Die Grenzen der Abnehm-Pillen

Das eine Medikament, mit dem man ganz schnell abnimmt, gibt es wirklich. Der Mediziner Martin Clodi sieht allerdings auch die Grenzen dieses Ansatzes.

Zeichnung eines Speiseplans für eine ganze Woche. Die Zeichnung illustriert einen Beitrag über die Wirkung von Diabetes-Medikamenten zum Abnehmen.
Was uns satt macht und wie wir Zucker verwerten können, hängt unter anderem von den Genen ab – sie regulieren, welche Stoffe wir überhaupt bilden können. Der Zuckerstoffwechsel beruht nämlich auf komplexen Interaktionen von Gehirn, Fettgewebe und Darm und dem Austausch von Hormonen und Botenstoffen. © Julia Zott

Es gibt eine ganze Reihe von Diabetes-Medikamenten, die auch dabei helfen sollen, abzunehmen. In jüngster Zeit machte vor allem Ozempic von sich reden. Der Mediziner Martin Clodi sieht in diesen Medikamenten auch tatsächlich einen Game Changer – allerdings nur für Diabetiker. Will man dauerhaft abnehmen, geht es nicht ohne mehr Bewegung und weniger essen, sagt er und erklärt im Podcast die Zusammenhänge.

Der Podcast

Ohne Lebensstiländerung – mehr Bewegung, weniger essen – wird man auch mit Medikamenten nicht dauerhaft abnehmen.

Wie problematisch Übergewicht tatsächlich ist, werde vielfach unterschätzt, meint Martin Clodi. Die Folgen reichen von Diabetes Typ II bis zu Herzinsuffizienz und Schädigungen des Skeletts. In der Forschung und Wissenschaft sind diese Folgen von krankhaften Übergewicht oder Adipositas sehr gut erforscht. Jedoch weiß man noch relativ wenig darüber warum es eigentlich zu Übergewicht kommt – und warum die Diabetes-Medikamente geeignet sind, um beim Abnehmen zu helfen. Der Grund ist, dass der Zuckerstoffwechsel auf vielen komplexen biochemischen Interaktionen beruht, an denen der ganze Körper, auch das Gewebe, beteiligt ist. Diese Interaktionen sind noch nicht alle bekannt.

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Mysterischer Zuckerstoffwechsel

Im Zentrum des Zuckerstoffwechsels stehen Hunger- und Sättigungsgefühl. Diese Gefühle entstehen im Gehirn, aber ihr Zustandekommen hängt von Hormonen, Botenstoffen und auch von Sensationen, etwa dem Anblick von Essen, zusammen. Eine Schlüsselrolle spielt das Hormon GLP-1: GLP steht für Glucagon-like Peptide. Das Peptidhormon wird im Darm produziert und ist wichtig für die Steuerung des Glukosestoffwechsels.

Wenn wir Kohlenhydrate – Zucker – zu uns nehmen, werden Enzyme aktiv, die zunächst die Glukose isolieren. Die Glukose gelangt ins Blut, woraufhin Insulin ausgeschüttet wird. Ein weiterer Impuls für die Produktion von Insulin kommt aus dem Darm durch GLP-1. Es ist eines von – geschätzt – 15 Hormonen und Botenstoffen, die am Zuckerstoffwechsel beteiligt sind.

GLP-1 bewirkt unter anderem, dass weiteres Insulin in der Bauchspeicheldrüse produziert wird. Das Insulin sorgt wiederum dafür, dass der Zucker in die Muskelzellen und in die Fettzellen gelangt. Ein geringer Teil des aufgenommenen Zuckers wird in der Leber verstoffwechselt.

Neben der Insulin-Produktion ist GLP-1 auch an der Entstehung von Sättigungsgefühlen im Gehirn beteiligt, es wirkt als Regulator des Appetits.

Bei Patienten mit Diabetes ist die Bildung von GLP-1 permanent zu niedrig, sodass zu wenig Insulin gebildet wird, um den Blutzucker weiter zu transportieren. Viele Diabetes-Medikamente setzen also dort an, um die Insulinproduktion zu normalisieren. Diese Medikamente sind, so Clodi, erwiesen wirksam, um Diabetes zu behandeln..

Es gibt allerdings bisher keine Studien, die die Wirksamkeit bei Übergewicht belegen. Es kommt in der Regel zu einem Gewichtsverlust, da GLP-1 auch wie ein Appetitzügler wirkt. Dauerhaft abnehmen gelingt jedoch nur, wenn die Kalorienzufuhr nicht höher ist als der Energieverbrauch.

Drei Tipps fürs Abnehmen

Während Dieabetes-Medikamente tatsächlich beim Abnehmen helfen können, bleibt es also trotzdem wichtig, aktiv an den Ursachen von Übergewicht zu arbeiten.

Martin Clodi nennt für das zunehmende Übergewicht die altbekannten und doch wenig beachteten Gründe: „Seit Ende des Zweiten Weltkriegs nehmen wir zu. Da sich unsere Gene nicht sonderlich verändert haben und auch der Stoffwechsel auf dieselbe Art und Weise funktioniert, muss es andere Ursachen geben: Wir bewegen uns zu wenig und nehmen permanent mehr Kalorien auf als wir verbrauchen.“

Der Experte hat außerdem drei Tipps für ein gesundes Leben: „Sehen Sie Bewegung als ein Medikament an; machen Sie Pausen zwischen dem Essen und informieren Sie sich, wieviel Energie in Ihrem Essen steckt.“

Über Martin Clodi

Foto von Martin Clodi.
Martin Clodi. © KUK

Martin Clodi ist Universitätsprofessor, Leiter der Internen Abteilung im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Linz und der Präsident der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG). Codi ist ein Spezialist für Stoffwechselerkrankungen im Zusammenhang mit Übergewicht und mit Adipositas. Er hat hat das Klinische Forschungsinstitut für kardiovaskuläre und metabolische Forschung an der medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz mitbegründet. Clodi ist Autor des Pragmaticus.

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