Kann Biden überhaupt noch ersetzt werden?

Seit Bidens katastrophaler Debatte gegen Donald Trump reißen die Aufforderungen nicht ab, er möge als Kandidat zurückzutreten. Doch wenn er nicht will, wird es nahezu unmöglich, ihn abzusetzen.

US-Präsident Joe Biden bei der Präsidentschaftsdebatte am 27. Juni 2024 in den CNN-Studios.
US-Präsident Joe Biden bei der Präsidentschaftsdebatte am 27. Juni 2024 in den CNN-Studios. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Katastrophale Debatte. Nach seiner Leistung bei der Debatte gegen Trump werden die Rufe lauter, dass Biden zu alt für die Präsidentschaft sei.
  • Keine Einsicht. Biden sieht das offenbar anders und kündigte ihn, dass ihn nur „der Herrgott“ aus dem Rennen werfen könnte.
  • Wider Willen. Für viele stellt sich nun die Frage: Kann Biden gegen seinen Willen ersetzt werden?
  • Komplizierte Sache. Die grundsätzliche Antwort ist zwar ja, in der Praxis wäre es aber wegen verschiedener Faktoren nahezu unmöglich.

Am 27. Juni, während der ersten US-Präsidentschaftsdebatte 2024 zwischen Präsident Joe Biden und dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump, lieferte Präsident Biden eine Leistung ab, die weithin als die schlechteste in der Geschichte der US-Präsidentschaftsdebatten im TV bezeichnet wurde. Er wirkte desorientiert und seine Antworten waren schwer verständlich.

Seitdem fordern ihn immer mehr demokratische Politiker und einige ihrer reichsten Spender auf, das Rennen zu verlassen. Dass Biden einige Tage später ein ungeschnittenes, landesweit im Fernsehen ausgestrahltes Interview mit George Stephanopoulos (ein ehemaliger Stratege der Demokraten) gab, in dem Biden sich für seinen Verbleib im Rennen aussprach, änderte nichts; genauso wenig seine Ankündigung, dass lediglich „der Herrgott“ ihn aus dem Rennen bringen könnte.

Technisch gesehen ist Biden noch nicht einmal der Kandidat.

Das Weiße Haus besteht darauf, dass Biden sowohl körperlich als auch geistig für das Amt des Präsidenten geeignet ist, und es ist Biden tatsächlich gelungen, die öffentliche Unterstützung von zumindest Teilen seiner Partei zu gewinnen. Während er gleichzeitig versucht hat, den Schwerpunkt wieder darauf zu legen, dass er gegen Trump – wie schon 2020 – gewinnen kann. Aber im medialen Diskurs dominiert weiter die Frage, ob und wie Biden ersetzt werden kann.

Wenn die Führung der Demokratischen Partei will, dass Biden zurücktritt, könnte sie ihn dann nicht einfach abwählen? Der Parteitag der Demokraten, bei dem Biden offiziell nominiert wird, hat noch nicht einmal stattgefunden – technisch gesehen ist Biden also noch nicht einmal der Kandidat. Aber in den Vereinigten Staaten ist die Ablösung eines Kandidaten für ein gewähltes Amt, insbesondere für die Präsidentschaft, viel komplizierter als in anderen Ländern.

Biden und Trump sind beide extrem unbeliebt

Sowohl Biden als auch Trump sind in den Vereinigten Staaten äußerst unbeliebt. Dennoch sind beide die voraussichtlichen Kandidaten ihrer jeweiligen Parteien. Obwohl Trump bei den meisten Amerikanern unbeliebt ist (trotz der loyalen Unterstützung durch die republikanische Basis), deuten die Umfragen durchweg darauf hin, dass er mit größerer Wahrscheinlichkeit gewinnen wird als Biden. Laut Five Thirty-Eight sind 57 Prozent der Amerikaner mit Bidens Leistung als Präsident nicht einverstanden, während er eine Zustimmungsrate von nur 37 Prozent hat. Diese Zahlen haben sich seit 2021 kaum verändert.

Und das, obwohl die Regierung Biden eine ganze Reihe von wichtigen Errungenschaften vorzuweisen hat, darunter eine dramatische wirtschaftliche Erholung nach dem Ende der COVID-Pandemie. In jüngster Zeit wurde Biden vorgeworfen, er habe nicht genug entschiedene Schritte unternommen, um Israels Krieg in Gaza zu beenden. Er wurde auch für die hohe Inflation verantwortlich gemacht, obwohl die Inflation erheblich zurückgegangen ist und heute niedriger ist als zu der Zeit, als der republikanische Präsident Ronald Reagan 1984 eine erdrutschartige Wiederwahl gewann.

