Schichtbeginn auf dem Mond

Die Vorstellung, Fabriken im Weltraum zu errichten, mag wie Science-Fiction klingen, könnte aber schon bald Realität sein. Schließlich warten Unmengen an Ressourcen im All – aber auch einige Herausforderungen.

Das Bild zeigt einen Astronauten in einem Handwerkeroutfit, der auf dem Mond steht und auf ein Kraftwerk blickt. Im Hintergrund ist ein Satellit und die Erde zu sehen. Das Bild illustriert einen Artikel über Ressourcen im All.
Eine Fabrik im Weltraum, die beispielsweise aus Sonnenlicht und Staub eine Art Fliesen erzeugt? Das klingt wie die abwegige Idee eines Science-Fiction-Autors, ist von der Realisierung aber gar nicht weit entfernt. © Thomas Moor
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Auf den Punkt gebracht

  • Schwerelosigkeit. Die Herstellung von Materialien wie Kristallen in Schwerelosigkeit bietet Vorteile für die Arzneimittelforschung durch einzigartige Reinheit.
  • Mond und Mars. Eisvorkommen auf dem Mond und Kohlenstoffdioxid auf dem Mars könnten für Lebenserhaltungssysteme und Treibstoffgewinnung genutzt werden.
  • Asteroiden-Bergbau. Unternehmen planen den Abbau von seltenen Erden und Metallen auf Asteroiden, trotz technischer und rechtlicher Herausforderungen.
  • Solarenergie. Solettas im All könnten kontinuierlich Sonnenenergie zur Erde übertragen und so eine saubere Energiequelle bieten.

Ressourcen im All zu fördern oder Dinge in der Schwerelosigkeit zu produzieren, mag sich zunächst einmal wie eine unsinnige Idee anhören: Warum sollte man sich das antun, wenn es auf der Erde viel einfacher zu bewerkstelligen ist? Doch es gibt tatsächlich vielerlei Gründe, das zu tun.

Bereits während des Space-Shuttle-Programms (1981-2011) experimentierte die NASA damit, Materialien – vor allem Kristalle – in der Schwerelosigkeit herzustellen. Denn ohne Schwerkraft wachsen Proteine und Co in einer einzigartigen Reinheit. Das war damals weniger für eine Fließbandherstellung relevant, sondern diente vor allem dem Zweck, Kristallstrukturen für die Arzneimittelforschung zu studieren. Das Problem dabei: Die Kristalle, aber auch Legierungen, ließen sich zwar störungsfrei in der Umlaufbahn herstellen, wurden aber größtenteils durch die Vibrationen bei der Landung wieder zerschmettert.

Etwas pragmatischer war man bei der Herstellung von Alltagsgegenständen für die Internationale Raumstation ISS: Mit dem MELT 3D-Drucker der European Space Agency (ESA) konnten Konzepte für die additive Fertigung in der Schwerelosigkeit optimiert werden – eine durchaus anspruchsvolle Technologie, um etwa Drehmoment-Schraubenschlüssel aus Kunststoff zu drucken, wenn eine Schraube locker war. Das alles ist aber nur der Anfang – die Ausblicke sind sehr viel ambitionierter.

Kosmischer Kühlschrank

Die Oberflächen von Mond und Mars sind per se auch eine Ressource – die dringend gebraucht wird, wenn wir dort Basen errichten wollen. So sind etwa in den Polarregionen des Mondes durch Kometeneinschläge Eisvorräte entstanden, die aufgrund der besonderen Lage in Kraterböden vor dem Sonnenlicht geschützt und damit wie in einem kosmischen Kühlschrank auf etwa –230 °C eingelagert sind. Wassereis ist ein bedeutender Rohstoff für Lebenserhaltungssysteme vor Ort und für Raketentreibstoff.

Die US-amerikanischen Raumsonden „Lunar Prospector“ und „Clementine“ hatten bereits Mitte der 1990er-Jahre diese Ressourcen vermessen, es folgten mehrere weitere Missionen, die eine Abschätzung der Wassermengen zuließen. Fazit: Die Polarregionen, insbesondere der Südpol, könnten ganze Städte versorgen, vielleicht gibt es sogar zusätzliche, tiefer liegende Eisadern. Derzeit arbeitet die ESA an Konzepten, um aus dem Eis-Staub-Gemisch – oder vielleicht sogar aus dem Mondgestein selbst – Wasser zu extrahieren.

