Die Vertriebenen der Ukraine
Mehr als sechs Millionen Ukrainer wurden seit 2022 zu Vertriebenen. 80.000 von ihnen leben in Österreich. Eine große Chance, sagt die Soziologin Sonja Dörfler-Bolt.

Es sind vor allem besonders gut ausgebildete Ukrainer, die in den letzten drei Jahren in Österreich Schutz gesucht haben: 75 Prozent haben eine Universität oder Fachhochschule besucht. Die meisten sind Frauen, viele sind alleinerziehend. Im dritten Jahr des Krieges ist für viele von ihnen fraglich geworden, ob sie in ihr Zuhause zurückkehren können.
Die Soziologin Sonja Dörfler-Bolt begleitet die ukrainischen Vertriebenen als Wissenschaftlerin ebenfalls seit drei Jahren. Österreich könnte mehr tun, um ihre Integration zu erleichtern, sagt sie. Es geht nicht nur um Geld, viel wichtiger sei ein leichterer Zugang zum Arbeitsmarkt.
Der Podcast mit Sonja Dörfler-Bolt
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Wir haben Leute aus der Ukraine zu uns bekommen, die ein sehr großes Potenzial für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft darstellen.
Sonja Dörfler-Bolt, Soziologin
Über Sonja Dörfler-Bolt
Sonja Dörfler-Bolt ist Soziologin und forscht am Österreichischen Institut für Familienforschung der Universität Wien zu Themen wie internationale Familienpolitik, Geschlechterrollen, Familie und Migration, Vereinbarkeit von Familie und Erwerb, Verhaltensökonomie und Familie. In mehreren Studien hat sie untersucht, wie die Vertriebenen aus der Ukraine mit Flucht und Vertreibung umgehen und wie umgekehrt Österreich mit ihnen umgeht.
Das Transkript zum Podcast mit Sonja Dörfler-Bolt
Es handelt sich um ein maschinell erstelltes Transkript. Offensichtliche Übertragungsfehler wurden korrigiert, uneindeutige Passagen in Klammern gesetzt. Fragen von Podcast-Host Karin Pollack sind kursiv. Antworten von Sonja Dörfler-Bolt in Normalschrift. Wenn Sie mehr hören möchten: Sie finden alle unsere bisherigen Podcasts hier.
Karin Pollack: Sehr geehrte Hörerinnen und Hörer, bevor wir mit dem heutigen Podcast starten, ein Einschub in eigener Sache. Der Pragmaticus-Podcast startet etwas Neues. Peter Filzmaier, bekannter Politologe aus Funk und Fernsehen, wird bei uns der Host einer neuen Show, in der es um, Überraschung, Alles außer Politik gehen wird.
Jeden dritten Donnerstag im Monat wird er mit seinen Gästen über Wirtschaft, Gesellschaft, Sport oder Wissenschaft sprechen. Der erste Gast ist Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr. und es wird um Österreich und das liebe Geld gehen. Aber jetzt einmal los mit dem Pragmaticus-Podcast der Woche.
Willkommen zu einer neuen Folge des Pragmaticus Podcast. Wir reden über Geopolitik, Wirtschaft und Wissenschaft. Mein Name ist Karin Pollack und ich freue mich, dass Sie wieder dabei sind. Der russische Angriffskrieg geht nun ins dritte Jahr und noch ist keine Aussicht auf Frieden. Die Russen greifen weiter an, die Ukraine verteidigt sich nach Kräften. Abnutzungskrieg ist das Wort, das Militärstrategen dafür verwenden.
Menschen, die aus der Ukraine vor dem Krieg geflüchtet sind, haben einstweilen wenig Hoffnung, dorthin wieder zurückkehren zu können. Zu unsicher ist die Situation, zu gefährlich für Leib und Leben. Aus Sicht des russischen Aggressors ist das sogar gewünscht, denn Flüchtlinge bzw das Erzeugen von Flüchtlingsströmen wird als Waffe betrachtet, die jene Länder, die Flüchtlinge aufnehmen, destabilisieren sollen.