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Zahlen & Fakten

Die Debatte sollte Bedenken über Bidens Alter zerstreuen

Vor allem aber muss Biden die Wähler davon überzeugen, dass er mit 81 Jahren nicht zu alt ist, um weiter zu regieren. Das Gegenargument der Demokraten, dass Trump mit 78 Jahren fast so alt ist wie Biden, hat diese Bedenken kaum zerstreuen können.

Es war die Biden-Kampagne, die vorgeschlagen hatte, die Debatte früher abzuhalten, um die Dynamik des Wahlkampfes zu verändern.

Die Debatte im Juni 2024 fand mehrere Monate früher statt als die Präsidentschaftsdebatten der vergangenen Jahre, die immer im September oder Oktober stattfanden. Es war die Biden-Kampagne, die vorgeschlagen hatte, die Debatte früher abzuhalten, um die Dynamik des Wahlkampfes zu verändern. Die Debatte sollte vor allem ein Versuch sein, die Bedenken über sein Alter zu zerstreuen.

Ähnliches hatte Biden im März 2024 mit seiner Rede zur Lage der Nation versucht, einer jährlichen Rede des Präsidenten vor dem Kongress, dem Obersten Gerichtshof und wichtigen Persönlichkeiten der Exekutive. In dieser Rede war Biden energisch und spontan; er wehrte sich überzeugend gegen Zwischenrufe republikanischer Abgeordneter. Die Demokraten hatten gehofft und erwartet, dass Biden diese energiegeladene Leistung während der landesweit im Fernsehen übertragenen Debatte wiederholen würde.

Stattdessen schockierte Bidens stockender Auftritt das Establishment der Demokratischen Partei, und die Forderungen von Parteifunktionären, Spendern und Medienkommentatoren nach einem Wechsel wurden immer lauter.

Warum Biden also nicht einfach ersetzen?

Angesichts der zunehmenden Enttäuschung von Politikern und Spendern der Demokraten über Biden als Präsidentschaftskandidat könnte man meinen, dass es ziemlich einfach wäre, Biden durch einen anderen, besser geeigneten Kandidaten zu ersetzen. Zumal die Wahl noch vier Monate entfernt ist. Auch der Nationale Parteitag der Demokraten hat Biden noch nicht offiziell zum Kandidaten gekürt. Warum ist es also so schwierig, Biden als offiziellen Kandidaten der Demokraten abzusetzen? Der Grund dafür liegt in der komplizierten (man könnte sagen: verworrenen) Methode, mit der die Parteien in den USA ihre Präsidentschaftskandidaten nominieren.

Niemand hatte bewusst geplant, dass das Nominierungssystem für die US-Präsidentschaftswahlen so kompliziert sein würde. Zum Teil ist das auf das amerikanische föderalistische System und zum Teil darauf zurückzuführen, wie sich die Medienlandschaft seit den 1960er Jahren verändert hat.

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Zahlen & Fakten

Die Vereinigten Staaten entstanden aus einer Gruppe unabhängiger britischer Kolonien, die sich dann zu einer einheitlichen Regierung zusammenschlossen. Das führte dazu, dass die USA zu einem föderalistischen System wurden, also zu einem System, in dem die nationale Regierung die Macht und die administrativen Zuständigkeiten mit den regionalen Regierungen teilt – in diesem Fall mit jedem der fünfzig Bundesstaaten. Die meisten Gesetze, die sich auf das Leben der Menschen auswirken, werden auf der Ebene der Bundesstaaten erlassen und durchgesetzt.

Dieses System hat sich auch auf die Funktionsweise der politischen Parteien ausgewirkt, was zu der merkwürdigen und einzigartigen Situation geführt hat, dass politische Parteien als Organisationen auf Bundesstaatenebene und nicht auf nationaler Ebene gegründet wurden. Es gibt also weder eine einzige demokratische noch eine einzige republikanische Partei. Stattdessen ist jede „Partei“ in Wirklichkeit ein Konglomerat von fünfzig verschiedenen Parteien auf Staatsebene, die von einer nationalen Organisation zusammengehalten werden, nämlich dem Nationalen Komitee der Demokraten bzw. dem Nationalen Komitee der Republikaner.

