Warum Menschen Fleisch lieben

Fleisch ist auf der ganzen Welt beliebt. Das hat verschiedenste Gründe; einige davon haben mit unserer Evolution zu tun, andere mit Macht und Männlichkeit.

Älterer Herr im Anzug beißt in einen Burger
Fleisch ist ein Statussymbol – und wird mit Männlichkeit in Verbindung gebracht. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Fleischeslust. Seit Anbeginn der Zeit sehnt sich der Mensch nach Fleisch. Dafür gibt es durchaus anthropologische Gründe.
  • Entwicklungsschub. Der frühe Mensch brauchte Fleisch zur Entwicklung seines Gehirns – es lieferte viel mehr Kalorien als Früchte und Gräser.
  • Rares Gut. Über lange Strecken der Menschheitsgeschichte war Fleisch den Eliten vorbehalten. Das machte es zum Symbol für Reichtum und Macht.
  • Überdosis. Heute haben wir Fleisch im Überfluss und kommen nicht davon los – obwohl wir es längst nicht mehr so brauchen, wie unsere Vorfahren.

An einem lauen Sommertag im Jahr 2013 saß ich in einem dunklen Hörsaal im Westen Londons, meine Augen starr auf eine Bühne gerichtet, auf der ein junger Koch einen Burger brutzelte. Die Gerüche, die mir in die Nase stiegen, ließen mir das Wasser im Mund zusammenlaufen: vollmundig, rauchig und würzig. Zu meiner Überraschung sehnte ich mich nach einem Bissen, obwohl ich seit zehn Jahren Vegetarierin bin.

Vielleicht reagierten meine Geschmacksknospen so, weil dieses spezielle Rindfleisch nicht von einer toten Kuh stammte – es kam aus einem Labor der Universität Maastricht, und mein Gehirn wusste, dass für dieses saubere Fleisch kein Tier geschlachtet wurde. Oder vielleicht bekam ich einfach Lust auf den Burger, weil ich als Homo sapiens das Verlangen nach bestimmten Geschmacksrichtungen entwickelt habe, die mit tierischem Eiweiß verbunden sind – doch dazu später. Bedauerlicherweise habe ich keinen Bissen des Burgers in London bekommen. Mit 1,7 Millionen Euro pro Kilogramm war das kultivierte Rindfleisch drei offiziellen Verkostern vorbehalten (die es als fleischähnlich, aber weniger intensiv beschrieben).

Fleisch machte uns menschlich

Nach dieser Erfahrung recherchierte ich, warum wir Menschen Fleisch so sehr lieben: Wir unternehmen nicht nur die größten Anstrengungen, um es im Labor zu replizieren, sondern können einfach nicht davon ablassen, egal ob es auf Kosten unserer Gesundheit, von Tieren oder der Umwelt geht. Was ich herausgefunden habe, ist, dass die Ursprünge grundsätzlich sowohl physiologisch als auch kulturell sind. Wir sind süchtig nach Fleisch, weil tierisches Eiweiß für unsere Vorfahren ein so nahrhaftes Nahrungsmittel war, dass einige Forscher behaupten, es habe uns „menschlich gemacht“. Und wir sind auch süchtig nach Fleisch, weil es im Laufe der Jahrtausende zum Symbol für Macht, Reichtum und Männlichkeit geworden ist.

Wir sind süchtig nach Fleisch, weil es zum Symbol für Macht, Reichtum und Männlichkeit geworden ist.

Höchstwahrscheinlich haben unsere Vorfahren vor etwa 2,5 Millionen Jahren begonnen, Savannentiere zu schlachten. In Gona in Ostäthiopien haben Wissenschaftler eine große Sammlung von Tierknochen aus dieser Zeit entdeckt auf denen Schnittspuren zu sehen sind – tiefe Kratzer, die von prähistorischen Fleischhauern verursacht wurden, die vielleicht etwas zu hart auf den Knochen aufschlugen, während sie das Fleisch von einem Kadaver abschabten. Es ergibt Sinn, dass unsere Vorfahren sich zu dieser Zeit für tierisches Eiweiß zu interessieren begannen. Das afrikanische Klima hat sich damals verändert, es wurde trockener und kühler, und die von Hominiden besiedelten Wälder verwandelten sich in spärlich bewaldetes Grasland. Als die Regenfälle nachließen, verschwanden ebenso die Früchte, Blätter und Blumen, auf die sich unsere Vorfahren als Nahrung verlassen hatten.

