Europa, einfach auflösen bitte

Der Drang zu immer mehr Zentralisierung wird die EU ruinieren. Unabhängige Kleinstaaten würden den Wettbewerb fördern und so die Innovationskraft stärken.

Brausetablette mit EU-Symbol löst sich in Wasserglas auf
Sind Kleinstaaten besser als eine Union? Hans-Hermann Hoppe erwartet und begrüßt eine Auflösung der EU. © Michael Pleesz
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Auf den Punkt gebracht

  • Friedfertig. Kleinstaaten treten selten als Aggressoren auf, ein großer Zentralstaat aber entwickelt militärische Ambitionen.
  • Ausbeuterisch. Staaten finanzieren sich durch Zwangsabgaben auf ihrem Territorium – ein weiterer Anreiz, sich auszudehnen.
  • Wachstumswunder. Europa verdankt seinen historischen Aufstieg der politischen Kleinteiligkeit, die Wettbewerb und Innovation begünstigte.
  • Dezentralisierung. Macht in Brüssel zu konzentrieren, hemmt den Wohlstand – zukunftsträchtiger wären viele selbstständige Kleinstaaten.

Nicht die Russen, die Ukrainer, die Deutschen oder die Amerikaner sind die Verursacher von Kriegen, sondern die Banditenbanden, die diese Länder beherrschen und die die Kosten eines Krieges auf die Zivilbevölkerung abwälzen können. Kleine Staaten führen allenfalls kleine Kriege. Dagegen sind große Staaten, die aus erfolgreichen früheren Kleinkriegen hervorgegangen sind, generell kriegsfreudiger und führen nicht nur kleine sondern auch größere Kriege. Allein das ist schon ein Grund für Kleinstaaterei, Dezentralisierung und eine Auflösung der EU.

Mehr im Dossier 5 Ideen für Europa

Stationäre Banditen

Staaten finanzieren sich durch Zwangsabgaben. Bezeichnenderweise haben Ökonomen wie Mancur Olson Regierungen – die Inhaber staatlicher Gewalt – deshalb auch als stationäre Banditen bezeichnet. Sie leben von der Beute, die man Personen auf ihrem Territorium geraubt hat – durch Gewaltandrohung und eingetriebene Steuern sowie durch buchstäblich aus dem Nichts geschaffenes Papiergeld. Naturgemäß bevorzugen Banditen eine größere Beute gegenüber einer kleineren.

Europas historischer Erfolg geht darauf zurück, Zentralisierung im Zaum gehalten zu haben.

Daher gibt es eine Tendenz zur territorialen Expansion und politischen Zentralisierung. Damit gelingt es Staaten, immer mehr Steuerzahler unter Kontrolle zu bringen und deren Abwanderung zu erschweren. Wenn man diesen Prozess konsequent weiter denkt, steht am Ende die Errichtung eines Welt-Staates, der mitnichten ein Segen für die ganze Menschheit wäre, obwohl das oft behauptet wird. Weil man aus einem Welt-Staat nicht auswandern kann, gibt es keine Möglichkeit, sich staatlichen Beutezügen durch Abwanderung zu entziehen. Ein Welt-Staat würde das Ausmaß staatlicher Ausbeutung über jedes bis dahin bekannte Maß hinaus steigern. 

Europäisches Wunder

Europas historischer wirtschaftlicher und politischer Erfolg geht darauf zurück, diese Zentralisierung im Zaum gehalten zu haben. Im Unterschied etwa zu China gab es in Europa seit dem frühen Mittelalter bis in die jüngere Vergangenheit hunderte unabhängige Herrschaftsgebiete. 

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Zahlen & Fakten

Manche Historiker haben diesen Zustand als „geordnete politische Anarchie“ beschrieben. Und es ist heute unter Wirtschaftshistorikern gängig, in diesem quasi-anarchischen Zustand einen wesentlichen Grund für das sogenannte „europäische Wunder“ zu erkennen. Denn in einem Umfeld mit einer großen Vielfalt unabhängiger kleinräumiger Herrschaftsbereiche ist es vergleichsweise einfach, mit den Füßen abzustimmen und sich den Räubereien staatlicher Herrscher durch Abwanderung zu entziehen. 

Um ansässige Produzenten bei der Stange zu halten, standen Machthaber unter hohem Druck, sich hinsichtlich ihrer Ausbeuterei zu mäßigen. Diese Mäßigung beförderte umgekehrt das wirtschaftliche Unternehmertum, die wissenschaftliche Neugier und die kulturelle Kreativität.