Wir haben also den traurigen Jahrestag zum Anlass genommen, nachzufragen, wie es den Vertriebenen aus der Ukraine in Österreich geht. Die Datenlage dazu ist gut. Sonja Dörfler-Bolt, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlerin am Österreichischen Institut für Familienforschung der Universität Wien, hat zusammen mit Kollegen im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds Studien durchgeführt, die die Situation der Ukraine-Flüchtlinge in Österreich genauer beleuchtet. Darüber wollen wir heute reden. Schön, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
Gerne beginnen wir mit Zahlen, Daten, Fakten. Können Sie kurz umreißen, wie viele Ukraine-Vertriebene derzeit in Österreich leben und wie sich das in den vergangenen zwei Jahren verändert hat, so dass wir ein Bild der Situation bekommen?
Sonja Dörfler-Bolt: Ja, wir haben die Daten von heuer, von Beginn des Jahres noch nicht. Sie müssten jederzeit auch eintrudeln. Aber letztes Jahr waren es 80.000 ukrainische Staatsangehörige, die in Österreich gelebt haben. Diese Zahl hat sich nicht wesentlich (...), es hat sich ein bisschen, es ist vielleicht von 2023 70.000 bisschen gestiegen, aber im Grunde genommen ist der Großteil der Vertriebenen schon ziemlich unmittelbar nach Beginn des Krieges nach Österreich gekommen.
Vielleicht nur zum Hintergrund. Ich glaube, es leben 44 Millionen Menschen in der Ukraine, sechs Millionen sind geflüchtet. Österreich einen kleinen Anteil. Wo leben noch mehr?
Ja, also in Polen leben eigentlich am meisten von den Ukrainevertriebenen. Es gibt einen deutlichen Unterschied. Auch da gab es eine Untersuchung dazu, wer sozusagen nach Polen gegangen ist und wer ein bisschen weiter weggegangen ist, zum Beispiel Österreich, Deutschland. Und das sehen wir auch, dass wir, also Österreich und Deutschland, eigentlich jene Vertriebene haben, zu uns gekommen sind, die besonders gut ausgebildet sind und gebildet sind.
Das heißt, sie sind aber in erster Linie Frauen, nehme ich an, oder wie ist da die Verteilung?
Also es handelt sich hauptsächlich um Frauen und Kinder. 30 Prozent sind momentan in etwa Männer, also erwachsene Männer. Und dieser Anteil der Männer ist in den letzten Jahren etwas angestiegen. Seit Beginn des Krieges, also seit 2022, ist der Männeranteil leicht angestiegen.
Weil dazwischen liegt ja auch diese General Mobilmachung. Das heißt, Männer in der Ukraine müssen ja einrücken. Sind es dann Männer, die diesem Militärdienst „entflohen“ sind sozusagen?
Also das ist sehr schwierig zu erheben. Wir haben das versucht 2024 zu erheben, nur, natürlich, das Antwortverhalten ist dann, ich sage mal, sehr schwer abzuschätzen, inwieweit das im reellen Bereich liegt. Ja, die meisten Männer haben angegeben, sie sind legal nach Österreich eingereist. Also das würde ich ein bisschen bezweifeln, dass das auch stimmt. Aber natürlich hatten Männer mit einem Kind, also mit drei Kindern oder mit einem Kind mit Behinderung oder alleinerziehende Männer und auch bestimmte Berufsgruppen auf jeden Fall zu Beginn die ersten zwei Jahre das Recht, auch sozusagen das Land zu verlassen. Und die werden auch da sein. Es werden danach schon noch einige gekommen sein, die sozusagen dem Wehrdienst entgehen wollten. Das davon ist auszugehen.
Und wenn wir uns jetzt vorstellen, die flüchten, kommen hierher, Was machen die da alles? Welchen Status haben sie? Wie ist das Ganze bürokratisch sozusagen geregelt?
Ja, vielleicht Einmal beginne ich damit, wo sie eigentlich leben. Die Vertriebenen leben in Österreich, in den Städten. Also wir haben über 40 Prozent, 42 Prozent, die in Wien leben, gefolgt dann schon von Niederösterreich mit nur 16 Prozent und knapp dahinter die Steiermark. Das heißt, insgesamt gibt die Hälfte, oder mehr als die Hälfte, an, in einer Großstadt zu leben beziehungsweise dann auch noch rund 20 Prozent in einer Kleinstadt. Also sie leben im urbanen Bereich in Österreich hauptsächlich in Wien und haben einige Umzüge hinter sich, also, das haben wir auch erhoben, sind jetzt zu einem großen Teil in einer eigenen Mietwohnung. Davor waren das halt private Unterkünfte, Flüchtlingsunterkünfte etc. und es hat sich auch die Zufriedenheit mit der Wohnsituation verbessert.