Auf der Jagd nach dem Hipparion

Auf den neuen Grasflächen wimmelte es nun von Weidetieren – von den klassischen Zebras und Antilopen bis hin zu Hipparien (ausgestorbene Dreizehenpferde) und Dinotherien (Tieren, die einer Kreuzung aus einem riesigen Elefanten und einem Ameisenbär ähnelten). Raubtiere wie Säbelzahntiger ernährten sich von diesen Weidetieren und ließen oft genug Fleisch zurück, das unsere Vorfahren als Aasfresser nutzten. Bald entdeckten die Hominiden, dass Fleisch nicht nur essbar, sondern auch voller Nährstoffe war: Fett, Eiweiß, Mineralien und Vitamine. Vor etwa 2 Millionen Jahren hielt Fleisch endgültig Einzug in die Ernährung der Hominiden. Aus dieser Zeit gibt es Belege für das, was Anthropologen „persistent carnivory“ nennen: Unsere Vorfahren kehrten immer wieder an denselben Ort zurück, um Tiere zu schlachten und zu essen.

Illustration of Deinotherium (Proboscideans)
Das Deinotherium war eine beliebte Nahrungsquelle des Frühmenschen. © Getty Images

Im Vergleich zu anderen Nahrungsmitteln, die Hominiden damals aßen – Früchte, Blätter oder sogar Gras –, war Fleisch das, was Paläoanthropologen als „hochwertige Nahrung“ bezeichnen. Eine kleine Antilope kann über 12.000 Kilokalorien und bis zu 2.600 Gramm Protein liefern. Um die gleiche Menge zu erhalten, müsste man an die 2.000 Feigen essen (die Lieblingsspeise der Schimpansen). Das ist der erste Hauptgrund, warum wir Menschen Fleisch lieben; es hat sich sozusagen in unsere Geschmacksnerven eingeprägt. Im Lauf der Jahrtausende haben wir uns so entwickelt, dass wir uns nach den Geschmäckern und Aromen sehnen, die mit Fleisch verbunden sind: Fett, umami und die Maillard-Reaktion. Die Textur und die Gerüche von Fett melden unserem Gehirn, dass Essen voller Kalorien und extrem wichtig ist, um als Jäger und Sammler zu überleben.

Die köstliche Bräunung

Das Nächste, das wir an Fleisch lieben, nennt sich umami. Neben süß und bitter ist es der fünfte Grundgeschmack. Im Japanischen bedeutet umami „köstlich“ und es signalisiert höchstwahrscheinlich die Gegenwart von Proteinen in der Nahrung. Da die Lebensmittel, auf die unsere Vorfahren angewiesen waren, im Allgemeinen proteinarm waren, war es für sie besonders wichtig, sich auf umamireiche Lebensmittel zu konzentrieren.

Und dann gibt es noch die Maillard-Reaktion. Die findet dann statt, wenn man bestimmte Lebensmittel, wie etwa Fleisch, in einer heißen, trockenen Umgebung zubereitet. Beispielsweise geschieht das, wenn Sie Burger grillen oder Speck braten – aber auch, wenn Sie Kekse backen oder ein Stück Brot toasten. Es ist diese Bräunung, die Sie sehen können und die köstlich riecht. Nach gängiger Theorie signalisierten die Gerüche unseren Vorfahren, dass Fleisch gegart und somit sicher zum Essen war, weil Parasiten und Bakterien abgetötet wurden.

Unser Gehirn will Fleisch

Die Nährstoffe, die in tierischem Fleisch enthalten sind, waren so wichtig für das Wohlbefinden unserer Vorfahren, dass einige Forscher behaupten, dass Fleisch uns tatsächlich zum Menschen gemacht hat. Vor etwa 1,7 bis 2 Millionen Jahren erlebten die Gehirne der Hominiden einen großen Wachstumsschub – etwas, was mit einer Ernährung aus Blättern und Früchten nur sehr schwer zu erreichen gewesen wäre. Ein menschliches Gehirn hat einen sehr hohen Verbrauch; es benötigt zehnmal mehr Energie für seine Erhaltung als die meisten anderen Organe. Hochwertige protein- und kalorienreiche Nahrung – wie eben Fleisch – kann diese Energie liefern.

Fleisch war für unsere Vorfahren so wichtig, dass einige Forscher behaupten, es habe uns menschlich gemacht.

