Darum hat Europa den Handelskrieg verloren

Donald Trump hat Europa im Handelskrieg einen schlechten Deal aufgezwungen. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr erklärt, was schief gelaufen ist und welche Lehren wir daraus ziehen sollten.

Morgenbriefing beim Europäischen Forum Alpbach 2025 über Europa im Handelskrieg: WIFO-Chef Gabriel Felbermayr sitzt neben Pragmaticus-Chefredakteur Andreas Schnauder.
WIFO-Chef Gabriel Felbermayr und Der-Pragmaticus-Chefredakteur Andreas Schnauder beim Europäischen Forum Alpbach 2025. © EFA Ioana Cirlig

Es gibt Tage, an denen Einschneidendes passiert. In Sachen Handelspolitik war der 28. Juli 2025 so ein Datum. Die Zollverhandlungen zwischen den USA und der EU enden mit einer Niederlage: Auf EU-Exporte in die USA werden 15 Prozent Zoll eingehoben. Anlass für Pragmaticus-Chefredakteur Andreas Schnauder, das Thema Handelspolitik im Morning Briefing am Europäischen Forum Alpbach aufzugreifen.

Sein Gesprächsgast im Alpbacher Schulhäusl am Dienstagmorgen war WIFO-Chef Gabriel Felbermayr, der klare Worte für diesen Deal fand.  „Würde man dieses Ergebnis mit einem Fußball-Match vergleichen, dann hätte die EU gegen die USA mit 0:15 verloren.“ Irgendetwas Gutes oder zumindest Vorteilhaftes für einzelne Branchen in Europa, so Felbermayr, könne man diesem Deal nicht abgewinnen. „Trump hat damit die EU gezwungen, den bisher auf Multilateralismus ausgerichtete Handel mit zu zerstören“, so der WIFO-Chef. Die Zeiten einer florierenden Globalisierung seien damit ein für alle Male vorbei.

Europa im Handelskrieg unterlegen

„Doch hätte man Dinge in diesem Deal nicht etwa besser machen können?“ fragte Chefredakteur Andreas Schnauder seinen sichtlich wenig positiv eingestellten Gesprächspartner. Dieser identifizierte drei große Problembereiche, die Grund für das miese Ergebnis sind.

Erstens: Zu wenig Kampfbereitschaft in der EU. „Trumps Vorgehen ist aggressiv, die EU hat darauf nicht adäquat reagiert“, so Felbermayr. Als Beispiel nannte er die Tatsache, dass Vertreter der EU bereits im Vorfeld öffentlich wissen ließen, dass die EU sich mit den USA einigen würde. Das habe die Verhandlungsposition extrem verschlechtert. „Zudem“, ist der WIFO-Chef überzeugt, „hätte die EU den Kampf mit den USA zumindest eine Zeit lang aushalten können.“ Eskalationspotenziale nutzen, nennt er diese Taktik, die in aggressiven Verhandlungen helfen können.

Ein zweiter Grund für die schlechten Verhandlungsergebnisse liegt in der Organisationsstruktur der EU selbst. Das Verhandlungsteam der EU, schätzt Felbermayr, hatte alle Hände voll zu tun, die 27 Mitgliedsstaaten auf Linie zu bringen, zu unterschiedlich seien die Interessen der Mitglieder.

Und drittens hätte man sich stärker bemühen sollen, mit Partnern außerhalb der EU wie zum Beispiel Kanada zu verbünden, um durch Allianzen die eigene Position zu stärken. Auch das sei nicht passiert.

Sicherheitslücke

Doch der alles entscheidende Grund liegt gar nicht in der Handelspolitik selbst, sondern in der geopolitischen Situation. Um den russischen Attacken standhalten zu können, braucht die Ukraine amerikanische Waffen, die die EU derzeit schlicht nicht liefern kann. „Wir können davon ausgehen, dass Trump die EU in diesen Verhandlungen damit einfach erpresst hat.“ Zugeständnisse beim Zoll versus Unterstützung der Ukraine durch US-Waffenlieferungen, so in etwa könne der Deal abgelaufen sein.