Das Bild zeigt ein Fahrzeug auf dem Mond, das durch eine Eisfläche fährt.
Die Polarregionen des Mondes, insbesondere der Südpol, könnten ganze Städte mit Wasser versorgen. © Thomas Moor

Auch der trockene Staub auf unserem Trabanten ist sehr interessant: So demonstrierte ein Team im ESA-Projekt „Regolith“ – unter Beteiligung der österreichischen Weltraumarchitektin Barbara Imhof – eine Technik, um mit konzentriertem Sonnenlicht aus Staub „Fliesen“ zu machen. Damit ließen sich ganze Habitate auf dem Mond unter geringer Schwerkraft von Robotern errichten, lange bevor Menschen einziehen. Die Mondoberfläche als lokaler Baumarkt sozusagen.

Und da wäre natürlich noch der Mars: Abgesehen von der staubigen Oberfläche ist auch die Atmosphäre dieses Planeten interessant. Sie besteht zu 95 Prozent aus Kohlenstoffdioxid, das man maschinell mithilfe von Rubidium-Katalysatoren in seine Bestandteile Sauerstoff und Kohlenstoff aufspalten kann. Fügt man Wasserstoff dazu, um daraus Methangas zu erzeugen, erhält man nicht nur Sauerstoff zum Atmen, sondern auch gleich Treibstoff für den Rückflug.

So fliegt etwa das Starship von SpaceX bereits mit einem Methan-Triebwerk. Beim NASA-Mars-Rover „Perseverance“ befindet sich eine kleine, goldfarbene Box an Bord. Sie diente dem MOXIE-Experiment, bei dem dieser anorganische Prozess erstmals auf dem Roten Planeten getestet wurde. Noch reichte die erzeugte Sauerstoffmenge gerade aus, um – theoretisch – eine kleine Maus am Leben zu erhalten, aber diese Technologie lässt sich relativ leicht ausbauen.

Ein neuer Goldrausch?

Auf zahlreichen Asteroiden finden sich substanzielle Vorräte an seltenen Erden und Metallen. Allein der Asteroid „16 Psyche“ hat Nickel- und Eisenvorräte im Wert von 10.000 Billiarden Euro (10.000.000.000.000.000.000). Zum Vergleich: Der Wert dieser Metalle auf der Erde wird zusammengenommen auf gerade einmal 110 Billionen Euro geschätzt – also knapp mehr als ein Hunderttausendstel.

Eine vorsichtige Einschränkung sei hier gestattet: Die Summen sind nach den aktuellen Rohstoffpreisen berechnet. Wenn es gelänge, auch nur einen Bruchteil dieser Erze auf die Erde zu bringen, würden die Preise vermutlich drastisch einbrechen. Ähnliches ist mit Gold und Silber schon im frühkolonialen Spanien des 16. Jahrhunderts passiert. Gold war wertvoll, aber plötzlich gab es viel mehr davon, weshalb der Wert stark sank.

Noch ist all das Science-Fiction. Alleine das Ansteuern von Asteroiden, die rotierend mit hoher Geschwindigkeit durch das Sonnensystem fliegen, erfordert ingenieurstechnische Höchstleistungen. Eine unbemannte NASA-Mission zum Asteroiden „16 Psyche“ startete im Oktober 2023 und wird im August 2029 dort ankommen, um eine erste Prospektion aus der Umlaufbahn des Asteroiden durchzuführen. Und selbst wenn alles nach Plan verläuft: Noch sind die Kosten für das Etablieren von Bergbau-Infrastruktur im All schwindelerregend hoch; ganz zu schweigen von der Herausforderung, das Material sicher zur Erde zu bringen, ohne auf unserem schönen Planeten einen riesigen rauchenden Einschlagskrater zu verursachen.

Der erste Billiardär der Erde wird jemand sein, der erfolgreich in den Asteroiden-Bergbau investiert hat.

