Guter Flüchtling, besserer Flüchtling

Im Gazastreifen sind die Vereinten Nationen Teil des Problems, nicht der Lösung. Ihr Flüchtlingshilfswerk UNRWA bevorzugt  die  Palästinenser und hat enge Verbindungen zur Hamas.

Ein Kind hält ein Schild mit der Aufschrift „Jerusalem is our Land“ in den Händen vor dem Headquarter der UNRWA in Gaza. Das Bild illustriert einen Artikel über das Flüchtlingshilfswerk UNRWA.
Kinder demonstrieren gegen die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, Gaza 2017. © imago/ZUMA Press
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Auf den Punkt gebracht

  • UNHCR. Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) betreut 29 Millionen Flüchtlinge in 137 Ländern mit knapp 19.000 Mitarbeitern.
  • UNRWA. Das Hilfswerk der UN für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) betreut 5,9 Millionen Palästinenser und beschäftigt über 30.000 Mitarbeiter.
  • Erbrecht. Palästinenser vererben den Flüchtlingsstatus über Generationen, unabhängig von deren Geburtsort, so wurden aus 700.000 fast 6 Millionen.
  • Rückkehrrecht. Ziel der UNRWA ist nicht die Integration in die aufnehmende Gesellschaft, sondern die Bildung einer palästinensischen Nation in Israel.

So viele Menschen wie nie zuvor waren im Jahr 2022 gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen. Etwa auf der Flucht vor Naturkatastrophen, Verfolgung und Kriegen. 108,4 Millionen waren es laut den Vereinten Nationen. Prognosen gehen davon aus, dass dieser Rekord in den kommenden Jahren noch übertroffen werden dürfte. Allein im letzten Jahr sei die Zahl um 19 Millionen gewachsen.

Fast zwei Drittel der heimatlos Gewordenen sind Binnenflüchtlinge, Menschen also, die (oft unfreiwillig) in ihren Ländern geblieben sind, anstatt jenseits der Landesgrenzen Schutz zu suchen. Rund 35 Millionen haben im Gegensatz dazu in anderen Ländern Zuflucht gefunden. 29 Millionen von ihnen werden vom Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) betreut, das 2021 in 137 Ländern auf der Welt tätig war.

Als eine seiner wichtigsten Aufgaben betrachtet das UNHCR laut Selbstbeschreibung das Finden von „dauerhaften Lösungen“. Die Flüchtlinge sollen dabei unterstützt werden, „sich ein neues Leben in Würde und Frieden aufzubauen“ – nach einer Rückkehr in ihre Heimat oder, wenn das unmöglich ist, durch Integration in die Aufnahmeländer oder Neuansiedlung in anderen Staaten. So hat die UN-Organisation seit ihrer Gründung 1950 bereits zig Millionen Menschen geholfen, ihr Flüchtlingsdasein zu überwinden.

Eigene Regeln für Palästinenser

Sechs Millionen der 35 Millionen Flüchtlinge fallen allerdings nicht unter das UNHCR-Mandat. Für die Palästinenser gibt es eine eigene Organisation: das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Sie bekamen ein eigenes Flüchtlingshilfswerk, weil die arabischen Staaten darauf bestanden, dass die im Zuge des arabischen Angriffskrieges auf den neu entstandenen Staat Israel geflohenen Menschen anders behandelt werden müssten als andere Vertriebene. Ziel war dabei nicht, das Problem möglichst schnell zu lösen, sondern die Flüchtlinge zu einer Waffe im Kampf gegen Israel zu machen. 

Alle Methoden, die anderswo zur raschen Überwindung von Flüchtlingskrisen führten, durften im Falle der rund 700.000 aus Israel geflohenen Palästinenser keine Anwendung finden. Als einziger Lösungsansatz wurde ein uneingeschränktes Rückkehrrecht propagiert – ein Recht, dessen Existenz nirgendwo sonst auf der Welt behauptet wird. Worum es dabei in Wahrheit ging, stellte der spätere ägyptische Außenminister Muhammad Saleh ad-Din im Oktober 1949 in der Tageszeitung al-Misri klar: Werde die Rückkehr der Flüchtlinge gefordert, so gehe es darum, „dass sie als Beherrscher des Heimatlandes zurückkommen sollen, nicht als Sklaven. Um es noch deutlicher zu sagen: Sie wollen den Staat Israel vernichten.“

Das Ziel der Gründung der UNRWA war, die Flüchtlinge zu einer Waffe im  Kampf gegen Israel zu machen.

