Ins Blaue hinein – Tiefseebergbau

Bergbau in der Tiefsee ist bisher erfolglos. Warum? Wir wissen fast nichts über diesen Teil der Welt und nicht einmal, ob wir seine Rohstoffe wirklich brauchen.

Ein Delphin an der Pazifikküste Kaliforniens. Der Pazifik ist besonders artenreich und ein Hotspot der Fischerei und des Tiefseebergbaus. Für den Abbau von Manganknollen und Massivsulfiden für Rohstoffe wie Lithium, Kobalt und Nickel sind Unternehmen bereit, große Risiken auf sich zu nehmen. Allerdings ist die Frage, ob sich der Aufwand tatsächlich lohnt, zumal die Biodiversität damit aufs Spiel gesetzt wird.
Ein Delphin vor der Pazifikküste Kaliforniens bei San Diego. Der Pazifik ist mit der Clarion Clipperton-Zone ein Hotspot des Tiefseebergbaus. Es gibt große Manganknollen-Felder und Massivsulfide in der Tiefsee. © Getty Images
×

Auf den Punkt gebracht

  • Begehrt. Lithium, Kobalt, Kupfer und Nickel sind derzeit begehrte Rohstoffe und finden sich in Manganknollen und Massivsulfiden in der Tiefsee.
  • Extrem. Der hohe Druck in vielen Tausend Metern Tiefe und ein höherer Salzgehalt machen Bergbau in der Tiefsee zu einem besonders aufwändigen Unterfangen.
  • Riskant. Aus wirtschaftlicher Sicht ist der Abbau von Manganknollen und Massivsulfiden ebenfalls eine fragwürdige Unternehmung.
  • Neubewertung. Die Tiefen der Ozeane sind eine weitgehend unbekannte Welt, die für Erdklima und Ernährung zentral sind.

Dies ist der zweite Beitrag unseres Schwerpunkts zu den Ozeanen und den Folgen des Tiefseebergbaus – jeden Donnerstag bzw. Freitag im Oktober. Den ersten Beitrag über Ozean und Klima lesen Sie hier.

In den Tiefen der Ozeane werden große Vorkommen von Kupfer, Nickel, Kobalt, Zink, Eisen, Lithium und Seltenen Erden vermutet – fast jedes Element, das die Erde zu bieten hat, findet sich auch in den Ozeanen. Verwunderlich ist das nicht. Die Erde ist eine große Recyclingmaschine: Jedes Element, jedes einzelne Molekül befindet sich permanent in Zyklen, ein ewiger Kreislauf aus Verwitterung, Abtragung, Auflösung und Neubildung, der nur möglich ist, weil es die Ozeane gibt.

Mehr Meer

Die wachsenden Ambitionen, in 3.000 bis 6.000 Meter Tiefe Bergbau zu betreiben, sind allerdings erstaunlich. Noch erwägt niemand ernsthaft, auf dem Mars mit Bergbau zu beginnen, dabei wissen wir über diesen Planeten wesentlich mehr als über die Tiefsee.

Das Wenige, was wir nach Jahrzehnten der Exploration wissen, deutet darauf hin, dass wir es mit einem komplexen und sensiblen System zu tun haben. Daran kann der Tiefseebergbau scheitern. Denn wir müssten diese Ozeane, die unser Klima wesentlich bestimmen, verändern, um an ihre Rohstoffe zu kommen. Wie groß das Risiko einer solchen Veränderung wäre, wissen wir derzeit nicht.

Was Tiefseebergbau ist

Wer Tiefseebergbau betreiben will, beantragt bei der International Seabed Authority (ISA) eine Explorations-Lizenz. Das kostet derzeit rund 500.000 US-Dollar. Diese Lizenz hält man für 15 Jahre, wenn man nachweist, dass man in dem Gebiet auch wirklich forscht. Anschließend muss entweder eine Abbaulizenz erworben werden, oder der Claim erlischt.

Exploration bedeutet, mit eigens gecharterten Schiffen, aufwendigem Equipment und hoch ausgebildeten Spezialisten viele Wochen auf hoher See zu verbringen, um ozeanografische, ökologische und biologische Informationen über ein Gebiet zu sammeln.

