Israel: Ein Blick zurück

Die Vergangenheit hilft, die Gegenwart zu verstehen. Ein kurzer Überblick über die Geschichte Israels. 

Ministerpräsident David Ben-Gurion verliest am 14. Mai 1948 die Unabhängigkeitserklärung Israels im Stadtmuseum von Tel Aviv.
14. Mai 1948: Erklärung der Unabhängigkeit des Staates Israel durch Ministerpräsident David Ben-Gurion im Stadtmuseum von Tel Aviv. © Getty Images

Die Anfänge

Die Geschichte beginnt vor mehr als 3.000 Jahren, als im 12. Jhdt.v.Chr. die „Zwölf Stämme Israels“ in die bis dahin von Ägypten dominierte Region einwandern. 200 Jahre später wird das Königreich Israel gegründet, Salomon baut den ersten Tempel in der Hauptstadt Jerusalem. Nach ihm zerfällt das Land in das Königreich Israel mit der Hauptstadt Samaria im Norden und Juda mit der Hauptstadt Jerusalem im Süden. Die folgenden Jahrhunderte sind von Kriegen geprägt. 

Im Jahr 70 n.Chr. erobern die Römer Jerusalem und zerstören den Zweiten Tempel. Um jede Erinnerung an das Jüdische Königreich auszulöschen, benennen die Römer im Jahr 135 nach dem niedergeschlagenen Bar-Kochba-Aufstand ihre bisherige Provinz Juda in Syria Palaestina um. 500 Jahre danach erobern die Araber Jerusalem, 691 wird am Ort des Zweiten Tempels der Felsendom errichtet. Weitere Kriege folgen. 1517 werden Syrien, Ägypten und Palästina für vierhundert Jahre in das Osmanische Reich eingegliedert. 

Dieses historische Palästina ist dünn besiedelt und umfasst das heutige Israel, die Provinzen Judäa und Samaria (die „Westbank“) und den Gaza-Streifen sowie das heutige Jordanien, Teile Syriens und des Libanon.

Der 29. August 1897 ist ein wichtiger Tag in der Geschichte Israels. Theodor Herzl legt beim 1. Zionistenkongress in Basel den Grundstein für die „Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina“. In der jüdischen Nationalbewegung mischen sich politische und religiöse Motive. Die europäischen Pogrome gegen Ende des 19. Jahrhunderts, vor allem in Russland, verschaffen ihr Auftrieb. In der Folge kaufen jüdische Einwanderer in Palästina Land und machen es urbar. Sie führen die Gegend, die unter der vierhundert Jahre langen osmanischen Herrschaft heruntergekommen war, zu einer neuen Blüte. In ihrem Sog siedeln sich auch immer mehr Araber an.

Das Britische Mandat

1917 besetzt Großbritannien Palästina und den Irak, die Niederlage im Ersten Weltkrieg im Jahr darauf beendet das Osmanische Reich endgültig. Im April 1920 überträgt der Völkerbund Großbritannien in der Konferenz von San Remo das Mandat über Palästina mit dem Auftrag zur „Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina“. Bereits 1916 hatten Großbritannien und Frankreich im Sykes-Picot-Abkommen ihre künftigen Einflusssphären vage definiert. Dieses Abkommen ist das erste historische Dokument, in dem „die Anerkennung und der Schutz eines arabischen Staates oder einer Föderation arabischer Staaten“ Erwähnung finden.

Im September 1922 teilt die britische Regierung ihr Mandatsgebiet in einen Teil westlich des Jordan, wo die jüdische Heimstätte errichtet werden soll, und das neue arabische Emirat Transjordanien östlich des Jordan, das heutige Königreich Jordanien. Fortan gibt es auf knapp achtzig Prozent der Fläche des Mandatsgebietes Palästina einen rein arabischen Staat, in dem sich keine Juden ansiedeln dürfen.

Der Arabische Aufstand

1921 ernennen die Briten Mohammed Amin el-Husseini zum Großmufti von Jerusalem. Später wird er zum engen Verbündeten Adolf Hitlers und organisiert mit dem Geld der Nationalsozialisten eine jahrelange Serie von Terroranschlägen gegen Juden und Briten, die als „Arabischer Aufstand“ in die Geschichte eingeht.

