Seltene Erden: Können wir unabhängig sein?
Seltene Erden stecken in Computern, in Handys und in Windrädern. Derzeit kann nur China den weltweiten Bedarf decken – eine Abhängigkeit, die Europa reduzieren muss.

Auf den Punkt gebracht
- Teuer. Die Gewinnung seltener Erden braucht viel Energie und große Mengen an Chemikalien. Das macht diese Rohstoffe so teuer.
- Begehrt. Seltene Erden werden überall gebraucht, sie werden für Computer, Handys, Windräder, Solarzellen und Akkus benötigt. Die Nachfrage wächst rasant.
- Monopolist. China liefert rund 69 Prozent der weltweit verarbeiteten seltenen Erden. Bei jenen, die in Permanentmagneten stecken, beträgt der Anteil 90 Prozent.
- Spielball. China hat wiederholt willkürlich den Export seltener Erden beschränkt. Der Westen sollte eigene Produktionskapazitäten auf- und ausbauen.
Was haben Kopfhörer, Handys, Computer und Magnetspintomographen gemeinsam? Falls die Frage einmal in einem Quiz vorkommen sollte, sind Sie jetzt gewappnet: In all diesen Produkten stecken sogenannte seltene Erden. Das moderne Leben würde ohne diese 17 metallischen Substanzen – darunter unter anderem Scandium, Neodym und Erbium – nur sehr eingeschränkt funktionieren. Für die Energiewende sind sie ebenfalls von enormer Bedeutung: Seltene Erden werden in großen Mengen in Elektroautos, Batterien und Solarzellen verbaut. Genauso in Windrädern: In den Permanentmagneten einer einzigen solchen Anlage stecken mehrere 100 Kilogramm dieser Rohstoffe.
Mehr über das Ringen um Rohstoffe
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Entsprechend rasant wächst die Nachfrage: Ende der 1980er Jahre wurden weltweit pro Jahr ein paar 10.000 Tonnen von seltenen Erden gewonnen, heute sind es bereits 400.000 Tonnen. Die gute Nachricht: Seltene Erden sind nicht so selten, wie ihr Name nahelegt. Einige dieser Substanzen kommen in der Erdkruste häufiger vor als etwa Kupfer, und von allen seltenen Erden gibt es viel mehr als vom Edelmetall Gold. Insgesamt dürften die bekannten Vorkommen von seltenen Erden noch für mehrere hundert Jahre ausreichen.
Die schlechte Nachricht: Ihre Gewinnung erfordert viel Energie sowie zahlreiche Chemikalien, und es fallen große Abraummengen an. Wenn der Abbau der seltenen Erden umweltverträglich ablaufen soll, wird der Prozess noch teurer und aufwendiger.
Der Grund, warum von diesen Rohstoffen derzeit so oft die Rede ist, liegt jedoch woanders. Genauer gesagt: in China. Von dort stammt der überwiegende Teil (69 Prozent im Jahr 2024) der weltweit verarbeiteten seltenen Erden. Für die in Permanentmagneten verarbeiteten Elemente beträgt der China-Anteil sogar über 90 Prozent. Das schafft Abhängigkeiten, die umso unangenehmer sind, je größer die Bedeutung dieser Substanzen wird.
Es wäre also höchste Zeit, die Förderung auf eine breitere Basis zu stellen. Auf den ersten Blick bestehen dafür mehrere Optionen: Bedeutende geologische Lagerstätten gibt es in Russland, Kanada, Brasilien, Grönland und Afrika. Auf den zweiten Blick entpuppen sich einige davon leider als unwirtschaftlich, oder die Projekte sind aus Natur- und Umweltschutzaspekten, manche auch aus sozialen Gründen, nicht durchführbar.
Eine Ressource wie Öl
Wie konnte die Welt in eine solche Abhängigkeit von China geraten? Die Trennung dieser 17 Elemente aus dem abgebauten Erz ist technisch komplex und energieintensiv. Es werden viele Chemikalien benötigt, und es bleiben Rückstände, die deponiert werden müssen. Das führte dazu, dass die Produktion außerhalb Chinas bereits in den 1980er-Jahren aufgegeben wurde, betroffen war etwa eine bedeutende Lagerstätte in Kalifornien. China hat diese Lücke gefüllt. Das Land hat große Vorkommen von seltenen Erden, und es wurden auch die notwendigen metallurgischen Anlagen zur Aufbereitung und Trennung errichtet.
Es würde Milliarden verschlingen, auf Grönland einen Bergbau und Anlagen für die Aufbereitung der Erze zu errichten.
Schon Deng Xiaoping, der als Parteiführer China von 1979 bis 1997 regierte, erkannte den strategischen Nutzen dieser Rohstoffe. Saudi-Arabien und Russland hätten zwar das Öl, China verfüge dafür über die seltenen Erden, erklärte er damals.