Manganknollen in 5.526 Metern Tiefe im Atlantik. Manganknollen sind begehrte Ziele des Tiefseebergbaus, weil sie lose auf dem Sediment liegen. Der Abbau ist dennoch risikoreich und aufwändig. Die Ausbeute an Rohstoffen ist im Vergleich zu Lagerstätten an Land gering. Zudem könnten die begehrten Rohstoffe an Wert verlieren, wenn es technologische Weiterentwicklungen gibt.
Manganknollen von wenigen Zentimetern Durchmesser in 5.526 Metern Tiefe im Atlantik. In dieser Tiefe herrscht ein Druck von etwa 550 Kilogramm je Quadratzentimeter, es ist dunkel und eiskalt – aber voller Leben. © Alamy Stock Photo

Die dafür notwendigen hochauflösenden Bilder vom Meeresboden zu bekommen ist die erste Hürde: Manganknollen zum Beispiel sind manchmal nur so groß wie Murmeln oder eine Faust, und die Clarion-Clipperton-Zone (CCZ), die Ebene im Pazifik zwischen Mexiko und Hawaii, wo die meisten Forschungs-Claims vergeben wurden, ist stellenweise 6.000 Meter tief. Sensoren und Tauchroboter mit sogenannten Videoschlitten werden hinabgelassen und hinter dem Schiff hergezogen, um den Boden Meter für Meter abzufotografieren.

Damit kann man sich lange beschäftigen: Die CCZ ist sechs Millionen Quadratkilometer groß, etwa halb so groß wie Europa. Deutschland hat dort eine Explorations-Lizenz für 75.000 Quadratkilometer, die Fläche Bayerns, und ist seit fast zwanzig Jahren mit der Kartierung beschäftigt. Anhand dieser Kartierung erhält man einen Eindruck von der Topografie.

Ob es relevante Lagerstätten gibt, hängt bei Manganknollen von Menge und Größe der Knollen ab. Sie sind außerdem nicht nur nicht gleichmäßig verteilt, sie enthalten die interessanten Metalle auch in unterschiedlichen (immer sehr geringen) Mengen. Manganknollen im Pazifik etwa enthalten durchschnittlich 2,2 Prozent Kupfer, Kobalt und Nickel, jene im Atlantik und im Indischen Ozean etwas weniger.

Zur Beprobung der Knollen wird eine Art Kastengreifer in den Boden gerammt und die gesamte obere Bodenschicht auf Deck gehievt. Schlamm und Sedimente kippt man zu einem großen Teil zurück ins Meer, die Knollen werden in Laboren auf dem Schiff oder in Instituten an Land analysiert.

Für solche Aktivitäten bestehen derzeit 31 Explorationslizenzen der ISA. Nach einer kurzen Flaute ist auch die Industrie wieder interessiert: Seit 2023 vergab die ISA 19 sogenannte Mining Proposals für Manganknollen, 8 davon an staatliche Akteure, 11 an Industriekonsortien. Die meisten davon werden von Aktionären und durch Risikokapitalgeber finanziert, vor allem aus den USA, Kanada, Japan und Südkorea.

Massivsulfide: Bergbau extrem

Dass Manganknollen im Fokus stehen, ist kein Zufall: Sie liegen relativ lose auf dem Sediment, und man kann sie vergleichsweise leicht bergen oder „ernten“. Anders ist das bei den zwei anderen Formen ozeanischer Vorkommen, den Mangankrusten und den Massivsulfiden.

Mangankrusten befinden sich an den steilen Flanken erloschener untermeerischer Vulkankegel, die auch tausende Meter hoch sein können. Die viele Tonnen schweren Großgeräte, die an diesen Hängen in der Tiefsee die Krusten aufsprengen, ablösen und anschließend an Deck pumpen, gibt es bisher nur als Prototypen.

Ein Schwarzer Raucher am Mittelatlantischen Rücken. Das Foto illustriert einen Beitrag über Tiefseebergbau und die damit verbundenen Risiken. Es zeigt, dass es vielfältiges Leben in der Tiefsee gibt, das an die extremen Bedingungen angepasst ist. Der größte Teil davon ist gänzlich unbekannt. Nur fünf Prozent der Tiefseeebenen ist dem Menschen bekannt.
Ein schwarzer Raucher am mittelatlantischen Rücken, einer Gebirgskette die sich durch den Atlantik zieht, in etwa 2.000 Metern Tiefe. Schwarze Raucher entstehen an hydrothermalen Quellen. Das Wasser ist bis zu 350 Grad heiß, kocht aber aufgrund des hohen Drucks nicht. Die gelösten chemischen Bestandteile fallen als Rauch aus. Es entstehen die mineralienreichen Massiv-Sulfide. Viele Lebewesen, wie die Anemonen, leben in Symbiose mit Bakterien, die es in den Zwischenräumen der Erdkruste gibt. © ROV SuBastian / Schmidt Ocean Institute