Das Trauma des demokratischen Parteitags 1968

Als die Parteien im 19. Jahrhundert gegründet wurden, begannen sie, die Präsidentschaftskandidaten auf Parteitagen auf nationaler Ebene auszuwählen. Jede Partei in den Bundesstaaten entsandte Delegierte zu ihrem nationalen Parteitag, und die Delegierten stimmten wiederholt ab, bis einer der Kandidaten die Mehrheit der Stimmen erhielt (oder, wie es in der Demokratischen Partei viele Jahre lang der Fall war, eine Zweidrittelmehrheit). Dies führte zu langwierigen Kämpfen auf diesen nationalen Kongressen. Im Jahr 1924 beispielsweise dauerte der Parteitag der Demokraten zwei Wochen und 103 Abstimmungsrunden, weil die beiden Flügel der Partei tief gespalten waren: der progressive Flügel, der den Katholiken Al Smith unterstützte, und der Flügel des Ku-Klux-Klans.

Während des Parteitags der Demokraten 1968 in Chicago wurden Demonstranten, die gegen den Vietnamkrieg protestierten, von der Polizei verprügelt.

Dieses schwerfällige und mühsame Nominierungssystem hatte über ein Jahrhundert lang gut funktioniert, geriet dann aber in den 1960er Jahren aufgrund einer neuen technischen Innovation in Schwierigkeiten: dem Fernsehen. Die großen Fernsehsender begannen, die Kongresse live zu übertragen, was bedeutete, dass die Öffentlichkeit mit unangenehmen internen Konflikten innerhalb der einzelnen Parteien konfrontiert wurde. Auf dem Parteitag der Republikaner im Jahr 1964 zum Beispiel wurde die Öffentlichkeit Zeuge, wie einer der Kandidaten für die Nominierung, Nelson Rockefeller, von den Anhängern des Siegers, Barry Goldwater, ausgebuht wurde.

Während des Parteitags der Demokraten 1968 in Chicago wurden Demonstranten, die gegen den Vietnamkrieg protestierten, von der Polizei auf der Straße verprügelt, und die Polizei wurde dabei gefilmt, wie sie Delegierte auf dem Parteitag angriff und hinauszerrte. Viele Demokraten sind der Meinung, dass ein wesentlicher Grund für ihre Niederlage gegen den Republikaner Richard Nixon in jenem Jahr in ihrem desaströsen Parteitag lag.

Seit der Wahl 1972 gibt es Vorwahlen

Die Lösung für das Problem der Fernsehberichterstattung bestand darin, das Nominierungsverfahren innerhalb jeder Partei vor der Wahl 1972 zu reformieren. Anstatt dass die Landesparteien Delegierte auswählten, wurde beschlossen, dass diese Delegierten von der Öffentlichkeit in Vorwahlen und Caucuses (oder öffentlich zugänglichen Versammlungen) gewählt werden sollten. Den Kandidaten, die genügend Stimmen auf sich vereinigen, werden dann Personen zugeteilt, die sie als „Delegierte“ für den Nationalkongress auswählen. Diese Delegierten sind verpflichtet, für den Kandidaten zu stimmen, der sie ausgewählt hat – wobei sie nach den Regeln der Demokratischen Partei nicht dazu gezwungen werden können.

27. Juni 2024: Joe Biden und Donald Trump bei der Präsidentschaftsdebatte in den CNN-Studios.
27. Juni 2024: Joe Biden und Donald Trump bei der Präsidentschaftsdebatte in den CNN-Studios. © Getty Images

Zudem: Dieses Versprechen gilt nur für den ersten Wahlgang. Erhält in diesem ersten Wahlgang kein Kandidat die Mehrheit der Delegiertenstimmen, können alle Delegierten in allen folgenden Wahlgängen für einen Kandidaten ihrer Wahl stimmen. Seit 1952 hat jedoch kein Parteitag der Demokraten oder Republikaner in den Vereinigten Staaten mehr als einen Wahlgang gesehen.

Da die Auswahl des Kandidaten bereits weitgehend abgeschlossen war, bevor die Versammlung für den Parteitag auf nationaler Ebene überhaupt begann, wurde der Parteitag selbst zu einem viel besser vorhersehbaren und geplanten Ereignis. Zwar handelte es sich technisch gesehen immer noch um eine Versammlung zur Auswahl eines Präsidentschaftskandidaten, doch begann er sich mehr als viertägige Werbeveranstaltung zu präsentieren, bei der die politische Partei durch Fernsehübertragungen in Szene gesetzt wurde.

Die Probleme des Nominierungssystems

Ein solches Nominierungssystem birgt viele Probleme in sich. Es kostet die beiden großen Parteien in jedem Jahr der Präsidentschaftswahlen Milliarden von Dollar; es führt zu sehr öffentlichen innerparteilichen Konflikten, die später die Aussichten der Partei bei den allgemeinen Wahlen beeinträchtigen können; und es kann dazu führen, dass die Parteiführung die Kontrolle über die Nominierung ihrer eigenen Partei weitgehend verliert. Man bedenke, dass ohne ein solches System Donald Trump, der vor 2016 von der republikanischen Parteiführung weithin verabscheut wurde, beispielsweise nie die Nominierung der Republikanischen Partei im Jahr 2016 gewonnen hätte.