Die UNRWA fügt sich dem Dogma vom angeblichen Rückkehrrecht und unterlässt deshalb all jene Anstrengungen um Integration und Neuansiedlung, die vom UNHCR unternommen werden, um anderen Flüchtlingen zu helfen. So strich die UNRWA aus Anlass ihres 60-jährigen Bestehens hervor, sie habe „kein Mandat, um dauerhafte Lösungen für die palästinensischen Flüchtlinge zu finden“.

Die vererbte Bedürftigkeit

Während das UNHCR seine Aufgabe darin sieht, die Probleme der Flüchtlinge zu lösen, besteht die Arbeit der UNRWA darin, das Problem der palästinensischen Flüchtlinge aufrechtzuerhalten. Und das ist nicht der einzige gravierende Unterschied zwischen den beiden Hilfswerken. Das UNHCR folgt der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951. Hier stehen jene Personen im Mittelpunkt, die selbst geflohen sind; Familienangehörige und Nachkommen erhalten Hilfsleistungen nur, wenn eine entsprechende Bedürftigkeit gegeben ist. Und der Flüchtlingsstatus erlischt, sobald ein Betroffener eine neue Staatsbürgerschaft annimmt.

Die UNRWA operiert auf einer anderen Basis. Für sie gelten nicht nur die ursprünglich geflohenen Palästinenser als Flüchtlinge; registriert und betreut werden auch all ihre Nachkommen. Bei den Palästinensern wird der Flüchtlingsstatus also „vererbt“ – ohne Berücksichtigung der konkreten Bedürftigkeit und selbst dann, wenn die Flüchtlinge und deren Nachkommen längst andere Staatsbürgerschaften angenommen haben.

Das führt beispielsweise dazu, dass heute rund zwei Millionen Palästinenser, die in Jordanien geboren wurden, ihr gesamtes Leben dort verbracht haben und jordanische Staatsbürger sind, von der UNRWA weiterhin als Flüchtlinge geführt werden – ebenso wie Millionen Palästinenser, die im Gazastreifen und im Westjordanland vollständig beziehungsweise hauptsächlich unter palästinensischer Verwaltung leben.

Dank dieser Ausnahmeregeln sind die Palästinenser die einzige Flüchtlingsgruppe der Welt, deren Zahl im Laufe der Jahre nicht gesunken ist, sondern sich vervielfacht hat: Waren ursprünglich rund 725.000 Flüchtlinge bei der UNRWA registriert, so sind es heutzutage bereits 5,9 Millionen, Tendenz: steigend.

Frieden mit Israel? Lieber nicht

So wurde aus der ursprünglich als Nothilfe ins Leben gerufenen UNRWA eine riesige Wohlfahrtsorganisation, die den bei ihr registrierten Palästinensern im Libanon, in Syrien, in Jordanien und in den palästinensischen Gebieten in großem Umfang Versorgungsleistungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Sozialfürsorge kostenlos zur Verfügung stellt.

Das UNRWA-Budget betrug 2022 rund 1,2 Milliarden Dollar, die größten Geldgeber waren die USA (344 Millionen Dollar) und Deutschland (202 Millionen Dollar). Österreich steuerte rund 6,4 Millionen Euro bei. Mit über 30.000 Mitarbeitern, fast alle Palästinenser, ist die UNRWA die größte UNO-Teilorganisation sowie der zweitgrößte Arbeitgeber im Gazastreifen und im Westjordanland nach der Palästinensischen Autonomiebehörde. Zum Vergleich: Das UNHCR, das für fast sechsmal so viele Flüchtlinge weltweit zuständig ist, hat nur knapp 19.000 Mitarbeiter. Statistisch kommen auf einen UNRWA-Mitarbeiter 197 palästinensische Flüchtlinge, auf einen UNHCR-Mitarbeiter dagegen 1.526 Flüchtlinge.

Judenfeindlichkeit ist in den Schulbüchern genauso zu finden wie Gewalt und Terror gegen Israel.

58 Prozent des UNRWA-Budgets fließen in den Bildungsbereich; in über 700 Schulen werden mehr als 540.000 Schüler unterrichtet. Dem Gazastreifen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: Im Unterrichtsjahr 2021/2022 besuchten dort fast 300.000 Schüler die 183 UNRWA-Schulen, wo sie von 9.443 Lehrern unterrichtet wurden. Das UNRWA-Bildungsangebot im Gazastreifen ist das größte Teilprogramm der Organisation.