Vielleicht jetzt noch zum rechtlichen Status. Der rechtliche Status sieht folgendermaßen aus dass es ein begrenztes Aufenthaltsrecht bis März 2026 derzeit gibt. Das wurde also zweimal bislang verlängert. Die Vertriebenen befinden sich in der Grundversorgung, das heißt, sie bekommen eine Geldleistungen in der Höhe wie subsidiär Schutzberechtigte und wie Asylwerber und -Werberinnen und nicht wie sozusagen anerkannte Asylberechtigte. Das heißt, sie haben keinen Zugang zu Mindestsicherung und Sozialhilfe, sondern bekommen eben diese Grundversorgung, die doch deutlich geringer ist und zusätzlich noch eine geringere Zuverdienstgrenze hat. Aber sie haben die Berechtigung, voll in den Arbeitsmarkt am Arbeitsmarkt teilzunehmen.
Es heißt ja immer, Österreich ist so großzügig. Ist Österreich wirklich so großzügig oder gibt es Länder, wo es mehr Geld gibt für Flüchtlinge?
Also ich würde sagen, dass Österreich gegenüber den Ukrainevertriebenen nicht sehr großzügig ist, was das Finanzielle jetzt betrifft. Da gibt es also Deutschland oder auch in Tschechien und so weiter Länder, wo man bessere finanzielle Leistungen beziehen kann, also monetär besser abgesichert ist.
Aber natürlich, Österreich hat den Vorteil, dass es geografisch relativ nah an der Ukraine ist. Das heißt, dann kann man auch zum Beispiel als ukrainische Frau schon mal in die Ukraine fahren und den Ehepartner besuchen, wenn der jetzt mal nicht an der Front ist oder andere Familienangehörige wie die Eltern, um die kümmern sie sich auch dann teilweise noch aus der Ferne und fahren halt immer wieder hin und besuchen ihre Verwandten und Angehörigen oder schauen auch nach dem Rechten im eigenen Haus, in der eigenen Wohnung.
Ich möchte jetzt noch einmal zurückdrehen an die Anfänge und zwar wie der Krieg begonnen hat, gab es dann im österreichischen Boulevard auch immer wieder wütende Berichte, dass plötzlich so viele riesige ukrainische Autos diese SUVs überall herumfahren und dass man sozusagen, wenn man ein Flüchtling ist, wie kann es sein, dass man so ein teures Auto hat? Also wie repräsentativ für die allgemeine Situation der Ukraine-Flüchtlinge waren solche Autos? Und hat sich da irgendwas verändert?
Ja, also der weit überwiegende Teil ist also ohne Auto nach Österreich gekommen. Wir haben das erhoben. Also kurz nach Ausbruch des Krieges im Frühjahr ´22 hatten 17 Prozent der Vertriebenen ein Auto überhaupt in Österreich und der Rest gar nicht. Das hat sich ein bisschen gesteigert. Also aktuell hat rund ein Viertel ein Auto in Österreich. Wobei ich da jetzt nichts über die Größe des Autos aussagen kann. Also der Großteil hat kein Auto, sondern ist mit Zug, Bus (oder) sonstigem nach Österreich gekommen. Und natürlich gibt es auch in der Ukraine wohlhabendere Leute und natürlich stechen dann diese Autos besonders ins Auge. Aber das ist der absolut geringste Anteil sozusagen von allen Vertriebenen.
Und von denen, die nach Österreich gekommen sind und sich hier etabliert haben. Wie schaut da die Erwerbssituation aus? Sie haben gesagt, sie dürfen arbeiten, das heißt, wie haben sie das gemacht? Was haben da Ihre Studien ergeben?
Ja, also wir haben uns eben angeschaut von ´22 ´23 bis ´24 die Erwerbsquote, und es war zu Beginn, also kurz nach Ausbruch des Krieges, waren neun Prozent erwerbstätig. Von den, was ich eigentlich auch schon erstaunlich viel ist von von den vertriebenen Frauen haben wir da damals noch befragt und 2024 waren es dann schließlich 44 Prozent, die bereits eine Erwerbstätigkeit hatten. Männer ein bisschen mehr als Frauen. Also das ist durchaus ein starkes Ansteigen der Erwerbstätigkeit innerhalb dieser (...). Das waren damals zwei Jahre.
