Wie Arminius die Römer besiegte

Aus alten Überlieferungen: wie der junge Germane Arminius vor zweitausend Jahren in der Varusschlacht das Römische Imperium vernichtend schlägt und so dessen Vormarsch in den Norden stoppt.

Die Illustration zeigt den Tribunen Arminius, der aus einzelnen Stücken besteht und gegenüber eines Soldaten des Römischen Heeres steht, der auf einem Pferd sitzt.
Im Jahre 9 n. Chr. besiegten die Germanen unter Arminius die römischen Truppen in der Varusschlacht. © Claudia Meitert

Die Römer brachten den wilden Germanen: Rechtssicherheit, Befriedung von inneren Kämpfen, Handel und Infrastruktur, Hygiene, medizinische Versorgung, Kultur und Weltblick. Geliebt wurden sie deswegen nicht. Die Germanen wollten lieber frei sein – auch wenn unter Freiheit im täglichen Leben nichts anders gemeint war, als frei zu sein von den oben aufgezählten Errungenschaften der Zivilisation. Lieber verdreckt, krank, ungebildet und zerstritten, als dem Römischen Reich tributpflichtig oder gar dankbar sein zu müssen.

Die Römer schlossen Verträge – Verträge mit Stammesführern, die weder lesen noch schreiben konnten und denen nicht zu trauen war. Jacob Grimm (1785–1863) erzählt in seinem umfangreichen Werk Deutsche Rechtsaltertümer zwar davon, dass die Germanen durchaus über ein Rechtssystem verfügten, das allerdings in so gut wie gar nichts dem Römischen Recht glich.

Um ihren Ansprüchen Gewicht zu verschaffen, installierten die Römer in manchen ihrer Provinzen ein inoffizielles Recht: Sie nahmen den ältesten Sohn des jeweiligen Stammesfürsten als Geisel. So geschehen um das Jahr fünf vor Christus weit oben im Teutoburger Wald. Arminius – so nannten ihn die Römer, sein wahrer Name ist unbekannt – war elf Jahre alt, als er als Pfand für Gehorsam nach Rom gebracht wurde.

Sein Vater Segimer, Fürst der Cherusker, sympathisierte durchaus mit der Besatzungsmacht und ihrer Zivilisation. Außerdem wurde ihm versichert, seinem Sohn werde es in der fernen Hauptstadt gut gehen – viel tausendmal besser als hier in der Wildnis. Und so war es auch. Arminius wurde vom römischen Hochadel adoptiert, sein Leben spielte sich in Kaisernähe ab. Der spätere Kaiser Tiberius persönlich habe an dem jungen Mann Gefallen gefunden und ihn oft zum Gespräch eingeladen. Arminius war intelligent, er lernte rasch die fremde Sprache, lernte Lesen und Schreiben, war bald in der Lage, sich gewandt und vornehm auszudrücken. Vor allem beeindruckt war Tiberius von dessen Interesse an militärischen Fragen und seinen manchmal naiven, oft aber überraschenden Vorschlägen.

Vorgespielte Integration …

Arminius ließ sich zum Offizier der römischen Armee ausbilden. Bald war er einer der jüngsten Tribune. Er galt als loyal, ein begeisterter Römer. Ein gelungenes Beispiel für Integration. Ein lebender Beweis für den Segen der römischen Zivilisation und Kultur. Ein Vorbild: Seht her, so weit könnt ihr es bringen, wenn ihr jeden Widerstand aufgebt, wenn ihr euch unterwerft, wenn ihr euch assimiliert!

Dann brachen Unruhen aus fern oben im Teutoburger Wald. Römische Militärlager seien überfallen worden, wurde gemeldet. Kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Stämmen bedrohten das Zusammenleben, bedrohten die Ruhe und das Geschäft. Die Berichte aus der Gegend waren alarmierend. Die Besatzungstruppen seien ratlos, niemand wisse, worum es eigentlich gehe. Niemand wisse, wer wessen Feind, wer wessen Verbündeter sei. Man verstehe diese Menschen einfach nicht. Der Kaiser schickte Arminius ins römische Lager beim Teutoburger Wald. Der Tribun kenne und verstehe diese Menschen, ihm werde es gelingen zu schlichten. Der Befehl lautete: Ruhe schaffen!

Die Wahrheit lautet: Er hasste die Römer, hatte sie immer gehasst. Er war immer Cherusker geblieben.

Arminius reiste nach Norden. Er traf auf seine Familie, seine Brüder, seine Schwestern. Die erkannten ihn anfangs nicht. Er kam als Autorität, ausgestattet mit einem kaiserlichen Befehl. Aber der bedeutete ihm nichts. Die Wahrheit lautet: Er war niemals loyal gewesen. Er hatte niemals die römische Macht anerkannt. Nicht in seinem Herzen. Die Wahrheit lautet: Er hasste die Römer, hatte sie immer gehasst. Er war immer ein Cherusker geblieben. Aber er hatte viel von den Römern gelernt. Zum Beispiel, wie man herrscht. Nämlich indem man alle Macht an sich reißt.

Arminius nützte seine Autorität, um die germanischen Stämme unter seinem Kommando zu vereinigen. Er tat das klandestin. Niemand in seinem Heer – dem römischen Heer – durfte davon erfahren. Im Geheimen stellte er ein eigenes Heer auf, er bildete Soldaten aus, wie sie in Rom ausgebildet wurden – mit gnadenloser Härte. Er fälschte die Meldungen nach Rom, behauptete, der Widerstand nehme zu, der Kaiser müsse mehr Truppen, stärkere Truppen schicken. Heerführer Tiberius beauftragte Statthalter Varus, Arminius zu Hilfe zu kommen – mit 15.000 Soldaten. Arminius hatte inzwischen einen Hinterhalt vorbereitet. Die römischen Truppen, so seine Empfehlung nach Rom, sollten durch den Teutoburger Wald marschieren, dort werde er sich mit ihnen vereinigen.

… als raffinierte Tarnung

Es war Verrat, Hochverrat – in den Augen der Römer. In den Augen der Germanen war es ein Akt der Treue gegenüber seinem Volk. Unter dem Kommando des Arminius wurde fast die gesamte Armee des Varus im Teutoburger Wald vernichtet. Der römische Historiker Tacitus schreibt, nicht ein Soldat sei am Leben geblieben, Arminius werde als „Befreier Germaniens“ gefeiert.

„Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder!“, soll Kaiser Augustus ausgerufen haben. Die Niederlage war so katastrophal, dass sich die Römer für immer aus diesen Gebieten zurückzogen.

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