Als Unterrichtsmaterialien werden in UNRWA-Schulen stets die lokalen Schulbücher verwendet, im Gazastreifen also jene der Palästinensischen Autonomiebehörde. Wie zahlreiche Studien nachgewiesen haben, vermitteln diese Bücher äußerst problematische Inhalte: Religiöse Judenfeindlichkeit ist darin genauso zu finden wie Lobpreisungen von Märtyrertum, Gewalt und Terror gegen Israel, fast nichts dagegen über das Ziel eines Friedens oder auch nur einer Koexistenz an der Seite Israels. Und selbstverständlich wird das Rückkehrrecht als einzige Lösung des Flüchtlingsproblems propagiert.

Gedenkfeiern für „Märtyrer“

Mit den verheerenden Inhalten der Schulbücher fangen die Probleme mit den UNRWA-Schulen im Gazastreifen allerdings erst an: Immer wieder dokumentieren Nichtregierungsorganisationen, wie etliche Lehrkräfte dieser Schulen in sozialen Medien Terroraufrufe verbreiten und zur Ermordung von Juden aufrufen. Obwohl die UNRWA stets behauptet, keinerlei Toleranz für die Verbreitung von Hetze und Hass zu kennen, folgen für die Verantwortlichen nur in höchst seltenen Fällen persönliche Konsequenzen; selbst Lobpreisungen Hitlers führen nicht notwendigerweise zu Kündigungen.

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Zahlen & Fakten

Hinzu kommt, dass sich unter den UNRWA-Beschäftigten im Gazastreifen zahlreiche Hamas-Mitglieder und -Sympathisanten befinden. Bei Wahlen zu UNRWA-Angestelltenvertretungen 2012 gewannen Hamas-Vertreter alle elf Sitze im Lehrersektor, sechs von sieben im Arbeiter- und acht von neun im Dienstleistungssektor. Die wenigen gewählten Nicht-Hamas-Leute gehörten dem Palästinensischen Islamischen Dschihad an.

In UNRWA-Einrichtungen finden Gedenkfeiern für „Märtyrer“ der Hamas statt, Beschäftigte des Hilfswerks widmen sich in ihrer Freizeit dem Raketenbau, mehrfach wurden in UNRWA-Gebäuden Raketen- und Waffenlager entdeckt. Zumindest in einem Fall aus dem Jahr 2017 ist belegt, dass ein leitender Ingenieur der UNRWA ins Hamas-Politbüro gewählt wurde. Kritiker stellten fest, dass oft nicht klar sei, wo das Hilfswerk aufhöre und die Hamas anfange. 

Auch nach dem 7. Oktober priesen einige UNRWA-Mitarbeiter öffentlich die Massaker der Hamas. So bezeichnete einer ihrer Lehrer das Pogrom als „ersten echten Sieg“ auf dem Weg zur „Befreiung“ ganz Palästinas und lobte, dass „ganze Städte in einer Nacht leer geräumt wurden“. 

Wie unter einer Lupe zeigt sich im Gazastreifen das Ausmaß der Fehlentwicklung: Statt Teil der Lösung zu sein, ist die UNRWA Teil des Problems geworden. Eine Auflösung der Organisation und die Übergabe der palästinensischen Flüchtlinge in die Obsorge des UNHCR wäre ein erster notwendiger Schritt, um dieses seit Jahrzehnten bestehende Übel zu beheben.

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Conclusio

Als einzige Gruppe der Welt haben die Palästinenser ein eigenes Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, die UNRWA. Anders als das UNHCR für alle anderen Flüchtlinge weltweit arbeitet die UNRWA nicht an einer Überwindung des Flüchtlingsproblems, sondern trägt zu dessen Verewigung bei, indem es sich nicht um die Integration oder Neuansiedlung der Flüchtlinge kümmert, sondern deren Rückkehr als einzige Lösung propagiert. Nur bei den Palästinensern wird der Flüchtlingsstatus „vererbt“, wodurch die UNRWA mit ihren rund 30.000 Mitarbeitern zur größten UNO-Teilorganisation geworden ist. In UNRWA-Schulen wird Hass auf Israel gelehrt, im Gazastreifen sind zahlreiche Mitarbeiter mit der Hamas verbunden. Die Auflösung der UNRWA wäre ein erster Schritt zur Lösung des palästinensischen Flüchtlingsproblems.

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