Auf dem von ihm kontrollierten Gebiet errichtet er eine rigorose islamische Herrschaft. Die Bevölkerung muss traditionelle arabische Kleidung tragen, die Frauen, auch die Christinnen, haben ihre Gesichter zu verschleiern. Wer sich weigert, die Kaffiya („Palästinensertuch“ mit doppelter Kordel) zu tragen, wird erschossen. Gemäßigte Araber werden gefoltert, ausgepeitscht oder ermordet. Um seine Macht zu sichern, töten seine Gefolgsleute mehr Araber als Briten oder Juden. Die Kinder der „Aufständischen“ grüßen mit dem „deutschen Gruß“, ihr Symbol ist das Hakenkreuz. 

Die arabische Seite betrachtet die jüdische Zuwanderung als Teil des britischen Imperialismus, obwohl die Briten den Zuzug gegen den Auftrag des Völkerbundes mit allen Mitteln drosseln. Sie betrachten die Zuzugsbegrenzung als Mittel zur Eindämmung der arabischen Gewalt. 1937 schlägt die britische Peel-Kommission einen ersten Teilungsplan für Palästina vor: die Juden nehmen an, die Araber lehnen ab und el-Husseini erhöht die Intensität der Anschläge. Die erste vergebene Chance in der Geschichte dieses Konflikts, viele weitere sollten folgen.

Die Briten sind von ihrem Mandat zunehmend überfordert. Zum einen tobt ein – auch mit terroristischen Mitteln geführter – Bürgerkrieg zwischen Arabern und Zionisten, zum anderen bekämpfen beide Parteien unabhängig voneinander die Britische Besatzungsmacht.

Teilungsplan der Vereinten Nationen

Im Juli 1947 fahren 4.515 Holocaust-Überlebende, darunter 955 Kinder, mit der „Exodus“ in Richtung Palästina. Das Schiff wird von britischen Kriegsschiffen aufgebracht, der vierstündige Kampf fordert unter den Juden mindestens 200 Verletzte und vier Tote. Die Flüchtlinge werden in Haifa auf drei Gefangenenschiffe verladen und zurück nach Europa verbracht. Das Vorgehen der Behörden diskreditiert das Mandat im eigenen Land und vor der Weltöffentlichkeit. Noch im selben Jahr übergibt Großbritannien die Palästinafrage an die Vereinten Nationen.

Am 29. November 1947 verabschiedet die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit Zweidrittelmehrheit den UN-Teilungsplan für Palästina, welcher die Errichtung eines jüdischen und eines arabischen Staates vorsieht, wobei der Großraum Jerusalem als corpus separatum unter internationale Kontrolle gestellt werden soll. Die Juden nehmen den Plan an, die Araber lehnen ihn ab, Kampfgruppen überfallen schon am Tag danach jüdische Ortschaften und Wohngebiete. Der Kampf um die Unabhängigkeit Israels beginnt bereits, bevor der jüdische Staat überhaupt existiert.

Am 14. Mai 1948 verkündet David Ben-Gurion vor dem Jüdischen Nationalrat im Stadtmuseum von Tel Aviv in der Unabhängigkeitserklärung die Errichtung des Staates Israel. Noch in derselben Nacht erklären Ägypten, Jordanien, Libanon, Irak, Syrien und Saudi-Arabien Israel den Krieg.

Die Grüne Linie von 1949

Den Unabhängigkeitskrieg hat Israel gewonnen, jedoch das jüdische Viertel der Altstadt und den Osten Jerusalems an Jordanien verloren. In vier separaten Waffenstillstandsabkommen verständigt sich Israel mit Ägypten, Libanon, Syrien und Jordanien 1949 auf jene Waffenstillstandslinie, die bis heute als „Grüne Linie“ bekannt ist.

Im Jahr 1950 annektiert Jordanien Judäa und Samaria. Heute hat sich für dieses Gebiet die Bezeichnung Westjordanland eingebürgert. Die völkerrechtswidrige Annexion wird nur von Großbritannien, Pakistan und dem Irak anerkannt. Bestrebungen nach Unabhängigkeit oder nach einem palästinensischen Staat gibt es während der Besatzung nicht.