Und wo sind die untergekommen, was machen die?
Also eigentlich sind sie in Bereichen untergekommen, die sozusagen weit unter ihrer Qualifikation liegen. Das haben wir eben auch abgefragt Und man sieht es auch. Es ist die Reinigungsbranche. Handel, Gastronomie, diese Bereiche.
Also das sind eigentlich Bereiche, wo Arbeitskräfte händeringend gesucht werden.
In Österreich ja. (Wir haben) aber auch gesehen, dass innerhalb dieses Zeitraums die Vertriebenen auch schon stärker in Feldern berufstätig sind, die eher ihrer Qualifikation entsprechen und wo besonders viele Leute gesucht werden. Und das heißt der Gesundheitsbereich. Also da sehen wir auch immer mehr Beschäftigte aus der Ukraine. Und ebenfalls im Bildungsbereich.
Sie haben auch gesagt, es sind sehr viele Frauen mit Kindern. Die Kinder, nehme ich an, gehen in die Schule. Jetzt sind eben fast drei Jahre vergangen. Haben die Deutsch gelernt? Wie gut haben die Deutsch gelernt? Ist sich das ausgegangen?
Ja, wir haben auch gesehen, dass gerade bei den Deutschkenntnissen der Anstieg der Qualifikationen enorm war. Das heißt, wir haben jetzt einen Großteil, die sowohl Deutsch sprechen als auch verstehen können. Zuerst versteht man ja in der Regel. Das heißt, da ist ein gewaltiger Fortschritt passiert, beim Erwerb der Deutschkenntnisse. Und es gibt auch vom Integrationsfonds die Erfahrung aus den Deutschkursen, die die anbieten, dass also die Bereitschaft und die Lernbereitschaft und der Fleiß besonders groß ist bei den Vertriebenen aus der Ukraine.
Das heißt, die wollen hier eine Existenz aufbauen oder wollen gut durchkommen oder was ist die Motivation?
Ja, also was wir gesehen haben, ist, dass am Anfang, also 2022, wie man sich vorstellen kann, noch viele gemeint haben oder einige gemeint haben, ja, sie möchten eigentlich schon wieder zurück in die Ukraine. Dieser Anteil ist absolut geschrumpft mit der Dauer des Krieges. Es will eigentlich kaum jemand von den Vertriebenen noch zurückkehren. Das hat natürlich damit zu tun, dass ich eben die Sprache erlerne, dass ich eine Erwerbstätigkeit habe oder vielleicht in einer Ausbildung oder in der Anerkennung der beruflichen Ausbildung bin, Nostrifizierungsprozesse gerade durchlaufen, und dass meine Kinder in der Schule sind, im Kindergarten sind und hier auch Freunde gefunden haben, die Sprache lernen. Natürlich, dann sinkt die Bereitschaft sozusagen auch wieder zurück zu gehen. Und natürlich ist es auch die Hoffnung, dass dieser Krieg wirklich bald zu Ende geht. Die wird immer kleiner beziehungsweise hat man natürlich auch eine komplett zerstörte Infrastruktur in der Ukraine und das hält natürlich auch davon ab.
Sie haben gesagt, die Erwerbsquote der ukrainischen Flüchtlinge liegt (...), glaube ich, haben Sie es?
Insgesamt 44 Prozent. Die Daten sind vom Frühjahr ´24, Wir haben jetzt leider keine neuen Bevölkerungsdaten noch von der Statistik. (Die) müssen dieser Tage rauskommen, dass wir das wieder berechnen können, die Erwerbsquote der Ukrainerinnen und Ukrainer.
Und ist es gut 44 Prozent jetzt insgesamt.
Ja, also das ist (...) selbstverständlich gut, Also wenn man das jetzt auch vergleicht mit anderen Flüchtlingsgruppen wie eben auch den Syrerinnen und Afghaninnen, da ist natürlich die Erwerbsquote deutlich geringer gewesen nach so einem Zeitraum von zwei Jahren. Damals waren es eben genau zwei Jahre, wie wir diese 44 Prozent erreicht haben. Wir müssen uns das mal vorstellen. Wenn wir in ein fremdes Land kommen würden, dort die Sprache erlernen müssen und und und unsere Berufsanerkennung vielleicht durchlaufen, uns orientieren, auch traumatisiert sind vom Krieg. Dass wir dann nach zwei Jahren im Erwerb stehen, das ist schon eine großartige Leistung.
