Bringt Trump das goldene Zeitalter?
Während Europa über Donald Trumps Rhetorik spottet, vollzieht sich in den USA eine wirtschaftliche Kehrtwende: Große Tech-Konzerne schwenken auf Trumps Linie ein, und ausländische Investoren versprechen Milliarden. Die Stärke der USA war es schon immer, sich in Krisenzeiten neu zu erfinden.

Auf den Punkt gebracht
- Strategie. Trump verspricht ein „goldenes Zeitalter“ und lenkt die US-Außen- und Handelspolitik ausschließlich nach amerikanischen Interessen.
- Energie. Die neue Administration forciert Öl-, Gas- und Kernkraftproduktion statt erneuerbarer Energien, um das Land mit günstiger Energie zu versorgen.
- Wirtschaft. US-Konzernchefs wie Musk, Zuckerberg und Bezos unterstützen Trump, während Saudi-Arabien 600 Milliarden Dollar in den USA investieren will.
- Europa. Während die USA auf Reindustrialisierung und Wachstum fokussieren, droht Europa in Bereichen wie Energie, KI und Industrie den Anschluss zu verlieren.
Laut Winston Churchill treffen die Amerikaner immer die richtigen Entscheidungen, nachdem sie alle anderen Alternativen ausprobiert haben. Ob die Wiederwahl von Donald Trump eine „richtige Entscheidung“ darstellt, muss sich erst noch zeigen. Die Voraussetzungen für ein „goldenes Zeitalter“, das der 47. US-Präsident bei seiner Antrittsrede ausrief, stehen gar nicht schlecht.
Einst unterschätzten das japanische Kaiserreich und Nazideutschland die Amerikaner – ein folgenschwerer Irrtum. Auch in Teheran, Moskau und Peking ist man möglicherweise der Meinung, dass die USA eine dekadente und faule Gesellschaft geworden seien, vor der man keine Angst haben müsse.
Diese Einschätzung könnte sich aber schon bald ändern: Während die Präsidenten Barack Obama und Joe Biden die Ansicht vertraten, mit wohlwollender Diplomatie ließen sich alle Probleme dieser Welt lösen, ist für Trump „Friede durch Stärke“ das Leitmotiv.
Reine Interessenspolitik
Internationale Politik ist in der Tat kein Beliebtheitswettbewerb, sondern das zähe Ausverhandeln von Kompromissen zwischen Nationen mit unterschiedlichen Interessen. „Staaten haben keine permanenten Feinde und keine permanenten Freunde, nur permanente Interessen“, sagte einst der britische Premier Lord Palmerston.
Trump mag sich nicht so gepflegt ausdrücken wie ein britischer Politiker des 19. Jahrhunderts, doch hat er diese Prämisse zu einhundert Prozent verinnerlicht.
Trump mag sich nicht so gepflegt ausdrücken wie ein britischer Politiker des 19. Jahrhunderts, doch hat er diese Prämisse zu einhundert Prozent verinnerlicht. Seine Außen- und Handelspolitik wird von US-Interessen geleitet, und das in nahezu allen Bereichen. Kaum im Amt, verfügte er ein Einfrieren sämtlicher Entwicklungshilfegelder, bis festgestellt werden kann, ob an das Ausland getätigte Zahlungen auch US-Interessen befördern. In der Asylpolitik soll ein Aufenthaltsstatus nur dann verliehen werden, wenn die infrage kommende Person eine hohe Wahrscheinlichkeit aufweist, sich wirtschaftlich und sozial zu integrieren.
Neue Prioritäten
Die Grenze zu Mexiko wird auch mit Unterstützung des Militärs gesichert, und die Fentanyl schmuggelnden Drogenkartelle werden als terroristische Organisationen gelistet. Diese Maßnahme kommt nicht ohne Grund: Für Amerikaner im Alter von 18 bis 45 Jahren stellt eine Überdosis Fentanyl die häufigste Todesursache dar. Das Suchtmittel ist für fast 70 Prozent der über 100.000 Drogentoten in den Vereinigten Staaten in den vergangenen Jahren verantwortlich, es ist 50-mal so stark wie Heroin und 100-mal so stark wie Morphin.
