Vorsicht, Manganknollen!

Manganknollen enthalten derzeit begehrte Rohstoffe, aber auch radioaktive Elemente. Ob das gefährlich ist oder nicht, weiß man erst, wenn man sie untersucht hat.

An Bord eines Schiffs von The Metals Company im Juni 2021. The Metals Company will im Pazifik kommerziell Manganknollen abbauen und führt seit mehreren Jahren Tests für den Tiefseebergbau durch.
An Bord eines Schiffs von The Metals Company im Juni 2021. Das kanadische Unternehmen will im Pazifik kommerziell Manganknollen abbauen und führt seit mehreren Jahren Tests für den Tiefseebergbau durch. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Diffizil. Manganknollen lassen sich nicht so einfach vom Meeresboden aufsammeln, wie es scheint. Doch die Bergbautechniken machen Fortschritte.
  • Altbekannt. Dass die Knollen natürlicherweise radioaktiv sind, weiß man seit den 1960er Jahren. Doch die Folgen für den Tiefseebergbau sind nicht erforscht.
  • Folgerisiko. Die Alphastrahler in den Knollen werden potenziell zu einem Problem, wenn diese in großem Maßstab verarbeitet, transportiert und gelagert werden.
  • Schutz. Strahlenschutzrichtlinien könnten auch für den Tiefseebergbau relevant werden. Die Gesundheitsgefahren sind aber noch nicht erforscht.

Dies ist der vierte Beitrag unseres Schwerpunkts zu den Ozeanen und den Folgen des Tiefseebergbaus – jeden Donnerstag bzw. Freitag im Oktober. Den ersten Beitrag über Ozean und Klima lesen Sie hier, den zweiten über die wirtschaftlichen Risiken des Tiefseebergbaus hier und den dritten zur Ökologie der Tiefsee hier.

Manganknollen wurden vor 150 Jahren im tiefen Ozean entdeckt. Diese schwarzen, kartoffelförmigen Konkretionen kommen auf dem Meeresboden in unterschiedlichen Gebieten der Meere überwiegend in Wassertiefen zwischen 3.000 und 6.000 Metern vor. Die größte Fläche, die mit Manganknollen bedeckt ist, befindet sich in der Tiefsee des nordöstlichen Pazifiks zwischen Hawaii und Mexiko, die Clarion-Clipperton-Zone.

Mehr Meer

Dieses Gebiet ist sieben Mal größer als die Fläche Österreichs und wird aufgrund seiner Ost-West-Ausrichtung auch als „Manganknollengürtel“ bezeichnet. Nach Norden und Süden wird das Gebiet durch die tektonische Clarion-Clipperton-Bruchzone begrenzt. Mit durchschnittlich 15 Kilogramm pro Quadratmeter liegen die Manganknollen hier dicht an dicht.

Diese Manganknollen am National Institute Of Ocean Technology in Chennai, Indien. Auch Indien hat einen Claim in der Clarion-Clipperton-Zone. Das Foto ist Teil eines Beitrags über die Ozeane.
Manganknollen so groß wie Golfbälle am National Institute Of Ocean Technology in Chennai, Indien. Sie stammen wahrscheinlich aus dem Pazifik, denn auch Indien hat einen Claim in der Clarion-Clipperton-Zone. Um so groß zu werden, brauchten diese Knollen viele Millionen Jahre. © Getty Images

Manganknollen wachsen durch die Ablagerung von gelösten Metallionen im Meerwasser an einen Kern, der auf dem Meeresboden liegt. Dieser Kern kann beispielsweise ein verwaister Haifischzahn, ein Gesteinsfragment oder eine Muschelschale sein.

In der umgebenden Wassersäule und im sogenannten Porenwasser, dem feinen Hohlraum zwischen den Sedimentkörnern im Meeresboden, kommen die chemischen Elemente Eisen und Mangan auf natürliche Weise im gelösten Zustand vor. Im Beisein von ausreichend Sauerstoff fallen sie aber nach gewisser Zeit als Oxidhydrate und Oxide aus. Diese schwer wasserlöslichen Feststoffe gleichen dem Rost und Braunstein, die regional bedingt als unerwünschte Bewohner in Trinkwasserrohren oder sogar im Trinkwasser selbst bekannt sein dürften. Auf ganz ähnliche Weise akkumulieren die Eisen- und Mangan-Minerale in Form von sogenannten „Kolloiden“ an den am Meeresboden liegenden Kern. Auch scheinen Bakterien die Bildung von Manganknollen zu befördern.