Obwohl wir den Geschmack von Fleisch wegen der physiologischen Vorteile lieben, die unsere Vorfahren aus dem Verzehr von Zebras oder Gazellen zogen, ist das nur ein Teil der Geschichte. Der andere Teil ist die Symbolkraft des Fleisches und wie es sich in unserer Kultur und in unseren Köpfen festgesetzt hat. Diese zweite Geschichte beginnt ebenfalls vor etwa 2,5 Millionen Jahren, genau zu dem Zeitpunkt, als die Hominiden begannen, Tiere zu essen.

Fleischmumien und Yakschwänze

Fleisch ist ein eher ungewöhnliches Lebensmittel: Es verdirbt nicht nur schnell, sondern kommt auch in einer ziemlich großen Verpackung daher (zum Beispiel in Zebragröße). Das macht es zu einem perfekten Lebensmittel zum Teilen. Wenn unsere Vorfahren mit einer erbeuteten Antilope ins Lager zurückkehrten, die voller Kalorien und Proteine steckte, wollte jeder ein Stück davon haben. Bald begann die Politik. Wer bekommt den größten Brocken? Wer bekommt das beste Stück? In heutigen Jäger- und Sammlergesellschaften sind es oft die Frauen, denen die besten Fleischstücke vorenthalten werden.

Im Norden Tansanias, bei den Hadza, ist der Verzehr von fetten Teilen des Großwildes, epeme genannt, verboten. Vergehen werden mit Vergewaltigung oder der Todesstrafe geahndet. Auch Schimpansen nutzen Fleisch für ihre Politik. Wenn ein Alphamännchen in den Besitz von Fleisch kommt – meist ist es das eines Colobus-Affen –, nutzt er es, um Koalitionen zu bilden, und tauscht das Protein gegen Gefälligkeiten von anderen Männchen und gegen Sex mit Weibchen ein. Es scheint, dass selbst Schimpansen Fleisch mit Macht und Männlichkeit verbinden.

Ein Braunbär mit gehobener Tatze
Bärentatzen waren in China zu Zeiten der Zhou- und Han-Dynastien eine Delikatesse. © Getty Images

Im Laufe der Jahrtausende hat sich die Verbindung zwischen Fleisch, Macht und Reichtum tief in der menschlichen Kultur verankert. Fleisch war nahrhaft, aber knapp und teuer in der Beschaffung – als solches war der Fleischkonsum meist das Privileg der Wohlhabenden. Im alten Ägypten nahmen die Wohlhabenden „Fleischmumien“ mit ins Jenseits, um ihren Status zu demonstrieren (und als Proviant). Im Grab von König Tutanchamun fanden Archäologen 48 Holzkisten mit sorgfältig konservierten Rind- und Geflügelstücken.

Auch im Mittelalter war Fleisch meist dem Adel vorbehalten, während sich die Bauern von pflanzlicher Kost ernährten. Die europäische Aristokratie vertilgte sogar 1,3 Kilogramm Fleisch pro Person und Tag und schlemmte alles von Pfauen über Störche bis hin zu Fischottern. In China wurden während der Zhou- und Han-Dynastien die Reichen und Mächtigen wegen ihres üppigen Appetits auf Tierfleisch als „Fleischesser“ bezeichnet. Sie aßen Yakschwänze, Leopardenföten und Bärentatzen.

Fleisch und Männlichkeit

Im Westen hielten der ungleiche Zugang und die Verknappung von Fleisch bis weit ins 20. Jahrhundert an. Während der beiden Weltkriege verhängten verschiedene europäische Regierungen fleischfreie Tage über ihre Bürger. Im Jahr 1918 mussten sowohl die Franzosen als auch die Briten zweimal pro Woche auf Fleisch verzichten. 1940 begann in Großbritannien erneut eine Fleischrationierung, während in Belgien und Nordfrankreich die tägliche Standardration bei von Haus aus mageren zwanzig Gramm lag. Währenddessen konsumierten die Soldaten –Inbegriff von Macht und Männlichkeit – reichlich tierisches Eiweiß. Wie der amerikanische Anthropologe Sidney Mintz einmal schrieb: „Die meisten Soldaten hatten nie zuvor so viel Fleisch nachgeworfen bekommen.“

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Zahlen & Fakten

Je schwerer etwas zu bekommen ist, desto mehr neigen wir Menschen dazu, danach zu gieren – ein Effekt, den der Psychologe Robert Cialdini das „Knappheitsprinzip“ getauft hat. So wurde Fleisch zu einem Symbol für Reichtum und Macht, genau wie die weiße Haut europäischer Adelsdamen oder ihr Schmuck. Auch die Verbindung zwischen Fleisch und Männlichkeit blieb ein wesentliches Element der Menschheitsgeschichte, und das nicht nur, weil männliche Soldaten mit Extraportionen Schweine- oder Rindfleisch verköstigt wurden. In einer Parallele zum epeme-Tabu der Hadza glaubte der europäische Adel, dass einige Fleischsorten zu stark für den weiblichen Körperbau seien und als solche vermieden werden sollten. Im viktorianischen England zum Beispiel wurde schwangeren und stillenden Frauen geraten, rotes Fleisch zugunsten „zarterer“ Gerichte zu vermeiden.

