ist von NoVA und Versicherungssteuer befreit, kostet aber in der Anschaffung ein paar Euro mehr. Sagen wir, ein vergleichbares Elektroauto kommt auf 40.000 Euro; dann ist die Ersparnis aus dem Wegfall der NoVA durch die zusätzliche Mehrwertsteuer schon wieder weg.

Den Neuwagenduft in der Nase, spult Gisela nun 13.000 Kilometer pro Jahr ab. Dafür wird sie 715 Liter Benzin brauchen und über 1.100 Euro zahlen. Doch nur der kleinere Teil dieser Summe geht wirklich für den Treibstoff drauf. Der Tankwart sah doch gleich verdächtig wie Finanzminister Magnus Brunner aus! Für Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer (MÖSt) und CO2-Bepreisung fließen 54 Prozent des Benzinpreises an den Staat. Helfen würde Gisela jetzt wieder nur ein E-Auto, das im Betrieb deutlich günstiger sein kann – und das, obwohl auch Strom üppig besteuert wird.

Fall Annette, 38: 7.700 Euro brutto

Annette ist eine High-Performerin. Als Vorstandsassistentin verdient sie im Monat sagenhafte 7.700 Euro brutto. In der inflationsangepassten Einkommensverteilung stehen nur zehn Prozent der Vollzeitbeschäftigten noch weiter oben als Annette. Der Hedgefonds, für den sie arbeitet, muss ebenfalls Dienstgeberbeiträge abführen. Annettes Arbeitsleistung muss ihrem Chef also gut 134.000 Euro wert sein. Netto bleiben ihr im Jahr zwar immer noch stattliche 67.500 Euro. Doch die Hälfte ihrer Arbeitsleistung wurde einbehalten. Und das, obwohl Annette die Beitragsbemessungsgrenze überspringt und auf einen Teil ihres Einkommens keine Sozialabgaben mehr zahlen muss.

Annette gibt mehr Geld für Designermode aus als für Lebensmittel. Im Schnitt zahlt sie auf ihren Konsum daher fast 17 Prozent Mehrwertsteuer. Am Jahresende hat sie trotzdem noch mehr als 10.000 Euro übrig. Sie veranlagt sportlich. In einem guten Jahr macht sie sechs Prozent Rendite und zahlt darauf etwa 170 Euro Kapitalertragsteuer. In einem schlechten Jahr steht aber manchmal ein Minus davor; dann geht auch der Staat leer aus.

Annette ist in einem Alter, in dem sie an Nestbau denkt. Sie möchte eine Wohnung für 400.000 Euro kaufen. Da die Wohnung schon existiert, ist bei dieser Transaktion keine Mehrwertsteuer zu begleichen. Gut für sie. Es fallen aber Grunderwerbsteuer, Grundbuchgebühren und natürlich die Mehrwertsteuer für Anwalts- und Notarleistungen an – zusammen mehr als 26.000 Euro. Außerdem braucht sie wegen der KIM-Verordnung – der neuen Vergaberichtlinien für Kredite – 80.000 Euro Eigenkapital. Das ist zwar kein Problem für Annette; sie hat immerhin mit 18 Jahren angefangen, in Aktien zu investieren, die sich bis heute im Wert verfünffacht haben. Sie muss nun aber Aktien im Wert von über 100.000 Euro verkaufen, um nach Abzug von 23.000 Euro Kapitalertragsteuer das nötige Eigenkapital zu haben.

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Zahlen & Fakten

Meister im Steuerneinheben

Einem Handwerker bleibt nur gut die Hälfte des Auftragswerts von 600 Euro. Um diese Summe zahlen zu können, muss sein Kunde (bei 4.000 Euro brutto im Monat) 1.131 Euro erwirtschaften.

Malen und Zahlen

Um eine Rechnung über 600 Euro zu begleichen, müssen Sie fast die doppelte Summe erarbeitet haben, nämlich 1.131 Euro. Nach Abzug Ihrer Steuern und Abgaben, der Beiträge Ihres Arbeitgebers, der Mehrwertsteuer sowie der Steuern und Abgaben des Malers bleiben dem Handwerker am Schluss 316 Euro netto.

Weniger neue Steuern, mehr Geld zum Leben

Steuern sind wichtig. Sie sind kein Selbstzweck, sondern sie dienen der Finanzierung der öffentlichen Güter, die wir alle jeden Tag in Anspruch nehmen. Das gilt auch für Peter, Gisela und Annette. Doch Steuern haben verzerrende Wirkungen. Außerdem scheinen andere Länder mit weniger Geld auszukommen oder mit demselben Geld bessere Leistungen erbringen zu können. Die Abgabenquote liegt auch andernorts bei über 40 Prozent; dort bekommt man aber leichter Arzttermine, und die Pensionssysteme sind auch solider finanziert.

Wer seine Ausgaben im Griff hat, braucht nicht ständig neue Steuern.

Österreich hat viel Arbeit vor sich. Der erste Schritt wäre eine Ausgabenbremse wie in Schweden oder der Schweiz. Sie erleichtert die Arbeit für den Finanzminister ungemein, da sie für strenge Ausgabendisziplin sorgt. Wer seine Ausgaben im Griff hat, braucht nicht ständig neue Steuern. Der zweite Schritt wäre eine Pensionsreform, damit nicht weiterhin jedes Jahr fast die kompletten Lohnsteuereinnahmen im Pensionsloch verschwinden. Im dritten Schritt könnten dann endlich um fassende Entlastungen kommen. Damit Peter, Gisela, Annette und allen anderen mehr zum Leben bleibt.

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Conclusio

Die hohe Steuerbelastung der Bruttoeinkommen ist den meisten Leidtragenden bewusst, doch dass der Arbeitgeber auch noch umfassende lohnabhängige Abgaben abführt, ist nicht so präsent. Das führt dazu, dass von den Arbeitskosten eines mittleren Dienstnehmers 47 Prozent an den Staat gehen. Oder in absoluten Zahlen: Wer 38.500 Euro netto im Jahr verdient, kostet den Arbeitgeber 72.600 Euro. Das ist noch lange nicht alles, denn bei jedem Einkauf fallen Mehrwertsteuer und oft noch weitere Abgaben wie Mineralöl- oder Alkoholsteuer an. Das führt dazu, dass der Gutteil des erwirtschafteten Lohns vom Staat kassiert wird. Bei höheren Einkommen steigen die Lohnabgaben wegen der Steuerprogression weiter an. Eine strikte Ausgabendisziplin könnte dafür sorgen, dass die Belastung nicht weiter steigt.

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