Während die Manganknollen mit der Zeit wachsen, adsorbieren weitere, ebenfalls gelöste Ionen aus dem umgebenden Meerwasser. Die Elemente können sich aus der Wassersäule oder aus dem Porenwasser an die Manganknollen ablagern. Je nachdem spricht man dabei vom „hydrogenetischen“ beziehungsweise „diagenetischen“ Wachstum der Manganknolle.

Auf diese Weise reichern sich weitere Elemente wie Kobalt, Nickel, Kupfer sowie Seltene Erden in konzentrischen Lagen um den Kern der Manganknolle an, ähnlich wie Jahresringe bei Bäumen. Dabei wird das Wachstum der Manganknollen durch sehr geringe Sedimentationsraten und sauerstoffreiches Bodenwasser im Manganknollengürtel begünstigt.

Das Foto des Schmidt Ocean Institute zeigt den Kiefer eines Wals, der bereits zersetzt ist. Das Foto ist Teil eines Beitrags über die Prozesse in den Ozeanen, die unter anderem Manganknollen entstehen lassen.
Dieser Kiefer eines Wals wurde 2022 in 1.500 Metern Tiefe im Bremer Canyon (Westaustralien) im Indischen Ozean gefunden. Die Kadaver von Walen sind wie anderes organisches Material eine Nahrungsquelle für zahlreiche Organismen. Die Zersetzung geht so lang, bis sich schließlich vielleicht Mineralien um einen Rest anlagern und so – an den richtigen Stellen im Ozean – über Millionen von Jahren Manganknollen bilden. Die Prozesse in den Tiefen der Ozeane sind Teil des Stoffkreislaufs der Erde. © Schmidt Ocean Institute

Die geringen Sedimentationsraten sind in der Tiefsee dadurch bedingt, dass nur wenige Partikel den Weg bis zum Meeresboden schaffen. Regional und saisonal bedingt können außerdem starke Bodenwasserströmungen die Ablagerung von Partikeln auf dem Meeresboden verhindern. Auf diese Weise werden die stetig wachsenden Knollen gewissermaßen auf natürlichem Wege „abgestaubt“ und entkommen massenweise der Vergrabung in den Meeresboden.

Anders als bei Bäumen ist der Wachstumsprozess der Manganknollen allerdings sehr, sehr langsam denn in einer Million Jahre nimmt ihre Dicke um nur um zehn bis 100 Millimeter zu. Das entspricht in etwa der Dicke eines Fingernagels, der über einen Zeitraum von Zehn- bis Hunderttausend Jahren wächst. Im nordpazifischen Manganknollengürtel sind die Manganknollen höchstens zwölf Zentimeter groß, die allermeisten nur ein bis fünf Zentimeter. Diese kleinen Knollen, die nicht größer als ein Golfball sind, sind bereits mehrere Millionen Jahre alt.

Die Abbau-Pläne in der Tiefsee

Bislang werden (noch) nirgendwo Manganknollen abgebaut. In der Theorie scheint das Konzept für den kommerziellen Abbau dabei relativ simpel: Von einer schwimmenden Betriebsplattform soll ein sogenannter „Kollektor“ per Fernsteuerung den Meeresboden abfahren und die Manganknollen aufnehmen, in etwa so wie ein Saugroboter. Die Manganknollen werden dann in einem Rohr über eine Art Lift zur Oberfläche gebracht, in ein Transportschiff verladen und zum nächstgelegenen Hafen zur Weiterverarbeitung transportiert.

