Trump II – USA über alles?
Das Zeitalter Trumps ist da, sagt der Historiker Manfred Berg: Während den USA eine Kleptokratie bevorsteht, verliert Europa den transatlantischen Partner.

Der Historiker Manfred Berg geht davon aus, dass Trump versuchen wird, wahr zu machen, was er ankündigt: Massenabschiebungen, Inhaftierung von Kritikern und Gegnern, Aufräumen im „Deep State“: „Ich erwarte eine Radikalisierung Trumps und seiner Administration.“
Der Podcast über Donald Trump und die USA
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Ich bin mir sicher, dass unsere Gegenwart einmal als das Age of Trump, das Zeitalter Donald Trumps, in die Geschichte eingehen wird.
Manfred Berg, Historiker
Der Historiker sieht keinen Grund, warum Trump sich zügeln sollte. Er habe die Mehrheit im Kongress und der Oberste Gerichtshof habe mit dem Urteil am 1. Juli dem jeweils amtierenden Präsidenten eine sehr weitgehende Amtsimmunität attestiert. Trump werde dies als eine Art Freibrief auslegen. „Er ist auf dem Zenit seiner Macht, und wir müssen erwarten, dass er die Grenzen der Machtfülle auch austesten will“, so Berg.
Wie der Bericht des Sonderermittlers Jack Smith zeigt, der auszugsweise veröffentlicht wurde, war der Wahlsieg entscheidend, um die mögliche Anklage wegen Anstiftung zum Aufruhr zu verhindern. Die gesammelten Beweise, unter anderem zur Wahlmanipulation hätten für eine Verurteilung Trumps ausgereicht. Smith zog die Klagen zurück, da nach der geltenden Rechtsauffassung amtierende Präsidenten nicht verurteilt werden können.
Die bisher veröffentlichten Teile machen etwa die Hälfte des Gesamtberichts aus. Nicht veröffentlicht wurden die Erkenntnisse der Sonderermittlungen im Fall der nach Mar-a-Lago mitgenommenen Geheimdokomente.
Die neue Administration hat allerdings auch mehrere absehbare Bruchstellen. Mit Elon Musk auf der einen und J.D. Vance seien zwei Lager in eine Allianz gezwungen, die außer ihrer Demokratiefeindlichkeit wenig verbinde: Auf der einen Seite ultralibertäre Positionen, vertreten durch Elon Musk und Vivek Ramaswamy; auf der anderen Seite ein christlich-fundamentalistisch geprägter Nationalpopulismus, vertreten durch J.D. Vance.
Beim Thema Einwanderung werden sich die Lager wohl scheiden, denn Tech-Milliardäre wie Musk oder auch Zuckerberg brauchen Zuwanderung. Ihr Herzensthema, die Zurückdrängung des Staates, wiederum ist den Nationalisten eigentlich kein Anliegen, analysiert Berg: „Es ist ein bereits sich abzeichnender Machtkampf zwischen den Plutokraten und den Nationalpopulisten, die ja im Grunde genommen die republikanische Partei zu einer Partei der Arbeiterklasse gemacht haben. Das ist eine seltsame Allianz, strange bedfellows. Und die Konflikte zeichnen sich schon ab.“
Wird das Project 2025 also umgesetzt? Der Supreme Court habe Trump geradezu einen Blankoscheck ausgestellt, um durchzuregieren. „Die Frage ist, ob es genug Gegenkräfte etwa in der Judikative gibt, ob Gerichte oder Beamte im Justizministerium zum Beispiel sich tatsächlich einer Anordnung beugen würden, den Sonderermittler Jack Smith, der ja nur seine Pflicht getan hat, anzuklagen.“
Die demokratischen Institutionen der USA sieht Manfred Berg bereits unterminiert. Zwar seien der neuen US-Regierung Grenzen gesetzt, doch: „Allein der Umstand, dass der Putschist Donald Trump nicht zur Verantwortung gezogen wurde, signalisiert meiner Meinung nach eine starke Schwächung der sogenannten Checks and Balances. Der Supreme Court hat hier eine durchaus unrühmliche Rolle gespielt.“
Elon Musk, der als reichster Mann der Welt großes Interesse an politischer Macht und wenig Regulation habe, mache vielen Amerikanern ein attraktives Angebot, wenn er der Meinung ist, ein Staat könne wie ein Privatunternehmen geführt werden, nämlich von oben nach unten. „Weil vielen Amerikanern Big Government als Wurzel allen Übels gilt, ist das durchaus populär. In Wirklichkeit spielt auch eine Rolle, dass sich sowohl Musk als auch Zuckerberg sich lästiger staatlicher Regulierung entledigen wollen und sich vor Klagen schützen wollen. Kleptokratie und Klientelismus werden in Washington fröhliche Urständ feiern.“
Was die Außenpolitik betrifft, ist der 60. US-Präsident nicht der erste, der von Europa mehr Einsatz für seine Verteidigung verlangt. Der Vorwurf des sicherheitspolitischen Trittbrettfahrens sei nicht neu, meint Berg, nur habe Europa vor vier Jahren noch keiner existenziellen Bedrohung gegenüber gestanden. Die russische Aggression gegen die Ukraine habe die Lage für die EU-Staaten komplett verändert. Auch von innen gerät die EU unter Druck: „Wenn es Putin gelingt, die USA mehr oder weniger aus Europa zu drängen, die transatlantische Sicherheit zu entkoppeln, dann hat das dramatische Folgen für die Sicherheit der Europäer.“
Für Europa, da ist sich Berg sicher, ist eine neue Zeit angebrochen: „Das transatlantische Zeitalter neigt sich dem Ende zu.“
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Über Manfred Berg
Manfred Berg ist Professor für Amerikanische Geschichte am Historischen Seminar der Universität Heidelberg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung, Lynchjustiz und Mobgewalt sowie die Geschichte der US-Außenpolitik und die politische Geschichte der USA. Er ist Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Zuletzt erschien von ihm das Buch Das gespaltene Haus. Eine Geschichte der USA von 1950 bis heute im Verlag Klett-Cotta. Über die möglichen Folgen einer Wahlniederlage von Donald Trump hat er in diesem Podcast mit uns gesprochen.