Die Massivsulfide erloschener sogenannter „Schwarzer Raucher“ wiederum sind ähnlich herausfordernd. Diese hydrothermalen Schlote gibt es an den mittelozeanischen Rücken, wo die Erdplatten auseinanderdriften. An der Basis der dort nur vier bis sechs Kilometer dicken Erdkruste befinden sich Kammern mit 1.200 Grad heißem Basaltmagma. Kaltes Meerwasser dringt stetig in die sich bildenden Basaltgesteine der Erdkruste ein.

Unter anderem aufgrund seines Salzgehalts ist das Tiefenmeerwasser aggressiv genug, um Metalle aus dem Basalt zu lösen. Durch den hohen geothermischen Gradienten – die Temperatur des Wassers steigt hier innerhalb von wenigen hundert Metern bis auf 400 Grad an – entsteht eine heiße Flüssigkeit, die unter dem hohen Druck der Überlagerung wieder nach oben befördert wird und beim Austritt den namensgebenden schwarzen Rauch bildet. Im kalten Meerwasser fallen dann sofort Metallsulfide aus und bilden die typischen Schornsteine, die nach einiger Zeit inaktiv werden. Wenn das passiert, hat sich eine Lagerstätte für Kupfer, Zink und sogar Gold gebildet, die neben Eisen auch viel Schwefel enthält.

×

Zahlen & Fakten

Seelilie in einer Petrischale. Das Bild ist Teil eines Beitrags über die Ozeane und die Risiken von Tiefseebergbau. Tiefseebergbau soll Rohstoffe für die Energiewende bringen, darunter Kobalt, Nickel und Lithium. Die Ozeane sind allerdings für das Leben auf der Erde zentral, insbesondere ihre Biodiversität. Die abgebildete Seelilie stammt aus der Clarion Clipperton-Zone im Pazifik.
Dieses Tier aus der Klasse der Seelilien (Crinoidea) stammt vom Grund der Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik. Entdeckt wurde es 2023. Seelilien gibt es seit 516 Millionen Jahren. © Getty Images

Aliens in dunkler Stille

Die Tiefen der Ozeane sind eine Welt, in der Schnecken Füße aus Eisen haben, Kalmare mit Lichtblitzen jagen und Energie direkt aus dem Erdinneren strömt.

  • Tiefste Tiefen. Dass die Tiefsee tief ist, nämlich bis zu 11.000 Meter, weiß man seit der Expedition der „HMS Challenger“ in den Jahren 1872 bis 1876. Ab 200 Meter Tiefe wird es dunkel, ab etwa 1.000 Metern ist es pechschwarz.
  • Buntes Leben. In dieser Dunkelheit jagen Riesenkalmare mithilfe von Lichtblitzen; man weiß, dass sie bis zu 3.000 Meter tief tauchen können. Dort jagen aber auch Pottwale, deren Beute die Kalmare sind. Auch die Schuppenfuß-Schnecke, die Fuß und Gehäuse mit Eisen panzert, lebt in dieser Tiefe. Sie bevorzugt die Nähe von hydrothermalen Quellen, wo 400 Grad heißes Wasser aus dem Erdinneren herausschießt und wo sich die begehrten Massivsulfide bilden.
  • Unbekannte Welt. Der aktuelle Hotspot des Tiefseebergbaus, die Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) im Ostpazifik, ist besonders artenreich: 5.142 verschiedene, bis dahin nie zuvor gesehene Tierarten hat eine britische Expedition dort 2023 gezählt. Die Forscher vermuten 6.000 bis 8.000 Arten, die es nur in der CCZ gibt. Manganknollen sind vielfach ihr Lebensraum.

Die Zuwächse an Metallsulfiden in einzelnen Hydrothermalfeldern können hunderte bis tausende Tonnen pro Jahr betragen. Anders als Manganknollen reichen Massivsulfide aber viele Meter in die Tiefe unterhalb des Meeresbodens. Diese 3D-Topografien der Erzkörper sind nahezu unbekannt und schwer zu erforschen. Ein weiterer Haken: Die Vorkommen befinden sich in sehr kleinen Gebieten, oftmals nur so groß wie ein Fußballfeld.