Und gibt es Länder, wo diese Quote noch besser ist?
Ja, es gibt in den Niederlanden und Dänemark teilweise etwas höhere Erwerbsquoten, das ist richtig. Allerdings sind die Frauen dort und und auch die wenigen Männer in sehr niedrig qualifizierten Bereichen, weil natürlich, wenn ich schneller in den Erwerb komme, ohne zum Beispiel die Landessprache erlernt zu haben vorher, dann kann ich nicht in einen qualifizierten Job, also dann ist das nicht möglich. Das heißt, es macht schon Sinn, diesen Schritt zu machen. Zuerst Deutschkenntnisse erreichen und verbessern, wie das eben in Österreich auch gelaufen ist und dann in den Arbeitsmarkt. Dann habe ich einfach die Leute, die ja sehr hoch qualifiziert sind. Wir haben 75 Prozent Akademikerquote, und dann kann ich diese Leute auch in ihre eigentlichen Bereiche bringen. Und das bringt auch die Gesellschaft der Volkswirtschaft als Ganzes mehr.
Und ist (es) nicht so, dass in den Niederlanden dann auch sehr viel Englisch als Umgangssprache besser akzeptiert ist, als das in Österreich (der Fall) ist. Das heißt, mit Englisch kommt man dort schneller durch als hier bei uns in Österreich.
Ja, natürlich, Das ist auch ein Punkt, dass das dort viel weiter verbreitet ist. Man weiß, also Fernsehen usw gibt es viel auf englisch in den Niederlanden und da kommt man damit besser durch, nur in wirklich hochqualifizierten Jobs, dafür braucht man ebenfalls die Landessprache.
Aber nur um noch einmal, ich möchte ein Bild zeichnen dieser Vertriebenen. Was ist also eine klassische Vita von so einer vertriebenen Frau, nehmen wir mal, weil die die Mehrheit sind.
Das heißt, man kann es vielleicht gar nicht ganz allgemein sagen, aber ich würde sagen, es gibt viele Mütter, natürlich, ja, unter den Frauen, also das heißt mit Kindern unter 18 Jahren, wobei die Kinderlosen also auch einen sehr hohen Anteil ausmachen. Das hält sich in etwa die Waage. Und die Frauen, die Kinder haben, haben zumeist eigentlich nur ein Kind. Also das heißt, die Fertilitätsrate in der Ukraine war auch schon vor dem Krieg sehr gering, also noch geringer als in Österreich, und ist es natürlich jetzt noch umso mehr. Das Kind ist meistens schon im Schulalter, also im schulpflichtigen Alter.
Ja, und das heißt, sie haben eben diese Kinder. Sie sind hoch ausgebildet, haben meistens eine akademische Ausbildung, waren zumeist in der Ukraine schon erwerbstätig, auch mit Kind. Es sind doch die meisten jetzt mit Kindern auch verheiratet. Aber wir haben auch eine 20 prozentige Geschiedenen-Quote oder auch alleinstehend. Das heißt, der größte Teil hat eigentlich keinen Partner von den Frauen, weder in der Ukraine jetzt, noch in Österreich. So würde ich das jetzt mal kurz umreißen und und diese Frauen beschreiben.
Und was sind die Gründe für keine Erwerbstätigkeit?
Ganz oben ist der Grund, dass man zuerst Deutsch lernen will. Das hat wieder mit dieser hohen Qualifikation zu tun, dass man in diesem Bereich gerne arbeiten will, wo man vorher gearbeitet hat. Das ist eben auch der nächste Grund, weil man, dass man keinen Job findet, der sozusagen der Qualifikation entspricht. Dann ist es aber auch schon gleich die Kinderbetreuung und die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Und die Deutschkurse finden untertags statt. Ist das gut geregelt? Kann man als Mutter einen Deutschkurs machen, wenn das Kind in der Schule ist, oder gibt es da genug Angebot?