Problem Überregulierung

Heute geht die Tendenz in die umgekehrte Richtung. Die EU und die europäische Zentralbank (EZB) sind der erste Schritt hin zu einem europäischen Superstaat. Ihnen ging es nie um freien internationalen Handel und Wettbewerb. Dafür braucht man keine abertausend Seiten Papier, voll mit Verordnungen und Regulierungen! Vielmehr ging es immer und vor allem um eine Aufwärts-Harmonisierung der Steuer-, Gesetzes- und Regelungsvorschriften sämtlicher Mitgliedsstaaten, um auf diese Weise jeden wirtschaftlichen Standortwettbewerb zu verringern oder ganz zu eliminieren. 

Die EU wird von einer Krise in die nächste taumeln und am Ende auseinanderbrechen.

Denn wenn die Steuersätze und die staatlichen Regulierungen überall gleich sind, gibt es für produktive Personen immer weniger wirtschaftliche Gründe, ihre Tätigkeiten an einen anderen Standort zu verlegen. Umso ungestörter können die stationären Banditen mit dem Beutemachen fortfahren. Dazu kommt, dass die derzeitige EU nur so lange zusammenhält, wie die wohlhabenderen unter ihnen – allen voran Deutschland – Willens und in der Lage sind, ihre bedürftigeren Kollegen im Süden und Osten mit ihren weniger produktiven Steuerzahlern dauerhaft und in großem Stil finanziell zu unterstützen. Zum Nachteil der eigenen Bevölkerung!

Krisen werden die EU auflösen

Die EU und die EZB sind moralische und ökonomische Monstrositäten. Man kann nicht kontinuierlich Produktivität und wirtschaftlichen Erfolg bestrafen, während man Parasitentum, Verschwendung und wirtschaftlichen Misserfolg belohnt, ohne dadurch ein Desaster herbeizuführen. Die EU wird von einer Krise in die nächste taumeln und am Ende auseinanderbrechen.

Angesichts dessen erscheint es dringlich, eine klare Vorstellung möglicher Alternativen zum gegenwärtigen Kurs zunehmender politischer Zentralisierung zu gewinnen. Dabei sollte die Erinnerung an das bereits erwähnte „Europäische Wunder“ wegweisend sein. Um Europa aufblühen zu lassen, ist eine radikale De-Zentralisierung erforderlich. Statt EU und EZB braucht es ein Europa, das aus tausenden Kleinstaaten besteht. Sie sollten miteinander durch freien Handel und einen globalen Goldstandard verbunden sein und im Wettbewerb um produktive Menschen stehen.

Kleinstaaten: Opfer der Großmächte

Erfordern die gegenwärtigen kriegerischen Ereignisse in der Ukraine eine Revision oder Korrektur der vorstehenden Analysen? Im Gegenteil. Wenn ein kleinerer Staat sich dem Expansionsdrang und der Bedrohung eines größeren gegenübersieht, hat er zwei Optionen: Er kann sich unterwerfen oder er kann versuchen, seine Unabhängigkeit zu bewahren. Und um dieses Ziel zu erreichen und dabei das Kriegsrisiko zu minimieren, gibt es für ihn nur ein Erfolg versprechendes Rezept: die Neutralität. Man mischt sich nicht in die inneren Angelegenheiten einer Großmacht ein und man bedroht oder provoziert sie nicht.

Und dies Neutralitätsgebot gilt umso mehr, wenn man sich wie im Fall der Ukraine gleichzeitig zwei Großmächten mit rivalisierenden Ansprüchen gegenübersieht und die Parteinahme für eine Seite eine zusätzliche Bedrohung für die andere bedeutet. Der Krieg ist das Resultat einer mehrfachen Missachtung dieses Gebots durch die Regierung der Ukraine.

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Conclusio

Staaten tendieren dazu, immer größer zu werden: Das betrifft die Steuerlast als auch das Territorium. Eine Tendenz zu einem europäischen Zentralstaat begünstigt die politischen Eliten, während Staatsbürger weniger Möglichkeiten haben, mit den Füßen abzustimmen. Würde man die EU auflösen, änderte sich das: Kleinstaaten, die sich im Wettbewerb um produktive Bürger befinden, schaffen günstigere Rahmenbedingungen, die wiederum den Wohlstand für alle erhöhen können.