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Zahlen & Fakten

Die HMS Challenger bei ihrer Expedition in Seenot. Eine Darstellung aus dem 19. Jahrhundert. Die HMS Challenger war das erste Forschungsschiff, das auch die Tiefe der Ozeane untersuchte. Die Forscher fanden so heraus, wie tief der Ozean sein kann: 11.000 Meter. Da die HMS Challenger auch die ersten Manganknollen an die Oberfläche holte, illustriert die Zeichnung einen Beitrag über Manganknollen und den Tiefseebergbau.
Die HMS Challenger bei ihrer Expedition (1872-1876) – in dieser Darstellung aus dem 19. Jahrhundert gerade in Seenot. Die HMS Challenger war das erste Forschungsschiff, das auch die Tiefe der Ozeane untersuchte. Die Forscher fanden so heraus, wie tief der Ozean sein kann: 11.000 Meter. © Getty Images

Eine kurze Geschichte des Tiefseebergbaus

  • 1873. Während der britischen Challenger-Expedition werden zum ersten Mal Manganknollen vom Meeresboden geborgen und dokumentiert. Ein Großteil der Knollen wird im heute Manganknollengürtel genannten Gebiet im nordöstlichen Pazifik gefunden.
  • 1891. Die Ergebnisse der Challenger-Expedition über Manganknollen werden als Teil einer umfangreichen Studie mit insgesamt 29.500 Seiten veröffentlicht. Die Vielzahl an neu entdeckten Pflanzen und Tieren aus der Tiefsee erlangt dabei größere Aufmerksamkeit als die Knollen.
  • 1965. In seinem Buch The Mineral Resources of the Sea führt John L. Mero erste Hochrechnungen zur Menge Knollen im Manganknollengürtel durch und schätzt ihren wirtschaftlichen Wert ab. John L. Mero gilt als Begründer des Tiefseebergbaus.
  • 1967. Bei der UN-Vollversammlung fordert der maltesische Diplomat Arvid Pardo internationale Regeln, um unter anderem der Verschmutzung der Ozeane vorzubeugen und die mineralischen Vorkommen zu schützen.
  • 1971-1980. Eine zwischenstaatliche Kommission der UNESCO leitet das Forschungsprogramm The International Decade of Ocean Exploration, bei dem Untersuchungen zur „effektiveren Nutzung der Ozeane und seiner Ressourcen“ im Vordergrund stehen.
  • 1974. Die gigantische Hughes Glomar Explorer startet eine Forschungsreise in den Pazifik. Später wird bekannt, dass das Schiff eigentlich für das Azorian-Projekt der CIA gebaut worden war und während der Expedition heimlich ein gesunkenes sowjetisches U-Boot hätte bergen sollen.
  • 1976 bis 1979. Im Manganknollengürtel werden die ersten Tiefseebergbau-Tests durchgeführt.
  • 16. November 1994. Die Internationale Meeresbodenbehörde (IMB) / International Seabed Authority (ISA) wird als Teil des 1982 beschlossenen UN Seerechts-Abkommen gegründet, um die Aktivitäten rund um den Tiefseebergbau in internationalen Gewässern zu organisieren und zu kontrollieren.
  • 2001. China, Frankreich, Japan, Korea, Russland und ein osteuropäisches Konsortium schließen die ersten Verträge mit der ISA und erhalten für 15 Jahre das Recht für Erkundungen im Manganknollengürtel. In den Folgejahren werden für dieses Gebiet elf weitere Erkundungs-Verträge (Explorationsverträge) geschlossen.
  • 2021. Einige große Unternehmen wie BMW, Volvo, Samsung und Google veröffentlichen den Call for a Moratorium und erklären einen Verzicht auf Tiefsee-Rohstoffe für ihre Produktion. Der Inselstaat Nauru, Sponsor des Unternehmens Nauru Ocean Resources Inc. (NORI) beruft sich auf die „Zwei-Jahres-Regel“ der ISA. Diese besagt, dass die ISA die Regeln, Vorschriften und Verfahren für Tiefseebergbau innerhalb von zwei Jahren abschließen muss.
  • 2022. Mehrere Staaten sprechen sich für ein Moratorium, eine vorsorgliche Pause oder ein vollständiges Verbot des Tiefseebergbaus aus. Das kanadische Explorationsunternehmen und NORI-Inhaber The Metals Company und sein Schweizer Offshore-Partner Allseas geben bekannt, dass NORI den ersten erfolgreichen integrierten Systemtest im Manganknollengürtel seit den 1970er Jahren durchgeführt hat.
  • 9. Juli 2023. Die Zwei-Jahres-Frist läuft ab, allerdings reicht NORI noch keinen Antrag auf Abbau ein. Kurz danach erklärt die ISA die Absicht, im Jahr 2025 ein Regelwerk zum Tiefseebergbau auf den Weg zu bringen.
  • 2024. Aktuell unterstützen 32 Länder die Global Tide of Opposition to Deep-Sea Mining und erklären ein Moratorium, eine „vorsorgliche Pause“ oder ein vollständiges Verbot des Tiefseebergbaus während Norwegen Lizenzen für den kommerziellen Abbau auf dem norwegischen Festlandssockel zwischen Grönland und Norwegen vergibt.