Bis vor zehn Jahren konnte sich die Welt auf den steten Nachschub aus China verlassen. Es wurden und werden sogar Erze aus Australien oder Amerika nach China geschickt, um die Elemente dort aus dem Gestein lösen zu lassen. Dann allerdings kamen die Chinesen auf die Idee, den Export einzelner besonders begehrter seltener Erden zu beschränken. Das macht den Rest der Welt natürlich nervös. Vielen Menschen wurde klar, dass auch wir im Westen wieder in die Lage kommen sollten, zumindest einen gewissen Anteil dieser Rohstoffe selbst zu produzieren. Doch woher sollen sie kommen? Wo sind die Bedingungen für die Produktion günstig, und wo gibt es dafür Akzeptanz in der Bevölkerung?
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Seit langem bekannt sind etwa große Vorkommen in Grönland. Doch es würde Milliarden verschlingen, auf der größten Insel der Welt einen Bergbau und Anlagen für die Aufbereitung der Erze zu errichten. Dazu müsste dort auch noch Energie bereitgestellt werden. Zusätzlich würde ein solches Projekt möglicherweise auf starken Widerstand in der lokalen Bevölkerung stoßen.
Akzeptanz durch Sauberkeit
Ähnliche Probleme sind in Nordskandinavien seit Jahren bekannt. Dort wehrt sich die Population der Sami gegen den Ausbau von Bergbauanlagen und anderer Anlagen wie Windparks und Staudämme – nicht zuletzt deshalb, weil die Menschen vor Ort von der Produktion ja nicht direkt profitieren.
Besser wäre es also, seltene Erden möglichst dort zu fördern, wo sie verarbeitet und verbraucht werden. Das Problem dabei ist die Deponierung der Reststoffe, die etwa in Mitteleuropa kaum noch genehmigungsfähig ist. Diese Hürde ließe sich umgehen, wenn es gelänge, die Reststoffe weiterzuverarbeiten. Leider ist die Technologie dafür noch nicht ausgereift. Auch in der Ukraine werden Vorkommen von seltenen Erden vermutet, an denen sich jüngst die USA vertraglich einen Anteil gesichert haben. Weil es dort bisher keinen Abbau gab, ist allerdings mit einer Vorlaufzeit von 20 bis 30 Jahren zu rechnen, bevor das erste Kilogramm geliefert werden kann.
Der gesamte Recyclingkreislauf sollte intensiver genutzt werden, um die in früheren Zeiten deponierten Materialien wieder zu extrahieren. Das Recycling von Konsumprodukten, insbesondere des Elektronikschrotts, bietet ebenfalls ein gewisses Potenzial zur Rückgewinnung von seltenen Erden und weiteren wichtigen Substanzen.
Elektronische Geräte enthalten eine Vielzahl von Metallen, jedoch oft nur in sehr kleinen Mengen. Die wirtschaftliche Rückgewinnung ist daher eine Herausforderung. Der Wert der Metalle in einem Handy beträgt beispielsweise nur einen Euro, wobei der größte Teil davon auf Gold entfällt. Technologien zur Rückgewinnung existieren für viele Metalle, sind aber derzeit nicht wirtschaftlich genug, um in großem Maße zum Einsatz zu kommen.
Der Weg zu mehr Autarkie
Ein strategischer Ansatz zur Sicherstellung der Versorgung mit seltenen Erden und anderen wichtigen Rohstoffen könnte darin bestehen, Lieferverträge mit zuverlässigen Partnern abzuschließen und in die Bergbau- und Recyclingtechnologien sowie in Umweltmaßnahmen zu investieren. Europa verbraucht etwa 20 bis 30 Prozent der weltweit abgebauten Metalle, produziert aber nur einen Bruchteil davon selbst. Die Steigerung der Eigenproduktion auf zehn Prozent des Bedarfs, wie er im Critical Raw Materials Act der EU vorgesehen ist, wäre ein bedeutender Schritt.
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Um mit Ländern konkurrieren zu können, die niedrigere Umweltstandards haben, muss Europa auf innovative Technologien setzen. Auch in China und Afrika steigen die Standards, da umweltschädliche Praktiken zunehmend abgelehnt werden. Dies bietet eine Chance für nachhaltigere Bergbaumethoden weltweit.
Die wachsende Nachfrage nach seltenen Erden könnte zum globalen Fortschritt beitragen, wenn die richtigen Maßnahmen ergriffen werden. Mit erneuerbaren Technologien und intensiver internationaler Zusammenarbeit lässt sich die Versorgung sichern und zugleich die Umwelt schonen.
Dies ist eine Gelegenheit, die gesamte Weltbevölkerung einzubeziehen und gemeinsam von den Fortschritten zu profitieren. Der Weg zur nachhaltigen Nutzung von Rohstoffen erfordert Engagement und Innovation, um sowohl ökologische als auch ökonomische Ziele zu erreichen.
Conclusio
Reichliche Ressourcen. Die weltweiten Reserven an seltenen Erden reichen noch für einige Jahrhunderte – und das trotz der zuletzt rasant steigenden Nachfrage.
Marktmacht. China versteht die Gewinnung von seltenen Erden als Instrument seiner globalen Machtpolitik und hat Mitbewerber mit besonders günstigen Rohstoffen vom Markt gedrängt.
Klar zur Wende? Der Westen sollte versuchen, eigene Produktionskapazitäten aufzubauen, um autarker zu werden. Die Einhaltung hoher Umweltstandards wird die Akzeptanz dieser Industrie sichern.