Trump-Zölle: Legal, illegal, sche*egal?
Die Trump-Zölle könnten eine neue Weltwirtschaftskrise auslösen. Außerdem widersprechen sie den zentralen rechtlichen Grundsätzen des Welthandels. Eine Übersicht.

2025 ist für Österreich ein mehrfaches Jubiläumsjahr: 80 Jahre seit Ende des Zweiten Weltkriegs, 70 Jahre seit Abzug der Alliierten, 30 Jahre EU-Beitritt und – gerne übersehen – 30 Jahre seit Gründung der Welthandelsorganisation (WTO), bei der Österreich zu den Gründungsmitgliedern zählt.
Mehr von Ralph Janik
Die WTO beinhaltet das globale Regelwerk zum Handel zwischen den ihr angehörenden mittlerweile 166, teils höchst unterschiedlichen, Volkswirtschaften. Sie dient als Verhandlungsort und als Forum zur Beilegung von Handelsstreitigkeiten. Unterschiedliche Auffassungen zu Demokratie, Menschenrechten oder Religion sind dabei von allenfalls untergeordneter Bedeutung. Handel kann und soll politische Grenzen überwinden, im Idealfall gar überbrücken und zu Annäherung führen.
Soweit der Anspruch. In der Realität steckt die WTO in einer massiven Krise. US-Präsident Donald Trump gibt ihr die Schuld daran, dass die Industrie abgewandert ist und China zu einem ökonomischen Riesen wurde. Von den Mitgliedern des höchsten WTO-Gerichts (der „Appellate Body“) fühlte er sich so ungerecht behandelt, dass er kurzerhand ihre Nachbesetzung verhinderte. Seit Dezember 2019 ist es daher handlungsunfähig. Vor Kurzem hat Trump außerdem verlautbart, die US-Zahlungen an die WTO, immerhin gute 11 Prozent ihres Budgets, auszusetzen.
Dabei spielten die USA bei der Errichtung der WTO eine tragende Rolle. Der Grundgedanke war und ist klar: Handel bringt Wohlstand. Reichere Länder sollten von billigeren Gütern profitieren und ärmere Länder wiederum möglichst einfach exportieren können: Hilfe für den Handel („Aid for Trade“) statt (vielfach gescheiterter) Entwicklungshilfe. Abgesehen davon hoffte man damals, dass Wirtschaftswachstum zu Demokratisierung und mehr Freiheit führen würde. Das war eines der Hauptargumente für die Aufnahme Chinas 2001. Stellte sich doch die Grundsatzfrage, ob und wie man eine der größten Volkswirtschaften überhaupt isolieren kann – China wäre auch ohne WTO-Beitritt weiter gewachsen.
Grundsätze der WTO
Die WTO fußt auf simplen Grundsätzen, die sich bereits in einem früheren völkerrechtlichen Vertrag finden, dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT, für General Agreement on Tariffs and Trade) aus dem Jahr 1947: Gleichbehandlung, die Möglichkeit, gegen „unfairen“ Handel, also Dumping oder Subventionen vorzugehen, ein Verbot von mengenmäßigen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen und die Verpflichtung, regelmäßig über den Abbau von Handelsbarrieren zu verhandeln.
Wenn Dumping oder Subventionen nur wenige Produkte betreffen oder nur geringe Ausmaße annehmen, sind sie zu tolerieren.
Davon gibt es freilich zahlreiche Ausnahmen: Eine Bevorzugung von einzelnen Handelspartnern ist möglich, wenn man ein Freihandelsabkommen schließt, das „den Hauptteil des Außenhandels“ abdeckt, also nicht nur für vereinzelte Produkte geschlossen wird (weswegen die EU-Mitglieder einander besser behandeln können als beispielsweise die USA oder China). Wenn Dumping oder Subventionen nur wenige Produkte betreffen oder nur geringe Ausmaße annehmen, sind sie zu tolerieren. Während der Frühphase der Coronavirus-Pandemie durften die USA den Export von Gesichtsmasken einschränken, weil sie sie selbst brauchten.