Gesponserte Mythen

Natürlich leiden wir in der entwickelten Welt des 21. Jahrhunderts nicht mehr unter Fleischknappheit; bei den niedrigen Preisen ist tierisches Eiweiß auch nicht mehr den Reichen vorbehalten. Doch die symbolischen Verbindungen zwischen Fleisch und Männlichkeit, Reichtum und Macht sind weiterhin deutlich. Dafür gibt es viele Gründe. Zum einen neigen Esskulturen dazu, sich nur langsam zu verändern. In der Esskultur geht es um Identität, um die Verbindung zur Vergangenheit und zur Familie. Es geht um Zugehörigkeit. Eugene Anderson, Professor für Anthropologie an der University of California, sagt: „Eine vertraute Hausmannskost zu essen bedeutet, zu Hause zu sein, zumindest im Herzen – und im Magen.“

Es gibt noch einen anderen Grund, warum die Verbindung zwischen Fleisch, Reichtum und Männlichkeit stark in unseren Köpfen verankert bleibt – der Einfluss der Fleischindustrie. Um uns dazu zu bringen, weiterhin Fleisch zu essen, propagiert diese Industrie die Symbolkraft des Fleischkonsums durch die Werbung und verbreitet Mythen über tierisches Eiweiß durch Sponsoring von Forschung.

Dem Tofu bye-bye winken

In der westlichen Welt ist die Macht der Fleischindustrie nach wie vor ausgeprägt und allgegenwertig. Allein in den USA sind die jährlichen Fleischverkäufe höher als das Bruttoinlandsprodukt von Ungarn oder der Ukraine. Allerdings kontrollieren nur vier Schweinefleischproduzenten zwei Drittel des Marktes, und die top vier bei Rindfleisch besitzen etwa 75 Prozent des Marktes. Die französische Groupe Bigard, der größte Rindfleischverarbeiter in Europa, besitzt die Hälfte aller Schlachthöfe in Frankreich und erwirtschaftet einen Umsatz von 1,78 Milliarden Dollar.

Wenn Ihr Instinkt Ihnen sagt, dass eine vegetarische Ernährung nicht männlich ist, haben Sie recht.

Men's Health

Um ihr Geschäft zu schützen, verlässt sich die Viehindustrie seit Jahren auf die kulturelle Symbolik von Fleisch. Denken Sie zum Beispiel an die Werbungen, die Fleisch mit Männlichkeit und Stärke in Verbindung bringen. Burger King machte solche Werbung, genauso wie andere Fastfoodketten, ob Jack in the Box oder TGI Fridays. In einem Spot der US-Kette Del Taco hieß es, Rindfleisch nähre die Bestie im Mann, seine primitive, gewalttätige Männlichkeit. Im Burger-King-Werbespot „Manthem“ sollten Männer „Tofu bye-bye winken“ und „essen wie ein Mann“ (also Rindfleisch). Auch Medien verbreiten weiter die Idee, dass Fleisch ein notwendiges Nahrungsmittel für Männer sei. Men's Health, eines der Top-Lifestyle-Magazine für Männer, schreibt, dass „Gemüse für Mädchen“ sei: „Wenn Ihr Instinkt Ihnen sagt, dass eine vegetarische Ernährung nicht männlich ist, haben Sie recht.“

Fettes Sponsoring für Fleischstudien

Die Vorstellung, dass der Mensch Fleisch braucht, um gesund und stark zu bleiben, wird auch durch das Sponsoring von Forschungsarbeiten durch die Fleischindustrie genährt. Wenn Sie eine wissenschaftliche Studie sehen, die zeigt, dass der Verzehr von rotem Fleisch das Risiko von Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht erhöht oder dass eine proteinreiche Ernährung der richtige Weg ist, wurde diese Studie höchstwahrscheinlich von der Fleischindustrie finanziert.