Zahlen & Fakten
Mit der neuen Bewertung haben die USA bisher nicht vorhandene Möglichkeiten, gegen die Kartelle vorzugehen – Drohnenangriffe auf mexikanischem Territorium inbegriffen. Das wird zwar in Mexiko-Stadt nicht besonders wohlwollend aufgenommen, doch die Botschaft Washingtons ist klar: Entweder ihr kümmert euch um die Drogenbarone, oder wir tun es.
Drill, baby, drill!
Eine weitere Verordnung zielt darauf ab, die amerikanische Energieproduktion völlig zu entfesseln, und zwar primär im Bereich der fossilen Energieträger. Die „Drill, baby, drill“-Politik kam zur gleichen Zeit wie eine massive Einschränkung von Offshore-Windfarmen.
Ironischerweise bediente sich Trump hier exakt der gleichen Gesetzesvorlage, die Joe Biden genutzt hatte, um Offshore-Drilling zu verbieten. Nur wurde diesmal nicht die Öl- und Gasförderung als umweltschädigend deklariert, sondern Windturbinen – die angeblich die Meeresfauna negativ beeinflussen.
Die Trump-Administration setzt hauptsächlich auf Öl, Gas und Kernenergie und sagte den viel gepriesenen „Green New Deal“ kurzerhand ab. Emissionsreduzierungen sollen nicht über Wind und Solar, sondern durch den Umstieg von Kohle auf Gas und Kernenergie bewältigt werden. Sinkende Energiepreise sollen einerseits die Inflation dämpfen, aber andererseits auch die Reindustrialisierung befeuern.
Das Erdgas, das keiner will
Die Rede ist hier nicht nur von traditionellen Industrien wie Stahl oder Automobilbau, sondern vor allem von der neuen industriellen Revolution in Form von künstlicher Intelligenz. Und dies wird notwendig sein: Entgegen dem gängigen Klischee, China könne nur imitieren, was in den USA erfunden wurde, ist Peking in der KI-Revolution schon seit geraumer Zeit in der Offensive. Im Jänner dieses Jahres zeigten chinesische Programmierer, dass man mit DeepSeek AI bereits Modelle besitzt, die ChatGPT oder Google Gemini Konkurrenz machen können.
Auch im Bereich der Halbleitertechnologie schmilzt der Vorsprung von US-Unternehmen, und allen Sanktionen zum Trotz werden die chinesischen Produkte immer besser: Die Smartphones von Huawei operieren mittlerweile mit vollständig in China gefertigten Mikrochips, und ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht. Die Trump-Administration hat es sich zum Ziel gesetzt, alle Hindernisse für das Innovationspotenzial amerikanischer Unternehmer aus dem Weg zu räumen, und so viel Erfindergeist wie möglich in die USA zu holen. Donald Trump hat bereits angekündigt, Umwelt- und andere Genehmigungen für jedes Unternehmen, das eine Investition von einer Milliarde US-Dollar oder mehr in den Vereinigten Staaten tätigt, zu beschleunigen.
Investoren stehen bereit
Wenig überraschend gibt es bereits erste Interessenten, wie etwa den saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Das Königreich wolle in den nächsten vier Jahren 600 Milliarden Dollar in den Vereinigten Staaten inves-tieren und sich vor allem im Hightech-Sektor engagieren, erklärte er.
Sinkende Energiepreise sollen diese neue Industriestrategie untermauern – und zuständig dafür ist der neue Energieminister Chris Wright, der bis zu seinem Amtsantritt Vorstandsvorsitzender des Ölfeld-Dienstleisters Liberty Energy war und Energiearmut für ein größeres Problem hält als den Klimawandel. Wright hat am renommierten MIT Elektrotechnik studiert, war ein Pionier bei der Erschließung von Schiefergasvorkommen und Vorstandsmitglied von Oklo Inc., einem Unternehmen für kleine modulare Kernreaktoren (Small Modular Reactors). Anfang 2024 veröffentlichte Liberty Energy ein 180-seitiges Grundsatzdokument mit dem Titel „Bettering Human Lives“, aus dem klar hervorgeht, dass unter Energieminister Wright nicht Energiesparen, sondern Energieproduzieren auf dem Programm stehen wird.