Ja, also wir haben gesehen, an sich sind die Vertriebenen sehr zufrieden mit den Deutschkurs-Angeboten. Allerdings es gibt schon die Einschränkung, bei denen mit kleinen Kindern ist es ein bisschen schwieriger, gibt es ein bisschen mehr Probleme. Es gibt zwar Onlinekurse ebenfalls, die auch am Abend jetzt wären, wenn die Kinder vielleicht schlafen. Aber im Grunde genommen wollen die meisten Vertriebenen lieber einen Face to face Kurs, weil sie da einfach besser lernen können. Die Onlinekurse werden nicht so gerne angenommen, aber im Prinzip wird das Angebot an Deutschkursen schon sehr positiv beurteilt.
Und es ist glaube ich auch so, ich habe die Studie gelesen, dass je mehr Deutschkenntnisse, umso zufriedener ist man auch und umso eher findet man sich in diesem System zurecht.
Richtig, die Lebenszufriedenheit steigt, je besser man Deutsch kann, was irgendwie auch auf der Hand liegt. Und auch die Rückkehrbereitschaft ist mit Deutschkenntnissen (...) und sozusagen will man eher weniger zurückkehren in die Ukraine. Also diejenigen, die zurückkehren, sind eher die, die beim Spracherwerb nicht mitkommen oder wenn der Partner noch sich in der Ukraine aufhält, dann sozusagen ist man auch eher geneigt, zurückzukehren oder zu wollen.
Gut, jetzt. Ich stelle mir mal vor, ich komme hierher, ich habe ein abgeschlossenes Studium, ich beginne in irgendeinem Niedriglohnsegment. Sie haben gesagt Reinigung, weil als Flüchtlinge muss man schauen, wie man da irgendwie durchkommt. Ich lerne Deutsch, denke ich an Nostifizierung meiner Ausbildung und wie einfach oder schwer ist es hier?
Das heißt also 50 Prozent der Frauen und 49 Prozent der Männer, also rund die Hälfte sozusagen, sind dabei oder wollen auf jeden Fall eine berufliche Anerkennung bzw. Nostriizierung erreichen und weitere zwölf Prozent haben bereits erfolgreich ihre berufliche Ausbildung anerkennen lassen können. Ich glaube bei einem Prozent wurde es bis jetzt abgelehnt. Nur elf Prozent planen gar nicht, das zu machen. Aber natürlich, (bei dem) hohen Bildungsstand der Vertriebenen ist es klar, dass das deren Interesse ist, das auch anerkennen zu lassen. Das ist kompliziert. Das ist in Österreich massiv kompliziert, vor allen Dingen wenn man nicht EU-Bürger oder EU-Bürgerin ist. Und selbst dann ist es noch schwierig.
Also das heißt, da braucht es natürlich auch einen langen Atem und ich denke mir, da wäre es wichtig, die Vertriebenen auch zu unterstützen, nämlich dann auch eventuell, wenn die Kurse machen müssen, um die Anerkennung zu erreichen. Da wäre es schon wichtig, eine gute finanzielle Absicherung zu bieten während dieser Zeit. Man kann das ja an einen Nachweis knüpfen, dass sie sich da weiterbilden und ihre Anerkennung erreichen wollen, ihre berufliche. Aber wenn ich natürlich in der Grundversorgung bin und eigentlich so wenig Geld nur zur Verfügung habe, Kinder da auch noch habe, Miete zahlen muss, weil die meisten haben eine Mietwohnung, dann wird es natürlich schwierig, dass ich mich auf das konzentrieren kann, auf diese berufliche Anerkennung. Und das kann dann dadurch das auch noch verzögern diesen Prozess. Es gibt da zwar auch so vereinzelt Förderungen für den Gesundheitsbereich zum Beispiel, aber ich glaube, es wäre wichtig, da breit anzusetzen, dass während so einer Phase die Vertriebenen auch finanziell abgesichert sind.
Weil wäre das auch ein Beitrag (...) gegen den Fachkräftemangel zum Beispiel?
Ja, also wir haben einen relativ hohen Anteil an Personen, die im Gesundheitsbereich eine Ausbildung in der Ukraine absolviert haben. Das heißt Ärztinnen, Krankenschwestern etc. und dann auch noch im Bildungsbereich. Das ist sowieso die größte Gruppe. Die Lehrerinnen waren Pädagoginnen, wie auch immer, und die natürlich auch bei uns eingesetzt werden können, sofern die sprachlichen Voraussetzungen passen. Aber im Endeffekt wären das Menschen, die unser Arbeitsmarkt dringend braucht.
Und jetzt nur um zu verstehen, wer geht wann aus der Grundversorgung raus?