Die wenigen kommerziellen Versuche, Massivsulfide abzubauen, waren bisher erfolglos: Der Firma Nautilus Minerals, 1997 gegründet, wurden bei der Erschließung in der Bismarcksee zuerst die Kosten und bei erneuten Versuchen 2021 der hohe Druck in 1.700 Meter Tiefe zum Verhängnis. Das belgische Unternehmen GSR verlor zwei jeweils 25 Tonnen schwere Sammelroboter in 4.500 Meter Tiefe, weil die Befestigungen rissen, zuletzt im April 2021. Bisher ist es also nicht gelungen, in Tiefen jenseits von 2.000 Metern in größerem Maßstab erfolgreich Tests durchzuführen. Als DSMF sammelt Nautilus heute Kapital für weitere Versuche, während das zweite Nachfolgeunternehmen, The Metals Company, Manganknollen in der CCZ abbauen will.

Großer Aufwand, geringe Ausbeute

Das Interesse an den Massivsulfiden ist verständlich: Bei Sulfiden sind immerhin 15 Prozent des geförderten Rohstoffs verwertbar (Kupfer, Zink, Blei, Gold und Silber), bei Manganknollen nur gut 2 Prozent (Kupfer, Kobalt, Nickel, Zink und möglicherweise Lithium). Das sind, mit anderen Worten, 85 versus 98 Prozent derzeit nicht sinnvoll verwertbarer Abfall.

Die im Vergleich zu den Massivsulfiden bei Manganknollen geringere Konzentration von Metallen hat mit ihrem Bildungsprozess zu tun. Zehn Prozent der Manganknollen bilden sich durch Adsorption von Metallen, vor allem von Eisen und Mangan, aus dem Meerwasser. Sie lagern sich als Hydroxidkrusten um einen Kern an, zum Beispiel einen in die Tiefe gesunkenen Haifischzahn.

Darstellung der verschiedenen Einflussgrößen auf die "Funktionsweise" des Ozeans. Dargestellt ist, wie mit zunehmender Tiefe die Temperatur sinkt, die Dichte des Wassers zunimmt, ebenso der Salzgehalt und der Druck. Temperatur und Salzgehalt sind Kippelemente bzw. Kipppunkte in diesem System, weil die Ozeanströmungen von Unterschieden im Salzgehalt abhängen.

Neben diesem hydrogenetischen Wachstum gibt es das diagenetische Wachstum aus Porenwasser, das im Meeresboden zirkuliert. 90 Prozent aller Manganknollen entstehen so. Sie wachsen nur ein bis einhundert Millimeter in einer Million Jahre.

Der Prozess und die Geschwindigkeit der Ablagerung hängen von vielen Faktoren ab: Unter anderem ist ein möglichst geringer Sedimenteintrag vom Land wichtig. Zudem können sich Manganknollen bei Überlagerung durch eingetragenes Sediment wieder auflösen. Sie werden zur Quelle für die Bildung neuer Manganknollen. Das heißt auch: Ist ein Gebiet einmal abgebaut, bildet sich in menschlichen Zeiträumen kein Nachschub.

Wirtschaftliche Risiken

Vermutlich lagern viele Milliarden Tonnen von Metallen und anderen (potenziellen) Rohstoffen in den Tiefen der Ozeane – ökonomisch gewinnbar wird allerdings nur ein Bruchteil davon sein. Dieser Unterschied zwischen Ressourcen (der Vorrat, der geologisch nachweisbar ist) und Reserven (der Vorrat, der geologisch nachweisbar und wirtschaftlich gewinnbar ist) ist bedeutsam.

Vermutlich lagern viele Milliarden Tonnen potenzieller Rohstoffe in der Tiefsee – ökonomisch gewinnbar sind nur wenige Millionen.

Wirtschaftliche Gewinnbarkeit hängt von vielen Faktoren ab: Wie hoch sind die Rohstoffpreise? Wie hoch sind Förderkosten und Lizenzgebühren? Wer trägt die Kosten für die Folgen des Bergbaus? Was wirtschaftlich gewinnbar ist, kann sich jederzeit ändern: Rohstoffpreise steigen und fallen, ebenso die Kosten für Infrastruktur und Exploration.

×

Zahlen & Fakten

Mit dem Laden des Inhalts akzeptierst du die Datenschutzerklärung von Datawrapper.