Allianz für ein Goldenes Zeitalter
Dass ein neuer Wind weht, ist auch in den Chefetagen der Großkonzerne angekommen, wo sich mittlerweile mehr Unterstützung als Widerstand gegen Trump formiert. Was mit Elon Musk, Mark Zuckerberg und Jeff Bezos begann, könnte jetzt zum Dammbruch werden. Reihenweise laufen die CEOs ins Lager des Präsidenten über. Dies wird übrigens auch Konsequenzen für Europa haben: In der Vergangenheit waren Unternehmen wie Meta, Google, und Twitter/X bereit, sich europäischen Regulierungen zu unterwerfen, besonders im Bereich der Moderation von Postings. Das ist nicht länger der Fall, und sowohl Meta (Facebook/Instagram) als auch Google (Youtube) haben angekündigt, die Free-Speech-Agenda des Präsidenten zu unterstützen.
Dekarbonisierung ist out, Reindustrialisierung ist in, und Banken und Versicherungen wollen an dem erhofften Aufschwung teilhaben.
Aber nicht nur im Bereich der Meinungsfreiheit geht „Corporate-America“ auf Kollisionskurs mit der EU: Die Euroean Net Zero Alliance – ein Zusammenschluss großer Finanzdienstleister mit dem Ziel, eine emissionsfreie Wirtschaft bis zum Jahr 2050 voranzutreiben – verliert laufend Mitglieder. Dekarbonisierung ist out, Reindustrialisierung ist in, und Banken und Versicherungen wollen an dem erhofften Aufschwung teilhaben.
Europa muss dealen
In den USA findet aktuell eine Kehrtwende statt mit dem erklärten Ziel, das Potenzial des Landes zur Gänze auszuschöpfen. Weil sich die mediale Berichterstattung gern auf die Kulturkampf-aspekte der neuen Administration fixiert, übersieht man leicht, dass Trump die wichtigsten Vertreter der Wirtschaft für sich gewonnen hat. Und das spürt man mittlerweile auch international: „Die Stimmung in Davos war in diesem Jahr so gespalten wie nie zuvor in den zwölf Jahren, in denen ich am WEF teilnehme. Fast alle schienen optimistisch in Bezug auf die USA und pessimistisch in Bezug auf die EU zu sein“, schrieb Holger Zschäpitz, US-Wirtschaftskorrespondent der deutschen Tageszeitung „Die Welt“. In nahezu allen wichtigen Bereichen – Energie, KI, Industrie – droht Europa den Anschluss zu verlieren.
Dies ist besonders frustrierend, weil Trump nicht nur mit Zöllen droht, sondern auch Kooperation anbietet. Das machte er in seiner Videoansprache beim Weltwirtschaftsforum klar. Europa könnte von einem offeneren Umgang mit der neuen Administration profitieren. Die besondere Stärke der USA war es immer, sich in Krisenzeiten neu zu erfinden und gestärkt aus diesen hervorzugehen. Statt sich über Trump lustig zu machen, wie dies in europäischen Medien regelmäßig der Fall ist, sollte man vielleicht daraus lernen. America is back – Europe not so much.
Conclusio
Vision. Die USA steuern unter Trump einen radikalen Kurswechsel an: Ausweitung der Energieproduktion, Fokus auf KI und Hightech sowie Investitionszusagen. Anders als bei seiner ersten Amtszeit steht die Wirtschaft hinter seiner Politik.
Folgen. Diese Neuausrichtung könnte die globalen Kräfteverhältnisse verschieben. Während die USA auf Reindustrialisierung und technologische Innovation setzen, verliert Europa in Schlüsselbereichen zunehmend den Anschluss.
Chance. Europa steht vor der Wahl: entweder weiter auf Konfrontationskurs mit Trump zu gehen oder pragmatisch zu kooperieren. Der US-Präsident bietet neben Zöllen auch Zusammenarbeit an. Diese Chance sollte Europa nutzen.
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