In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2009 stellten Forscher, die von der National Cattlemen's Beef Association und dem National Pork Board finanziert wurden, fest: „Es gibt keine Beweise für einen unabhängigen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von tierischem Fett oder tierischem Protein und Darmkrebs.“ Dann berichtete 2014 eine andere Gruppe von Wissenschaftlern in Nature, dass es eine gute Idee sei, mageres Rindfleisch „in eine herzgesunde Ernährung einzubeziehen“ (Finanzierung: Beef Checkoff Program). Und 2015 stand im Nutrition Journal: „Die Ergebnisse unserer Analysen unterstützen keinen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von rotem Fleisch oder verarbeitetem Fleisch und Prostatakrebs“ (Finanzierung: National Cattlemen's Beef Association).

Ähnliche Beispiele gibt es im Überfluss. Natürlich könnte man argumentieren, dass das Sponsoring von Forschung nicht automatisch zu Studien führt, die den Fleischverzehr unterstützen. Eine Untersuchung der pharmazeutischen Industrie ergab jedoch, dass gesponserte Studien mehr als viermal wahrscheinlicher zu Gunsten des Sponsors ausfielen als solche, die keine Finanzierung erhielten. Solche Forschungen gelangen dann in die Medien, aber in der Regel ohne einen Vermerk über den Sponsor.

Unsere Gehirne haben es nicht kapiert

Die Menschheit isst seit mindestens 2,5 Millionen Jahren Fleisch, und es fällt uns aus kulturellen und geschmacklichen Gründen schwer, darauf zu verzichten. Dennoch ist mit dem 21. Jahrhundert der Zeitpunkt für eine Veränderung gekommen. Einerseits müssen wir unseren Fleischkonsum einfach dem Planeten zuliebe reduzieren. Von den Treibhausgasen, die der Mensch freisetzt, gehen 14,5 Prozent auf das Konto unserer Nutztiere. Wenn diese Zahl auch nicht so groß erscheinen mag, gilt es Folgendes zu bedenken: Das ist ungefähr so viel wie die Emissionen des gesamten Transportwesens zusammen.

Andererseits ist Fleisch auch nicht mehr das Wundernahrungsmittel, das es für unsere hominiden Vorfahren war. Unsere Vorfahren hatten nicht die Auswahl an Nahrungsmitteln, die wir heute haben; sie hatten nicht unseren Überfluss an Gemüse, Hülsenfrüchten und Körnern. Darüber hinaus haben sich unsere Prioritäten geändert. Für Hominiden bestand die größte Sorge darin, den nächsten Tag zu überleben, nicht zu verhungern oder von Raubtieren gefressen zu werden. Sie träumten nicht davon, ein Alter von 90 Jahren zu erreichen und einen langen Ruhestand zu verbringen, in dem sie um den Globus kreuzen könnten. Sie machten sich keine Sorgen, mit 50 Jahren Diabetes zu bekommen oder mit 60 einen Herzinfarkt. Erstens hatten sie keine Ahnung, dass der Verzehr von Fleisch solche Auswirkungen haben könnte, und zweitens haben die meisten von ihnen es gar nicht bis 50 oder 60 geschafft.

Wir aber wollen einen langen und gesunden Lebensabend haben – und die Krankheiten, die mit Fleisch in Verbindung gebracht werden, treten erst später im Leben auf. Unsere Prioritäten haben sich geändert, aber unsere Geschmacksnerven haben das noch nicht verstanden. Unsere Gehirne haben es nicht kapiert.

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Conclusio

Menschen werden vom Fleischkonsum nicht loskommen – aus anthropologischen wie kulturellen Gründen. Aber kultiviertes Fleisch könnte Teil der Antwort auf die Frage sein, wie wir unsere paläolithischen Geschmacksknospen und unsere kulturellen Erwartungen befriedigen können, ohne dem Planeten, den Tieren und vielleicht auch unserer eigenen Gesundheit zu schaden. Kultiviertes Fleisch könnte so optimiert werden, dass es weniger gesättigte Fettsäuren enthält, es könnte auch frei von Antibiotika oder schädlichen Bakterien wie Escherichia coli sein. Und wenn es anfangs teuer und schwer zu bekommen ist, könnte sich unsere Neigung, genau diese Dinge zu begehren, sogar als Vorteil für kultiviertes Fleisch erweisen. So könnte es unseren Appetit auf Fleisch ganz ohne dessen Nebenwirkungen stillen.