Fliegen wie ein Habicht

Der Zugvogel hat ein Gefieder, das ihn schnell und wendig fliegen lässt. Wie man das in der Bionik nutzen kann.

Die Illustration zeigt einen Habicht, dessen Schatten eine Flugdrohne darstellt. Das Bild illustriert einen Artikel über Flugdrohnen, die nach dem Vorbild des Habichts gebaut sind.
Original und Kopie im Anflug: Mit ausgebreiteten Flügeln können Habicht und Drohne enge Kurven fliegen. Wenn sie weite Strecken schnell zurücklegen wollen, falten sie ihre Flügelspitzen zusammen. © Michael Pleesz

Flugdrohnen mit starren Flügeln spielen eine immer größere Rolle bei zivilen Anwendungen, etwa wenn Hilfskräfte sie nutzen, um sich einen Überblick über den Schauplatz einer Naturkatastrophe zu verschaffen. Oder beim Umwelt-Monitoring, bei Inspektionsmissionen oder zur Lieferung dringend benötigter Arzneien. Ihre Bauweise ermöglicht diesen Geräten einen schnellen und effizienten Flug über weite Strecken. Dabei brauchen sie weniger Energie als Multicopter-Drohnen, das sind Fluggeräte mit mehreren, senkrecht stehenden Rotoren. Dafür sind Drohnen mit starren Flügeln weniger gut in der Lage, zwischen Hindernissen zu manövrieren – etwa in Städten.

Ich versuche mit meinen Mitarbeitern eine Drohne zu entwickeln, die beides kann: effizient große Strecken zurücklegen und wendig zwischen Hindernissen durchsteuern. Die Natur hat schon einen solchen Flieger entwickelt: den Habicht. Dieser Zugvogel beherrscht einerseits den schnellen Flug, etwa wenn er einen Beutevogel über offenem Land verfolgt. Andererseits kann er auch auf kleinstem Raum enge Kurvenradien fliegen, zum Beispiel, wenn er im Wald zwischen Ästen und Zweigen unterwegs ist.

Gefiederte Flugdrohne

Also haben wir unsere Drohne nach seinem Vorbild entwickelt. Ein Vorteil für uns war, dass das Flugverhalten und die Anatomie des Habichts relativ gut erforscht sind; so konnten wir uns gut inspirieren lassen. Dieser Ansatz ist in meinem Fachgebiet – der Robotik – weitverbreitet: Wenn einem die Antworten ausgehen, dann nimmt man sich die Natur zum Vorbild. Denn die hat das Problem meistens längst gelöst. Ich habe auch schon den Flug von Insekten nachgebildet und deren Fähigkeit, die Umwelt mit ihren Facettenaugen wahrzunehmen.

Die Größe und das Gewicht eines Habichts entsprachen unseren Vorstellungen. Unsere Drohne hat die Proportionen des Vogels – und starre Flügel. Der Clou liegt jedoch in den Federn aus rotem Kunststoff, die wir an die Flügelenden und in den Schwanz montierten. Sie lassen sich auffächern und zusammenfalten. In unserem neuesten Modell lässt sich der ganze Schwanz drehen. Durch diese beweglichen Teile können wir die Form der Drohne und damit auch ihr aerodynamisches Profil den verschiedenen Anforderungen anpassen.

Wenn einem die Ideen ausgehen, dann nimmt man sich die Natur zum Vorbild.

Mit ausgebreiteten Federn ist sie wendig, kann also zwischen Hindernissen manövrieren. Doch dabei hat sie einen hohen Luftwiderstand, und an der Abrisskante der Flügel entstehen starke Verwirbelungen, wir nennen das parasitären Widerstand. Wenn wir die Federn zusammenfalten, sinkt der Luftwiderstand, die Drohne kann in dieser Konfiguration rasch und weit fliegen.

Schneller, höher, wendiger

Wir haben diese Drohne in ihren verschiedenen Betriebsmodi im Windkanal getestet – und dabei auch Erkenntnisse gewonnen, die selbst den Biologen neu waren. Schließlich war die Zeit reif für einen Test im Freien.

Für den Antrieb sorgen ein Elektromotor und ein Propeller, den wir dort platziert haben, wo bei einem Vogel der Schnabel sitzt. Als Piloten haben wir einen Mann gefunden, der sehr routiniert ist im Umgang mit ferngesteuerten Flugzeugen und Drohnen. Doch selbst für ihn war es schwer, alle Möglichkeiten der Drohne zu nutzen. Deshalb arbeiten wir jetzt daran, eine künstliche Intelligenz zu trainieren, die Drohne zu stabilisieren. Das Gerät könnte dann besser als bisher auf seitliche Winde reagieren.

Derzeit experimentieren wir mit einer zusätzlichen senkrechten Fläche auf dem Schwanz, ähnlich dem Leitwerk eines Flugzeugs. Damit könnte die Drohne wendiger werden. Später wollen wir auch eine Kamera einbauen, und irgendwann soll sie autonom Hindernissen ausweichen und Kurs halten können.

Unser aktuelles Modell kann noch keine Nutzlast an Bord nehmen. Aber das zu schaffen wird kein großes Problem sein, wir müssen nur den Auftrieb vergrößern. Der Auftrieb eines Flügels ist ja das Produkt aus der Fläche des Flügels und der Geschwindigkeit der Luft, die über diese Oberfläche streicht. Also müssen wir bloß den Flügel vergrößern oder die Fluggeschwindigkeit der Drohne erhöhen.

Besser als eine Rakete

Ob es ein Fluggerät geben könnte, das derart vielseitig fliegt, aber ganz anders aussieht als ein Vogel? Gute Frage. Möglicherweise könnte man eine Rakete bauen, die ihren Strahl in verschiedene Richtungen richten kann.

Aber ich denke, dass die Lösung für agilen Flug, wie ihn uns die Vögel vorzeigen, zwar nicht einfacher ist – dafür aber effizienter.

Künstliche Intelligenz

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