Neben der Frage nach Legislative und Strategie ist der Manganknollen-Abbau in der Tiefsee auch in der Praxis allerdings ein schwieriges und bislang noch teures Unterfangen. Denn neben der großen Wassertiefe sind das korrosive Meerwasser, Temperaturen nahe des Gefrierpunktes und ein permanent hoher Druck von mehreren Hundert bar nur einige der Herausforderungen für die Tiefsee-Technologie. Zum Vergleich: enorm leistungsstarke Hochdruckreiniger, die zum Abtragen von Beton, Asphalt und Bitumen verwendet werden, spielen in einer ähnlichen Druck-Liga wie sie dauerhaft in der Tiefsee auftreten.

Die Abbautechniken und -geräte, die seit den 2010er Jahren entwickelt wurden, könnten aus dem langjährigen Konzept eines kommerziellen Manganknollen-Abbaus in der Tiefsee jedoch langsam Wirklichkeit werden lassen. Obwohl bislang meist nur kleinere, leichtere Prototypen der Kollektoren getestet wurden, die man für einen kommerziellen Abbau im Manganknollengürtel braucht, ist der technologische Fortschritt in den letzten Jahren durchaus beeindruckend. Der Systemtest des Unternehmens Nauru Ocean Resources Inc. (nunmehr The Metals Company) im Jahr 2022 dürfte dabei vorherige Tests im nordöstlichen Pazifik überbieten, denn hier wurden 4.500 Tonnen Manganknollen nicht nur vom Meeresboden eingesammelt, sondern zum Großteil sogar aus 4.300 Metern Tiefe bis an die Oberfläche transportiert und dort verarbeitet.

Das Problem mit der Radioaktivität

Diese zunehmende technische Machbarkeit hat in jüngsten Jahren die Sorge um die Erhaltung der Artenvielfalt und Lebensgemeinschaften am Meeresboden der Tiefsee wachsen lassen. Zu den möglichen ökologischen Folgen von Tiefseebergbau wird seit mehr als dreißig Jahren Forschung betrieben. Ebenso wird seit vielen Jahren an der metallurgischen Verarbeitung der Manganknollen geforscht, um die Metalle zu extrahieren.

Bei den Plänen des kommerziellen Tiefseebergbaus wurde bislang allerdings nicht berücksichtigt, dass die Manganknollen aus dem Nordpazifik natürliche radioaktive Stoffe wie Thorium-230 und Radium-226 enthalten. Dabei ist diese Tatsache alles andere als neu und bereits seit über 100 Jahren bekannt, sie scheint allerdings noch nie unter dem Aspekt des Strahlenschutzes beleuchtet worden zu sein. Seit den 1960ern wurden sogar zahlreiche wissenschaftliche Studien durchgeführt, die diese radioaktiven Stoffe zur Altersbestimmung der Manganknollen verwendeten.

Ein Skorpion-Fisch im Juli 2024 in den Tiefen vor Peru in der Nähe der Seeberge des Chile-Rückens (Nazca Ridge). Der Chile-Rücken ist eine Subduktions-Zone und besonders artenreich, wie eine Forschungsexpedition des Schmidt Ocean Institute gezeigt hat. Das Bild ist Teil eines Beitrags über die Tiefsee und Tiefseebergbau. Insbesondere geht es um Manganknollen im Pazifik.
Ein Skorpion-Fisch im Juli 2024 in den Tiefen des Pazifik vor Peru in der Nähe der Seeberge des Chile-Rückens (Nazca Ridge). Der Chile-Rücken ist eine Subduktions-Zone und besonders artenreich, wie eine Forschungsexpedition des Schmidt Ocean Institute gezeigt hat. © Schmidt Ocean Institute

Diese natürlich vorkommenden radioaktiven Isotope Thorium-230, Radium-226 sind Produkte aus der Zerfallsreihe des Uranisotops Uran-238. Als Isotope bezeichnet man dabei Varianten desselben chemischen Elements, die sich durch unterschiedliche Neutronenzahl in ihrem Atomkern voneinander abgrenzen. Atome wiederum sind die Bausteine aller chemischen Elemente, also aller Materie, und sie bestehen aus einem Atomkern mit Neutronen und Protonen und einer Elektronenhülle. Das Uranisotop U-238 kommt in der Natur am häufigsten vor und macht damit den Großteil des chemischen Elements Uran aus.