Dennoch: Firmen wie AstroForge, Karman+, TransAstra, AMC und andere kommunizieren bereits jetzt ambitionierte Pläne, auch kleinere Asteroiden für Bergbauprojekte anzupeilen. Aktuell gibt es mindestens 35 Unternehmen, zum Teil mit durchaus finanzkräftigen Risikokapitalgebern, die in der Lage sind, in Jahrzehnten zu denken. Der US-amerikanische Astronom Neil DeGrasse Tyson meinte einmal, dass der erste Billiardär der Erde jemand sein werde, der erfolgreich in den Asteroiden-Bergbau investiert hat.

Interessanterweise sind fast alle Unternehmen mit Ambitionen auf außerirdische Erze in den USA angesiedelt – nicht nur wegen des Risikokapitals, sondern auch, weil Barack Obamas „Space Resource Exploration and Utilization Act“ faktisch einen rechtlichen Freibrief für US-Unternehmen zum Asteroiden-Bergbau ausstellte. Dies blieb international nicht unumstritten, zumal die Weltraumrechtsverträge der UNO eine nationale Aneignung von Himmelskörpern verbieten. Allerdings sind diese Regeln schon mehr als 60 Jahre alt. Damals war noch nicht absehbar, wohin die Reise gehen könnte.

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Zahlen & Fakten

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Energieressourcen im All

Abgesehen von Erzen bietet das All noch eine andere Ressource in fast grenzenlosem Umfang: Energie. Die Sonne liefert permanent knapp 1,4 Kilowatt pro Quadratmeter Erde. Aktuell wird diese Kraft für Solarzellen genutzt. Aber was wäre, wenn man mit riesigen Orbitalplattformen im großen Maßstab Sonnenlicht einfangen und dann zu Empfangskraftwerken auf der Erde übertragen könnte?

Das Konzept für solche „Solettas“ kam bereits in den frühen 1980er-Jahren auf, der Boeing-Konzern untersuchte die Energieübertragung im Jahr 1999. Die Idee war ihrer Zeit voraus: Plattformen mit Zehntausenden Quadratmetern Solarfläche (die im All übrigens nicht verstauben würden) auf einer sonnensynchronen Umlaufbahn könnten 24/7 in Betrieb sein. Die Energie würde über einen gerichteten Mikrowellenstrahl auf Bodenstationen zur Erde transportiert und hier wieder in Strom umgewandelt.

Mit Trägersystemen wie dem SpaceX Starship wären solche ambitionierten Infrastrukturen technisch bis in den Zig-Gigawatt-Bereich machbar, auch wenn der Teufel wie immer im Detail steckt: Mikrometeoriten und atomarer Sauerstoff in der niedrigen Erdumlaufbahn würden eine ständige Wartung erfordern. Dafür könnten Solettas permanent im ganz großen Maßstab saubere Energie liefern.

Die Ressource Wissen

Seien es neue Pharmaka, Vor-Ort-Nutzung von Ressourcen oder Asteroiden-Bergbau: Die Produktion im All ist ein ehrgeiziges Ziel, das mit vielen Herausforderungen und Unwägbarkeiten verbunden ist. Doch die potenziellen Vorteile sind so groß, dass es sich lohnt, in diese Technologie zu investieren, meinen zumindest langfristig denkende Risikokapitalgeber.

Wissenschaftliches Interesse ist dafür ohnehin vorhanden – denn eine Ressource haben wir noch gar nicht angesprochen: Wissen. Asteroiden etwa beherbergen das unberührte Archiv des frühen Sonnensystems und können uns helfen, die Anfänge unserer Welt besser zu verstehen. Alleine das wäre die Reise wert.

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Conclusio

Ressourcen. Rohstoffe von Mond, Mars und Asteroiden bieten enormes Potenzial für Energie, Baumaterialien und Bergbau. Doch die technologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen sind weiterhin enorm.

Visionen. Von 3D-Druck bis Solarplattformen entwickelt die Raumfahrt unzählige neue Methoden zur Nutzung extraterrestrischer Ressourcen. Viele dieser Ideen sind sehr ambitioniert, aber nicht komplett unrealistisch.

Wissen. Investitionen in Weltraumtechnologien sind Investitionen in die Zukunft. Und neben materiellen Gewinnen liefert die Erforschung des Alls wertvolle Erkenntnisse über unser Sonnensystem und die Anfänge unserer Welt.

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