Bereits nach der Verabschiedung des UN-Teilungsplans von 1947 hatten etwa dreitausend wohlhabende Araber in Erwartung des kommenden Krieges Israel verlassen. Nach dem Beginn des Unabhängigkeitskriegs folgen ihnen Zehntausende, um Platz für die heranrückenden Armeen zu schaffen oder aus Angst vor den israelischen Streitkräften. Eine Minderheit wird im Zuge von gegenseitigen Kampfhandlungen von israelischen Truppen vertrieben. Man schätzt, dass zwischen 650.000 und 800.000 Araber Israel seit der Gründung verlassen haben. Ihnen stehen rd. 900.000 Juden gegenüber, die im selben Zeitraum aus arabischen Ländern geflohen oder vertrieben worden sind. Israel schätzt den Wert ihrer zurückgelassenen Besitztümer auf rd. 250 Milliarden Dollar.

Der Sechstagekrieg

Mit der Sperre der Straße von Tiran und der Truppenkonzentration an der Grenze zu Israel setzt der Staatspräsident Ägyptens, Gamal Abdel Nasser, 1967 den Auftakt zum Sechstagekrieg. Sechs Tage nach Kriegsbeginn kontrolliert Israel den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel, die Golanhöhen, das Westjordanland und Ostjerusalem.

Nach dem Camp-David-Friedensabkommen 1978 und dem Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten 1979 gibt Israel 1982 den letzten Teil des Sinai an Ägypten zurück. 

Der Oslo-Friedensprozess 1993–1995

Nach geheimen Verhandlungen in Oslo (daher der Name) kommt es zu einer Reihe von Verträgen, die mit dem „Interimsabkommen über das Westjordanland und den Gazastreifen“ 1995 abgeschlossen werden. Das Abkommen bildet die Grundlage für die Gründung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA). In der „Zone A“ hat die PA volle Kontrolle über die Sicherheit und die zivile Verwaltung. Die „Zone B“, hauptsächlich ländliche Gemeinden und Dörfer, steht unter israelischer Sicherheitsverwaltung und palästinensischer Zivilverwaltung. Das C-Gebiet wird von Israel kontrolliert. 

Zu dieser Zeit sind Israel und das Westjordanland physisch nicht voneinander getrennt. Über 80% der palästinensischen Bevölkerung leben in den Gebieten der Zone A, aus denen sich Israel vollständig zurückzieht, für sie ist Israel als Besatzungsmacht praktisch nicht mehr vorhanden. 

Land für Frieden

Im Jahr 2000 machen Bill Clinton und Ehud Barack Jassir Arafat in Camp David Zugeständnisse mit vielen schmerzhaften Kompromissen für die israelische Seite. Arafat antwortet mit der Zweiten Intifada („al-Aqsa-Intifada“), einer Serie von Terroranschlägen, in deren Laufe mehr als tausend Israelis ermordet werden. Später sollte Clinton das Vertrauen, das er in Arafat gesetzt hatte, als den größten Fehler seiner Amtszeit bezeichnen. 

Im Jahr 2005 wird die Zweite Intifada mit der Errichtung der Sperranlage zwischen den palästinensischen und israelischen Gebieten gestoppt, die Zahl der Anschläge sinkt signifikant. Unter Premierminister Ariel Sharon zieht sich Israel vollständig aus dem Gazastreifen zurück, zwei Jahre später übernimmt die Hamas gewaltsam die Kontrolle über das Gebiet.

2008 sitzen einander Ehud Olmert und Mahmud Abbas gegenüber. Olmert geht weit über die Vorschläge von Camp David hinaus und unterbreitet ein umfangreiches Kompromissangebot, das nicht nur einen Palästinenserstaat auf 99,5 Prozent der Fläche der umstrittenen Gebiete und volle palästinensische Souveränität über die arabischen Wohnbezirke Ostjerusalems beinhaltete, sondern auch einen begrenzten Zuzug von Palästinensern nach Israel. Abbas sagte nicht einmal nein, er weigerte sich einfach, noch einmal mit Olmert oder dessen Nachfolger Benjamin Netanjahu zu sprechen.

Die Oslo-Formel „Land für Frieden“ hat den Palästinensern zwar Land gebracht, aber den Menschen keinen Frieden. 

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