Die Lehre daraus: „Europa muss in seine Verteidigung investieren“, ist Felbermayr überzeugt und sieht in dieser Aufrüstung eine Notwendigkeit, um zukünftig auch wirtschaftlich neue Strategien entwickeln zu können. Denn in der allgemein aggressiven Stimmung, die Politiker wie US-Präsident Donald Trump weltweit verbreitet, ist die eigene Verteidigungsfähigkeit alternativlos. Das gälte übrigens auch für andere nationalistische und tendenziell autoritär geführte Staaten wie etwa China oder Indien.

Geoeconomics gefragt

Die Verquickung von Politik, Sicherheit und Wirtschaft ist in dieser Form also vollkommen neu, sagte Felbermayr. Und deshalb ist es auch kein Zufall, dass am Europäischen Forum Alpbach in vielen Sessions Geoeconomics das Thema der Stunde war. „Geoeconomics kommt in unseren Lehrbüchern bisher nicht vor“, so Felbermayr und ortet dringenden Nachholbedarf. Im Grunde genommen bedeute Geoeconomics auch, dass Silos zwischen unterschiedlichen Disziplinen aufgebrochen werden müssen. Wirtschaftlichen Strategien müssten in Zukunft unter Berücksichtigung von politischen Sachlagen und allgemeinen Sicherheitsfragen diskutiert werden. „Das politische Powerplay von Handelspartnern mit ins Kalkül ziehen“, bringt es Felbermayr auf den Punkt. Europa müsse also neu und anders denken und handeln lernen, das sei nicht optional sondern überlebensnotwendig.

Wir fordern zu viel und geben zu wenig

Gabriel Felbermayr

Zum Ende der Diskussion brachte Chefredakteur Andreas Schnauder das Handelsabkommen Mercosur als etwaige neue Strategie ins Spiel. Wenn die USA wegfällt, sollte sich die EU neuen Partnern in Südamerika zuwenden. Doch bei einem Handelsabkommen mit Südamerika müsse sich die Europa neu ausrichten. „Wir fordern zu viel und geben zu wenig“, resümierte der WIFO-Chef und das gelte auch für andere Handelspartner in afrikanischen Ländern. Denn auch die EU sei durchaus protektionistisch unterwegs und müsse sich in der allgemeinen Stimmung am Weltmarkt als attraktiver Handelspartner besser als bisher positionieren.

Neutralität überdenken?

Doch wie auch immer die Zukunft der globalen Handelspolitik aussehen wird, die EU braucht mehr Zusammenhalt. Vor allem für kleine Länder wie Österreich oder Luxemburg sind Allianzen überlebenswichtig, so Felbermayr. „Kleine Volkswirtschaften gehen in einer tendenziell anarchischen Welt, wie sie sich jetzt ankündigt, am schnellsten zugrunde.“ Sein Ratschlag: Die Frage der österreichischen Neutralität neu bewerten.

Die Quintessenz dieses Morning Briefings war tendenziell besorgniserregend. Die glorreichen Tage der Globalisierung sind Geschichte. Europa muss sich auf eine neue aggressive Stimmung am Welmarkt einstellen. Und Europas Verteidigungsfähigkeit wird die Grundvoraussetzung sein, um seine Stellung am Weltmarkt zu verteidigen. Dass man mit Trump verhandeln könne, hat Jean-Claude Juncker in der Vergangenheit eindrücklich bewiesen. „Und wir müssen den innereuropäischen Markt vertiefen“, sagt Felbermayr. Zum Abschluss zitierte er Douglas Irwins Buch „Freetrade under Fire“, demzufolge sich die Wirtschaft in Zyklen zwischen Anarchie und Stabilität weiterentwickelt. „Aktuell herrscht Chaos, und es könnte noch schlimmer werden.“ Felbermayrs Gegenrezept: Ökonomen müssen das Spiel mit der politischen Macht lernen – um standhalten zu können.

Weiterführende Links

Gemeinsames Statement der EU und USA zum Handelsdeal

Unser Newsletter