Dieses System bringt es mit sich, dass ein Kandidat, sobald er genügend bestätigte Delegierte gewonnen hat, tatsächlich zum Kandidaten der Partei wird. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, wie einem Kandidaten mit genügend Delegierten die Nominierung der Partei verwehrt werden kann: Der Kandidat wird ermutigt und überzeugt, von sich aus auszuscheiden, oder genügend gebundene Delegierte können beschließen, nicht mehr für „ihren“ Kandidaten zu stimmen, sodass kein Kandidat eine Stimmenmehrheit hat. Nach den Regeln der Demokratischen Partei dürfen diese Delegierten dann nach Abschluss des ersten Wahlgangs wählen, wen sie wollen.

Präsident Biden hat deutlich gemacht, dass er nicht die Absicht hat, von seinem Amt zurückzutreten.

Präsident Biden hat deutlich gemacht, dass er nicht die Absicht hat, von seinem Amt zurückzutreten. Unter der Annahme, dass er bei dieser Position bleibt, wäre die einzige Möglichkeit, ihn gegen seinen Willen von der Nominierung durch die Partei auszuschließen, die Ablehnung seiner Kandidatur durch die Delegierten. Dies ist ein schwieriges, wenn nicht gar unmögliches Unterfangen. Insgesamt gibt es 3979 Delegierte auf dem Parteitag der Demokraten.

Warum es praktisch unmöglich wäre

Nachdem Biden bei den Vorwahlen praktisch unangefochten angetreten war, hatte er 98 Prozent (3896) dieser Delegierten gewonnen. Um die Nominierung zu gewinnen, benötigt Biden nur 1976 Stimmen. Dies würde bedeuten, dass fast 2000 Delegierte, die für Biden stimmen müssten, ihre Stimme einem anderen Kandidaten geben. Das ist eine extrem hohe Zahl für ein solches Manöver.

Eine noch schwierigere Hürde für diejenigen, die Biden abwählen wollen, besteht darin, dass eine Reihe von Staaten, darunter Arizona, Massachusetts und Oregon, gesetzlich vorschreiben, dass die Delegierten ihres Staates im ersten Wahlgang des Parteitags nur für den Kandidaten stimmen dürfen, dem sie ihre Stimme gegeben haben. Sie dürfen sich nicht für einen anderen Kandidaten entscheiden. All diese Faktoren zusammengenommen bedeuten, dass es für die Demokratische Partei praktisch, wenn nicht gar mathematisch, unmöglich wäre, Biden abzusetzen, falls er auf dem Wahlzettel bleiben möchte.

Und was jetzt?

Zum jetzigen Zeitpunkt wäre das beste Szenario für diejenigen in der Demokratischen Partei, die Biden ersetzen wollen, wenn Biden selbst als Kandidat zurücktreten würde. Einige haben erklärt, dass Bidens schwache Leistung bei der Debatte als Segen angesehen werden könnte, da sie den Demokraten die Zeit und die Chance gibt, einen Neustart zu wagen.

Gewählt wird am 5. November. Vier Monate sind eine lange Zeitspanne in einem Präsidentschaftswahlkampf. Hätten sich diese Ereignisse viel später zugetragen, beispielsweise während einer Debatte im September oder Oktober, dann wären die Chancen der Demokratischen Partei auf einen Wahlsieg faktisch vorbei gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Nationalkongress der Demokraten bereits stattgefunden; die Bundesstaaten hätten Bidens Namen bereits auf den Stimmzettel gesetzt, ohne die Möglichkeit, ihn wieder zu entfernen, und die Demokratische Partei hätte keine Zeit gehabt, eine Alternative in Betracht zu ziehen oder ihre Wahlkampfstrategie zu ändern.

Dennoch ist die Zeit für diese Änderung sehr knapp bemessen. Viele Staaten verlangen von den Parteien, dass sie ihnen den Namen ihres Kandidaten bis Ende August, während oder kurz nach dem Ende des demokratischen Parteitags am 22. August, mitteilen.