Na ja, also sobald man ein gewisses Einkommen hat, erhält man keine Grundversorgung mehr. Also das ist eine relativ geringe Zuverdienstgrenze, die da, die es da gibt.
Das heißt, und diese Zuverdienstgrenze macht aber Sinn, dass die so ist?
Na ja, natürlich könnte man die höher gestalten. Das wäre sicherlich sinnvoller, weil sonst, natürlich dränge ich die Leute in die Schwarzarbeit auch. Ja, das wäre immer das eine. Entweder das höher gestalten, oder ich sage halt überhaupt nicht, ich führe die Leute über in die Sozialhilfe, Mindestsicherung und stelle sie damit gleich den anerkannten Asylwerberinnen und Asylwerbern. Damit haben sie dann einfach auch eine höhere Geldleistung während dieser Zeit und sind auch stärker geknüpft sozusagen an das AMS, an die Bereitschaft für den Arbeitsmarkt und andere.
Aber wird Österreich eigentlich von den Ukrainevertriebenen als gastfreundlich wahrgenommen oder finden die, da werden schon sehr viele Steine in den Weg gelegt?
Also insgesamt gefragt, wie sie sich so mit der österreichischen Bevölkerung, wie sie damit zurechtkommen und wie sie sich hier in Österreich fühlen. Und sie fühlen sich sehr willkommen hier in Österreich. Das sind sehr hohe und gute Werte und kommen auch sehr gut mit der österreichischen Bevölkerung zurecht. Das war die Rückmeldung, wo es Probleme gibt. Also auch gefragt, wo sozusagen gibt es Problembereiche und wo wünschen Sie sich mehr Unterstützung? Und das war also schon die finanzielle Seite. Das ist finanziell ist die Not am größten, aber auch die mentale Gesundheit und teilweise die physische Gesundheit. Also da sehen wir, dass sie sozusagen mehr Unterstützung sich wünschen würden.
Vor allem, weil sie ja oft auch Schreckliches erlebt haben.
Natürlich ja. Weil sie Schreckliches erlebt haben. Weil sie herausgerissen wurden aus ihrer Umgebung, aus ihrem Leben, aus ihren sozialen Netzwerken. Und das beeinträchtigt die mentale Gesundheit.
Eine Frage, die ich gern stellen würde, ist: Wie unterscheiden sich jetzt die Ukraine-Flüchtlinge von anderen Migranten-Gruppen? Ist es sozusagen ähnlich oder gibt es da spezielle Merkmale, die andere nicht haben? Oder würden sie das gar nicht so betrachten?
Ja, also selbstverständlich ist diese Hohe, dieser hohe Ausbildungsgrad, den die Ukrainerinnen und Ukrainer haben, mit 75 Prozent tertiäre Abschlüsse (...). Das haben andere Gruppen nicht, wie die Syrerinnen und Afghanen, die nach Österreich gekommen sind. Ja, und das wollen wir auch sagen. Das ist nicht, weil in der Ukraine so viele einen akademischen Abschluss haben, sondern weil diese Gruppe zu uns gekommen ist. Also in Polen schaut es anders aus. Die Ukrainerinnen und Ukrainer in Polen haben bei weitem nicht diese hohen Bildungsabschlüsse. Das heißt, wir haben eigentlich hier Leute aus der Ukraine zu uns bekommen, die ein sehr großes Potenzial für den österreichischen Arbeitsmarkt und die österreichische Wirtschaft darstellen. Jetzt abseits von allem Menschlichen.
Macht ja auch Sinn, weil Polnisch und Ukrainisch. Da muss man gar keine so wahnsinnig andere Sprache lernen, das versteht man so. Daumen mal PI mäßig. Ich denke, dass die Ukrainer und Ukrainerinnen sich offensichtlich ausgesucht haben, wo sie hingehen. Und das ist schon ein Unterschied zu vielleicht vielen anderen Gruppen.
Das würde ich jetzt nicht sagen. Ich glaube, vielleicht sind die Kriterien eine andere. Aber grundsätzlich gilt es generell für alle Flüchtlingsströme, dass je höher gebildet, desto weiter migriert man weg. Je weniger Bildung, aber auch sonstiges ökonomisches Kapital, desto eher flieht man innerhalb des Landes oder wirklich nur in die Nachbarländer. Das ist generell so, das ist nicht nur bei den Ukrainerinnen und Ukrainern.