Preisverfall bei Batterie-Rohstoffen

  • Wie eine Analyse der Internationalen Energieagentur (IEA) zeigt, sinken die Preise für jene Rohstoffe, die für erneuerbare Energien gebraucht werden, zum Beispiel für Batterien (Lithium, Kobalt, Kupfer etc.), deutlich. Die IEA sieht auch das Potenzial für Recycling noch nicht ausgeschöpft und verweist für den zukünftigen Rohstoff-Bedarf auf die zunehmende Effizienz der Batterien. Nicht einberechnet hat die IEA dabei die technologische Weiterentwicklung, dass etwa Lithiumbatterien durch Natriumbatterien abgelöst werden.

Die Neuaufschließung einer Lagerstätte eines mineralischen Rohstoffs, etwa Lithium oder Kobalt, dauert mindestens 10 bis 15 Jahre. Bis diese Rohstoffe gefördert sind, kann der Preis auf den Rohstoffmärkten so weit gesunken sein, dass sich der weitere Abbau nicht mehr lohnt. Mit Angebot und Nachfrage hat dies weniger zu tun als mit der Lagerhaltung: Kobalt wird gerade stark nachgefragt, aber die Preise sind seit einem Einbruch um fast 70 Prozent im Jahr 2017 nach wie vor im Keller. Der Bedarf wird vielfach aus den Beständen gedeckt.

Welche Elemente gerade gebraucht werden, ist zudem technologieabhängig. Es ist beim Fortschritt, den etwa Natriumbatterien machen, heute mehr als fraglich, ob Lithium und Kobalt in näherer Zukunft noch in großen Mengen nachgefragt werden. Momentan wirkt die EU-Richtlinie zu den critical raw materials stimulierend: Ab 2030 sollen zehn Prozent des EU-Bedarfs an kritischen Rohstoffen in der EU selbst gedeckt werden können. Das erhöht den Wirtschaftswert von Tiefseebergbau, aber auch den Druck, alternative Technologien zu entwickeln, die ohne kritische Risiko-Rohstoffe auskommen.

Und Risiko-Rohstoffe sind die Ressourcen der Tiefsee tatsächlich, nicht nur aus den genannten wirtschaftlichen Gründen: Die Tiefsee mag extreme Bedingungen aufweisen, unbelebt ist sie nicht. Speziell dort, wo es viele Manganknollen oder Massivsulfide gibt, ist der Artenreichtum besonders groß. Der größte Teil der dort lebenden Organismen ist unbekannt. Ebenso wenig wissen wir über den Beitrag der Biosphäre zur Bildung der Manganknollen. Was wir wissen, ist, dass alle Prozesse, die in den Tiefen des Meeres stattfinden – unter anderem die Bindung von CO² durch Bildung von Karbonatgestein aus Schalenresten mariner Organismen –, sehr langsam sind und darauf beruhen, dass sie ungestört ablaufen können.

Tiefseebergbau unterbricht die Prozesse zwangsläufig: Die Maschinen bringen Licht und Lärm in die dunkle Tiefe, ziehen tiefe Furchen, verdichten den Boden und wirbeln Sediment wolken auf, die sich über viele Kilometer ver teilen. Mit den Manganknollen wird möglicher weise auch die gesamte Bodenfauna hochgepumpt; wird der Schlamm zurück ins Meer gekippt, trübt er das Wasser, wo unter anderem Phytoplankton entsteht, das der Ursprung jeder Nahrungskette auf dem Planeten ist und Sonnenlicht zum Wachsen braucht. Bis der Schlamm wieder auf dem Boden angelangt ist, braucht es Jahrzehnte.

Der Meeresgrund erholt sich nur langsam von Eingriffen – wenn überhaupt: Die Pflugspuren, die ein Test in einem Manganknollen-Feld im Perubecken 1989 zog, sind heute noch deutlich erkennbar.

×

Conclusio

Die technologische Entwicklung was Energiegewinnung, Speichersysteme, Batterien usw. betrifft, schreitet so rasch fort, dass fraglich scheint, ob der aufwändige und ökologisch zerstörerische Abbau von marinen Rohstoffen wie Kobalt, Lithium etc., die derzeit sehr begehrt sind, wirklich notwendig und wirtschaftlich darstellbar ist. Die bisherigen Versuche haben die Ökosysteme der Meere geschädigt, aber sehr wenig Erfolg gebracht. Der Geologe Frank Melcher zeigt, dass für eine realistische Abwägung von Risiken und Nutzen die Preisbildung auf den Rohstoffmärkten und die technologische Entwicklung unbedingt einzubeziehen sind.

Mehr über Ozeane

Mehr Antworten auf Klimafragen

Mehr Neuigkeiten