Reizthema Trump-Zölle
Zölle sind erlaubt, wenngleich nicht gern gesehen: Artikel XXVIII des GATT zufolge wissen die WTO-Mitglieder, „dass Zölle den Handel oft erheblich behindern“. Daher sollen sie regelmäßig Verhandlungen führen, „die eine wesentliche Herabsetzung des allgemeinen Niveaus der Zölle (...) bezwecken“, wie es dort weiter heißt. Dazu sollen Länder eigene „Listen der Zugeständnisse“ anlegen, in denen sie ihre – verpflichtenden – Maximalzölle festlegen (Artikel II GATT).
In der Vergangenheit haben zahlreiche derartige Verhandlungsrunden stattgefunden, die das allgemeine Zollniveau erheblich reduziert haben. Das gilt auch für die USA, die vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs phasenweise bis zu knapp 60 Prozent eingehoben hatten. Großen Anteil daran hatte der als Reaktion auf den „Schwarzen Freitag“ verabschiedete Smoot-Hawley Tariff Act aus dem Jahr 1930. 2024 lagen die US-Zölle bei gerade einmal 2,5 Prozent. Jetzt dürften sie auf 24 % steigen.
Damit verletzen die USA das Recht des Welthandels auf mehrfache Weise: Zum einen, weil sie ihre Handelspartner ungleich behandeln, indem für Erzeugnisse aus Ländern wie China oder auch der Schweiz (!) besonders hohe Zölle anfallen, für Länder wie das Vereinigte Königreich wiederum lediglich 10 Prozent und für Russland gar keine (!). Zum anderen, weil die USA ihre Maximal-Zölle vielfach überschreiten. Das war in der Vergangenheit bereits im Zusammenhang mit Stahl passiert, heute betrifft es jedes erdenkliche Erzeugnis. Damals wie heute lässt Trump sich vom Recht nicht stoppen.
Eine endgültige Entscheidung gab es nie, weil die USA, wie gesagt, das WTO-Höchstgericht im Alleingang lahmgelegt haben.
Dabei fällt auf, dass er nicht einmal mehr nach einer rechtlichen Begründung sucht. Bei den Stahl-Zöllen sprach Trump noch von „wirtschaftlicher“ und sonstiger Sicherheit: „Stahl ist Stahl, wenn du keinen Stahl hast, hast du kein Land“, tönte er damals. Das GATT beinhaltet in der Tat eine Ausnahmeregelung, die Abweichungen vom WTO-Recht im Namen der nationalen Sicherheit erlaubt. Sie kommt allerdings nur zum Tragen, wenn eine konkrete Bedrohung vorliegt. Abstrakte Sorgen um den Fortbestand der eigenen Stahlindustrie reichen nicht aus. Die USA haben das damalige Verfahren vor der WTO daher erstinstanzlich verloren. Eine endgültige Entscheidung gab es nie, weil die USA, wie gesagt, das WTO-Höchstgericht im Alleingang lahmgelegt haben.
Zur Zukunft des Welthandels
Heute spielt Trump dieses Spiel nicht einmal mehr zum Schein. Vielmehr ist er drauf und dran, das alte Recht des Welthandels komplett aus den Angeln zu heben: Protektionismus statt Freihandel, ökonomischer Nationalismus statt wechselseitiger Verflechtung, Bevorzugung guter Freunde statt Gleichbehandlung, Konfrontation statt Streitbeilegung im Rahmen der WTO.
Wie es mit der WTO und ihren Regeln weitergeht, lässt sich nicht sagen. Vielleicht treibt der Rest der Welt nun umso intensiver miteinander Handel, nur eben ohne die USA. Vielleicht wird eine Abwärtsspirale losgetreten, bei der wir am Ende im Protektionismus der Zwischenkriegszeit landen. Vielleicht wird Trump von Elon Musk doch noch eingebremst. Wie dem auch sei, es bleibt leider spannend.