Jetzt möchte ich noch eine Frage stellen. Sie sagen, drei Proznt derer, die hier leben, würden dann zurückkehren wollen, wenn der Krieg vorbei ist. Finden Sie das eine realistische Zahl? Weil umgekehrt könnte man sagen, wenn ich jetzt gefragt werde, ob ich in ein Land, in den Krieg zurückkehren will, dann sage ich natürlich Nein mit einer Verantwortung, die ich als Elternteil habe. Also könnte es sein, dass die geopolitischen Entwicklungen auch bestimmen, wie sehr Menschen wieder zurückkehren wollen?
Selbstverständlich. Und die drei Prozent waren auch nur diejenigen, die tatsächlich unmittelbar in den nächsten Wochen und Monaten planen zurückzukehren. Also mit konkreten Plänen, egal ob Krieg oder nicht Krieg. Das war unabhängig davon. Also wir haben natürlich gefragt, was generell wäre, auf lange Sicht irgendwann einmal zurückzukehren. Und da waren natürlich schon fast die Hälfte unentschlossen und haben gesagt wissen sie nicht. Aber wirklich konkret zurückkehren zu wollen, wenn dann vielleicht doch irgendwann einmal Frieden ist, das war eben nur ein kleiner Teil.
Selbst wenn, Frieden ist aber die Grundvoraussetzung dafür, dass ich überhaupt zurückkehre. Da sind wir auch gefragt ist das, (wenn) die russischen Truppen abgezogen sind? Weiters wichtig ist auch wenn ein Verwandter eine Verwandte dringend braucht, dann sind sehr oft die Eltern noch in der Ukraine. Was noch wesentlich war, war schon auch, dass das eigene Haus oder die Wohnung überhaupt noch da ist und vorhanden ist. Also das spielt auch eine große Rolle.
Auch immer ein Thema in Migrationsfragen: Wie sieht es mit dem Familiennachzug aus?
Ja, also im Prinzip sind natürlich Familienangehörige schon nachgekommen, hauptsächlich aus der Partner. Die Pläne, die diesbezüglich noch bestehen, ob das jetzt umgesetzt wird, ist die andere Frage. Aber wir haben halt gefragt, wie wahrscheinlich wäre das? Und als besonders wahrscheinlich wird eigentlich angesehen, dass man die eigene Mutter nach Österreich holt, dann gefolgt von Geschwistern und dem Vater.
Eine Frage, die mich jetzt interessiert, während ich Ihnen da zugehört habe, Warum wissen Sie das eigentlich so genau? Wie ist diese diese Studie gelaufen? Weil es ist ja nicht nur eine, sondern mehrere. Also, wie konnten Sie zu diesen Daten kommen?
Ja, also das war die hervorragende Zusammenarbeit mit dem österreichischen Integrationsfonds, die uns diese Chance eröffnet hat. Wir haben einen Fragebogen entwickelt, das haben wir also am Österreichischen Institut für Familienforschung. Das war eine Onlineerhebung und der Link zu unserem Fragebogen zu der Erhebung wurde weitergeleitet über den Integrationsfonds, weil die die Kontaktdaten hatten zu den Vertriebenen. Und die haben das dann per SMS den Link bekommen und
Haben das auch ausgefüllt.
Es war die Bereitschaft enorm. Es gab insgesamt drei Erhebungen, also das heißt, ich glaube, eineinhalb Monate war das. Nach dem Beginn des Krieges war die erste, 2022, dann ein Jahr später, 2023 und im Frühjahr dann 2024. Wir hoffen sehr darauf, und es würde auch sicher Sinn machen, weiter zu erheben. Ja, das hängt jetzt von unterschiedlichsten Faktoren ab. Ja, wir hoffen, dass wir auch bald mal eine Regierung bekommen. Das ist ein wichtiger Faktor. Und dann wird man weitersehen.
Genau aus wissenschaftlicher Sicht ist das ja immer gut, wenn man eine befriedigende Datenlage hat. Weil damit kann man ja auch qualifizierte Erkenntnisse schöpfen und auch vielleicht für die Zukunft, neue Strategien etc. (...) Also danke vielmals, dass Sie uns all diese Daten hier präsentiert haben. Sie werden sicher weiter beobachten und ich bedanke mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
Vielen herzlichen Dank auch für die Einladung.