Uran dürfte als Bestandteil von Pechblende (Uranerz) als Zielobjekt von Uranbergbau bekannt sein, welcher im Erzgebirge seinen Ursprung hatte. Später entdeckten Forscher, dass Uran-Minerale unsichtbare Strahlung aussenden und bezeichneten dieses Phänomen als „Radioaktivität“. Es beschreibt die Eigenschaft, dass sich Atomkerne instabiler „Mutterisotope“ spontan unter Energieabgabe oder durch Aussendung von Teilchen in „Tochterisotope“ umwandeln.

Seinen Ursprung hat Uran-238 aus der Entstehungszeit des Sonnensystems und seither wird es durch Verwitterungsprozesse aus Gesteinen herausgelöst und über Flüsse ins Meer transportiert, genauso wie auch die Salze im Meerwasser. Obwohl Uran-238 das Mutterisotop für die in den Manganknollen vorkommenden Tochterisotope Thorium 230 und Radium-226 ist, zeigt es im Vergleich nur geringe Aktivitätswerte in den Knollen.

Das ist damit zu erklären, dass die Tochterisotope nicht durch den Zerfall von Uran-238 direkt in den Manganknollen entstehen, sondern sich aus dem umgebenden Meerwasser an diesen ablagern. Denn Thorium 230 und Radium-226 kommen (durch den Zerfall von Uran-238) natürlicherweise in geringen Mengen in gelöster Form im Meerwasser vor und akkumulieren aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften an Partikel.

Die Mangan-Minerale in den Knollen haben dabei eine besonders starke Anziehungskraft für diese Isotope und reichern sie über lange Zeiträume aus dem Meerwasser an der Knollenoberfläche an. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Tochterisotop Protaktinium-231 aus der Uran-235 Zerfallsreihe.

Beim radioaktiven Zerfall von Uran-238, Thorium-230 und Radium-226 wird primär Alphastrahlung ausgesendet. Dabei setzen diese sogenannten „Alphastrahler“ (Alpha-)Teilchen frei, die sich mit einer sehr geringen Reichweite nur wenige Zentimeter in der Luft ausbreiten. Außerdem hat die Alphastrahlung ein nur geringes Durchdringungsvermögen und kann mit lediglich einem Blatt Papier leicht abgeschirmt werden.

Somit stellt die äußere Einwirkung von Alphastrahlung auf den menschlichen Körper ein sehr geringes Gesundheitsrisiko dar. Das Gesundheitsrisiko steigt allerdings drastisch, wenn die Alphastrahler über die Atemluft oder über Nahrung in den Körper gelangen. Denn da die Alpha-Teilchen auf sehr kurzer Distanz relativ hohe Energien abgeben, können sie das menschliche Gewebe im Körper stark schädigen.

Dieser Zusammenhang legt die Vermutung nahe, dass das natürliche Andocken von Alphastrahlern an den Manganknollen vor allem während der industriellen Verarbeitung der Manganknollen mit Gesundheitsrisiken für den Menschen verbunden sein könnten.

Potenzielle Risiken

Bei Betrachtung der anvisierten Prozesskette für kommerziellen Tiefseebergbau könnten dabei folgende Risiken entstehen:

  • Da die Manganknollen an der Luft austrocknen und dadurch schnell porös werden, könnten bei der Lagerung und Verarbeitung Stäube entstehen, die eingeatmet werden können. Stäube von der Knollenoberfläche könnten dabei besonders hohe Aktivitätswerte der angereicherten Alphastrahler aufweisen.
  • Bei mehrtägiger Lagerung von großen Mengen an Manganknollen in geschlossenen oder schlecht belüfteten Räumen, wie es vermutlich während des Transportes an Land vorgesehen ist, könnten sich außerdem beunruhigend hohe Konzentrationen von Radon in der Luft ausbreiten. Denn das radioaktive Edelgas Radon bildet sich durch den radioaktiven Zerfall von Radium-226 und gilt nach dem Rauchen als zweitwichtigster Risikofaktor für Lungenkrebs.

