Drei Gründe, wählen zu gehen

Schon genug von den Europawahlen? Franz Fischler, ehemaliger EU-Agrarkommissar, kann erklären, warum die EU für Sie so wichtig ist wie noch nie.

Ein Hund sitzt angeleint neben einer Plastik-Einkaufstüte auf dem regennassen Pflaster. Neben ihm steht ein Plakat mit der Aufschrift Freedom of Movement: Priceless. Das Plakat bezieht sich mit dem abgewandelten Mastercard Slogan auf den Brexit. Das Bild illustriert einen Beitrag über einen Podcast mit dem Politiker Franz Fischler über die Europawahlen 2024.
Eine späte Demo gegen den Brexit in London am 8. Juli 2020: Großbritannien trat 1973 der EU bei, 2020 wieder aus und nimmt 2024 somit erstmals nicht an den Europawahlen teil. © Getty Images

Diese Europawahlen werden die Weichen für die kommenden Jahrzehnte stellen, sagt der Politiker und EU-Kenner Franz Fischler. Nicht nur für die Bürger Europas, sondern auch für die EU selbst. Es sind vor allem drei Gründe, warum Fischler dazu rät, diese Wahlen nicht auszulassen.

Der Podcast zu den Europawahlen

Wir müssen uns von der Illusion befreien, dass das derzeitige nationalstaatliche Modell für immer das primäre Governance-Modell in Europa ist.

Franz Fischler

Grund I: Die Macht der Größe

„Europa ohne die EU wäre längst der Bedeutungslosigkeit versunken. Wir sind ein großer Wirtschaftsraum, aber nur dann, wenn wir europäisch zusammenarbeiten. Wenn wir uns auf 27 Einzelteile aufsplittern, ist die große Bedeutung dahin, und das ist genau das Problem.“

„Es gibt Dinge, die man unbedingt europäisch lösen können muss. Oder glaubt jemand, dass wir eine europäische Sicherheitspolitik betreiben können, wenn das jeder Staat für sich macht, wohin das führt?“

Grund II: Die Grenzen der Nationalstaaten

„Wir müssen uns von der Illusion befreien, dass das derzeitige nationalstaatliche Modell für immer das primäre Governance-Modell in Europa ist. Man darf nicht vergessen, der Nationalstaat ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, und es ist sicher nicht für die Ewigkeit bestimmt. Wenn man bedenkt, dass wir, wie man so sagt, im ‚Global Village‘ leben, dann muss uns klar werden, dass Änderungen absolut notwendig sind, auch wenn jetzt der Nationalismus scheinbar wieder erstarkt.“

„Die Regierungen haben jetzt die Tendenz, eine ganz eigene Auffassung von Subsidiarität zu leben, nämlich die, dass ihr hergehen und sagen, die angenehmen Dinge, die entscheiden wir national, und alles unangenehme schicken wir nach Brüssel und hinterher, wenn es nicht funktioniert, können wir noch dazu auf Brüssel schimpfen.“

Grund III: Demokratie

„Wir sind der einzige demokratische Kontinent. Der europäische Grundrechtekatalog ist viel umfassender als zum Beispiel der der Vereinigten Staaten oder der Uno.“

„Ich stehe dazu, dass wir nachhaltig produzieren sollen. Aber wir müssen diese nachhaltige Produktion auch absichern. Es wäre sehr wichtig, dass die EU die Initiative ergreift gegenüber der WTO, damit die EU bei Produkten, die nicht nach europäischen Standards hergestellt werden, so viel Zoll einheben kann, dass die Kostenvorteile, die eine Nichtbeachtung der Nachhaltigkeit mit sich bringt, kompensiert werden.“

„Die Europäische Union ist nach wie vor die einzige und erste übernationale Organisation, die nicht nur eine wirtschaftliche Zusammenarbeit, sondern in immer mehr Bereichen auch eine politische Zusammenarbeit pflegt, und da ist sie im Vergleich zu anderen weit voraus.“

1979 wurde zum ersten Mal ein EU-Parlament direkt gewählt. Die jetzigen Europawahlen finden vom 6. Juni bis 9. Juni statt: alle Informationen hier.
 

Über Franz Fischler

Franz Fischler

Franz Fischler ist ein Politiker der Österreichischen Volkspartei, ÖVP. Von 1995 bis 2004 war Fischler Europäischer Kommissar für Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raumes sowie, ab 1999, für Fischerei. Der studierte Landwirt war österreichischer Landwirtschaftsminister, lange Jahre Präsident des Ökosozialen Forums sowie des Europäischen Forums Alpbach. Mit dem Pragmaticus sprach Fischler über die Chancen von Gentechnik.

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