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Zahlen & Fakten

Wenn Biden zurücktritt, gibt es für die Demokratische Partei zwei Möglichkeiten, ihn zu ersetzen. Die erste könnte darin bestehen, dass Biden seine Delegierten einfach freigibt und sie anweist, für Vizepräsidentin Kamala Harris zu stimmen. Auf diese Weise ließe sich ein größerer Konflikt darüber vermeiden, wer an Bidens Stelle treten würde, und außerdem könnte Harris einfach die Kampagnenorganisation übernehmen, der sie als Vizepräsidentschaftskandidatin bereits angehört. Es gibt jedoch Befürchtungen, dass eine solche politische Krönung oder „Salbung“ von Harris zu einem Backlash innerhalb der Demokratischen Partei führen könnte und die Partei nicht unbedingt den stärksten Kandidaten aufstellen würde.

Eine „Mini-Vorwahl“?

Das zweite diskutierte Szenario ist eine vom demokratischen Abgeordneten James Clyburn vorgeschlagene „Mini-Vorwahl“, bei der ein schneller Nominierungswettbewerb stattfindet. Befürworter argumentieren, dass dieses Verfahren nicht nur die Chancen erhöht, dass die Demokratische Partei den stärksten und fähigsten Kandidaten nominiert, sondern auch, dass der Wettbewerb für öffentliche Aufregung und Aufmerksamkeit sorgen würde. Die Idee ist, dass ein solches öffentliches Interesse nicht nur dem letztendlichen Kandidaten helfen, sondern auch das nationale Profil anderer demokratischer Politiker stärken würde.

Der Gewinner einer „Mini-Vorwahl“ (es sei denn, es wäre Vizepräsidentin Harris) müsste innerhalb weniger Wochen einen milliardenschweren Wahlkampfapparat aufbauen.

Ein solcher Ansatz birgt jedoch auch Probleme, unter anderem die Gefahr, dass es zu einem hektischen Gezerre zwischen den Demokraten kommt, die um die Nominierung kämpfen. Außerdem gibt es derzeit keine Einigkeit unter den Demokraten, die diesen alternativen Weg unterstützen würde, und der Gewinner (es sei denn, es wäre Vizepräsidentin Harris) müsste innerhalb weniger Wochen einen milliardenschweren Wahlkampfapparat aufbauen.

Während die Befürworter der Mini-Vorwahlen argumentieren, dass der erhöhte Medienfokus, den sie erzeugen würden, der Demokratischen Partei zugute kommen könnte, glauben andere, dass es der Demokratischen Partei besser ginge, wenn die Medienaufmerksamkeit auf Trump gerichtet bliebe. Einschließlich der Verschleierung seiner Unterstützung für den Plan „Projekt 2025“ – einem rechtsgerichteten Plan für eine radikale Machtübernahme der US-Regierung, sollte Trump die Wahl gewinnen.

Letzte Chance: Eine feindliche Übernahme

Sollte sich Biden jedoch weigern, zurückzutreten, und die Demokratische Partei bleibt entschlossen, ihn zu ersetzen, könnte dies auf eine feindliche Übernahme der Nominierung hinauslaufen. Das ist etwas, das keine der großen Parteien in der modernen politischen Ära versucht hat. Die Berufung auf den 25. Verfassungszusatz könnte es der Vizepräsidentin und der Mehrheit des Kabinetts des Präsidenten ermöglichen, den Präsidenten für unfähig zu erklären, die Pflichten des Amtes zu erfüllen, wodurch die Macht auf den Vizepräsidenten als amtierenden Präsidenten übertragen wird.

Es ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, dass dies geschieht. (Nach dem Sturm auf das US-Kapitol im Jänner 2021 hatte das von den Demokraten kontrollierte Repräsentantenhaus eine Resolution verabschiedet, in der der damalige Vizepräsident Mike Pence aufgefordert wurde, den 25. Verfassungszusatz zu aktivieren.)

Unabhängig davon, was in den nächsten Wochen geschieht, bewegen sich die Vereinigten Staaten auf politisches Neuland zu. Denn ganz unabhängig davon, ob Biden ausscheidet – und wenn, wie die Demokratische Partei ihn ersetzen wird –, bleibt die Ungewissheit darüber, wie sich dies alles auf die mit Sicherheit sehr hart umkämpfte Wahl im Jahr 2024 auswirken wird, extrem hoch.

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Conclusio

Es ist, wie es ist: Wenn die Demokraten es nicht schaffen, Joe Biden freiwillig zum Rückzug zu bewegen, wird er aller Voraussicht nach der Kandidat ihrer Partei sein. Ob ihnen das gefällt oder nicht. Es gäbe zwar die theoretische Möglichkeit, ihn noch zu ersetzen, praktisch gesehen ist das aber nahezu unmöglich. Und nicht zuletzt drängt sich angesichts der Unbeliebtheit von Vize-Präsidentin Kamala Harris auch keine Alternative auf.

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