Auf der Suche nach einer Direktive für den sicheren Umgang mit Manganknollen können derzeit nur (inter)national gültige maximale Aktivitätswerte (natürliche) radioaktive Stoffe im Rahmen von Strahlenschutzverordnungen gefunden werden, zum Beispiel für Österreich, Deutschland, der Europäischen Atomgemeinschaft EURATOM und der Internationalen Atomenergie-Organisation.

Diese sogenannten „Freigrenzen“ geben Aktivitätswerte an, bis zu denen der berufliche Umgang mit radioaktiven Stoffen genehmigungsfrei ist, da von ihnen nur eine vernachlässigbar geringe Gefährdung ausgeht. Da es keine sonstigen Orientierungswerte gibt, sollte man meinen, dass diese derzeit gültigen Freigrenzen für eine erste Einschätzung zur potenziellen Gefährdung im Umgang mit Manganknollen herangezogen werden können.

Darstellung der verschiedenen Einflussgrößen auf die "Funktionsweise" des Ozeans. Dargestellt ist, wie mit zunehmender Tiefe die Temperatur sinkt, die Dichte des Wassers zunimmt, ebenso der Salzgehalt und der Druck. Temperatur und Salzgehalt sind Kippelemente bzw. Kipppunkte in diesem System, weil die Ozeanströmungen von Unterschieden im Salzgehalt abhängen. Das Bild ist Teil einer Serie über die Ozeane, die sich mit Tiefseebergbau Manganknollen, den Ozeanströmungen und der Ökologie der Tiefsee befasst.
Mit zunehmender Tiefe werden die Bedingungen im Ozean schwieriger für den Tiefseebergbau. Je tiefer desto kälter ist es und umso höher der Druck und der Salzgehalt. © Julia Zott

Obwohl diese Annäherung der Gefährdungseinschätzung unzulässig zu sein scheint (siehe Stellungnahme des Konsortium Deutsche Meeresforschung zur Radioaktivität in Manganknollen vom September 2023), wurde dieser Sachverhalt selbst in wissenschaftlichen Kreisen vielerorts als Neuigkeit aufgenommen und hat darauf aufmerksam gemacht, dass ein vorsichtiger Umgang mit Manganknollen ratsam ist.

Eine weitere erfreuliche Folge ist, dass derzeit weitere Untersuchungen unter dem Aspekt des Strahlenschutzes durchgeführt werden. Denn die genauen gesundheitlichen Risiken können nur unter Berücksichtigung der sogenannten „effektiven Dosis“ von Experten erfolgen, die die Wirksamkeit der Strahlung sowie die Empfindlichkeit der Organe unter realistischen Szenarien einbeziehen. Diese Prüfung lässt hoffentlich bald eine fundierte Aussage über die gesundheitlichen Risiken und gegebenenfalls die Erstellung entsprechender Schutzmaßnahmen im Umgang mit Manganknollen zu.

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Conclusio

Die Tücke könnte auch beim kommerziellen Abbau von Rohstoffen aus der Tiefsee im Detail liegen: Manganknollen, die sich für einen Abbau anbieten, da sie relativ lose auf dem Sediment liegen, enthalten natürliche radioaktive Stoffe. Das Gesundheitsrisiko, das von diesen Alpahstrahlern ausgeht, lässt sich nicht bestimmen, bevor man die Knollen nicht aus der Tiefsee geholt hat. Erst in der Wertschöpfungskette – Verarbeitung an Bord, Transport, Lagerung etc. – entfaltet sich ein möglicherweise gefährliches Potenzial. Abgesehen von den unerforschten Folgen von Tiefseebergbau in einem Gebiet und in Ökosystemen, die für die dauerhafte Entfernung von Kohlendioxid zentral sind, ergeben sich so weitere Risiken, die noch nicht abschätzbar und wirtschaftlich bislang nicht darstellbar sind.

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