Deutschlands Schicksalswahl

Deutschland steht am Scheideweg: Nach Jahren politischer und wirtschaftlicher Turbulenzen könnten die Wahlen den Weg für umfassende Reformen oder weitere Krisen ebnen. Drei mögliche Szenarien einer ungewissen Zukunft. 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) neben Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union und CDU-Bundesvorsitzender, vor dem TV-Duell am 9. Februar 2025 in Berlin. Das Bild illustriert einen Artikel über drei mögliche Zukunftsszenarien für Deutschland.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) neben Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union und CDU-Bundesvorsitzender, vor dem TV-Duell am 9. Februar 2025 in Berlin. © Getty Images

Nach sechzehn Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel und drei Jahren Regierungszeit von Olaf Scholz steckt Deutschland in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Das wirtschaftliche Erfolgsrezept, Fleiß und Bildung der Bevölkerung mit dem Erfindergeist der Unternehmer und billiger Energie zum Bau einer Industrie der Weltklasse zu verbinden, ist in zwei Jahrzehnten links-grüner Gefälligkeitspolitik zerstört worden.

Der Sozialstaat ist unbezahlbar, die Schulen gehen unter pädagogischen Experimenten und der Zuwanderung unvorbereiteter Kinder aus anderen Kulturkreisen in die Knie, Unternehmer und Unternehmen werden von einer kafkaesken Staatsbürokratie gegängelt und Energie ist aufgrund der verkorksten Energiewende so teuer wie kaum in einem anderen Land.

Gleichzeitig tobt der Kulturkampf zwischen moralisierenden links-grünen Aposteln und einer sich von diesen unterdrückt fühlenden Mehrheit in der Gesellschaft. Staatsmedien propagieren die Energiewende, indem sie Klimawandelapokalypsen an die Wand malen, nerven mit orwellschem „Gendersprech“ und verharmlosen die Bedrohung der öffentlichen Sicherheit durch gewaltaffine Zuwanderer.

Geopolitisch ist Deutschland in einer staatsbürokratischen, geopolitisch impotenten Europäischen Union eingebettet, die zwischen dem russischen Aggressor und einer gegenüber Europa vermutlich indifferenten USA zerquetscht werden könnte.

Umfragen sagen, zwei Drittel der Wähler wünschen einen Regierungswechsel – und damit wohl auch eine andere Politik. Viel besser als die Politiker in der Berliner Blase haben die Wähler erkannt, dass die multiplen Disruptionen in Wirtschaft, Gesellschaft und Geopolitik Deutschland in den Abgrund stoßen werden, wenn umfassende Reformen ausbleiben. Doch die Aussichten dafür sind mau.

Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat der CDU/CSU, hat an der „Brandmauer“ gegen die AfD ein bisschen gerüttelt. Solange er sie nicht niederreißt, kann sich das links-grüne Lager jedoch wie weiland die DDR-Granden hinter ihrem „antifaschistischen Schutzwall“ verschanzen, um den Politikwechsel zu verhindern. Merz meint, er könne als Kanzler Koalitionspartner aus dem links-grünen Lager nötigenfalls auf Reformkurs bringen. Doch wie soll das gehen, wenn er nur auf diese angewiesen sein will? Das Erpressungspotenzial von SPD und den Grünen ist dann so groß, dass aus einer der „Ampelkoalition“ folgenden Regierung lediglich eine „Ampel-light“ werden wird – und die Reformen ausbleiben.

Umfragen sagen, zwei Drittel der Wähler wünschen einen Regierungswechsel – und damit wohl auch eine andere Politik. Aber was kommt dann? Versucht man, diese Frage anhand von ein paar Zukunftsszenarien zu beantworten, mit denen man in diesem Fall rechnen sollte, wird deutlich, was auf dem Spiel steht.

Szenario 1: Die Gesellschaft kippt

Auch der neuen Bundesregierung gelingt es nicht, die massive Zuwanderung in den deutschen Sozialstaat zu beenden. Die Asylunterkünfte platzen aus allen Nähten, die Sozialausgaben steigen weiter in schwindelnde Höhen, unter dem Gebaren illegaler Zuwanderer verfällt die innere Sicherheit und die Masse fremdsprachiger Kinder aus patriarchalischen Kulturen überwältigt die Schulen. Statt Facharbeitern erzeugen sie allenfalls Hilfsarbeiter, wenn die Schulabbrecher nicht ohne Umweg gleich in die Sozialversorgung gehen.

Moralisierende staatliche Medien schüren durch verstärktes Bemühen zur Volkserziehung das Feuer und die Alternative für Deutschland wird in den Umfragen zur größten Partei. Die Regierungsmehrheit im Bundestag stellt beim Verfassungsgericht einen Antrag auf das Verbot der AfD. Großdemonstrationen und Straßenschlachten zwischen AfD-Anhängern einerseits und Regierungsanhängern sowie „Antifa-Aktivisten“ andererseits überfordern die Polizei. In der „Ampel-light-Koalition“ reißt Streit unüberbrückbare Gräben auf. Die Regierung zerfällt und es gibt Neuwahlen.

Moralisierende staatliche Medien schüren durch verstärktes Bemühen zur Volkserziehung das Feuer und die Alternative für Deutschland wird in den Umfragen zur größten Partei.

Die AfD gewinnt dort die absolute Mehrheit und bildet eine Regierung, die Deutschlands Austritt aus der Europäischen Union erklärt. In der Wirtschaftspolitik will sie zum „Rheinischen Kapitalismus“ mit Schulterschluss zwischen Politik und Großindustrie zurückkehren. Außenpolitisch schließt sie ein Bündnis mit Russland und tritt dem chinesischen Seidenstraßenprojekt bei.

Szenario 2: Putins Traum von Eurasien wird wahr

Donald Trump lässt die Ukraine im Stich. Die schwachen Regierungen in Deutschland und Frankreich erweisen sich als unfähig, Europa dazu zu bringen, die von den USA gerissene Lücke zu füllen. Putin-Russland unterwirft die Ukraine und marschiert in Lettland und Litauen ein, um einen Landkorridor nach Kaliningrad zu schaffen. Polen greift Russland an, kann sich aber gegen die russische Armee nicht behaupten. Die in Litauen stationierten deutschen Truppen strecken die Waffen. Voller Angst und ohne kampfbereites Militär unterwirft sich Deutschland Russland. Viele Ostdeutsche schwelgen in Erinnerungen an gute alte DDR-Zeiten und heißen das große Brudervolk herzlich willkommen.

Frankreich und das Vereinigte Königreich verstecken sich hinter dem Rhein und dem Ärmelkanal. Sie drohen mit einem Atomkrieg, falls Russland sie angreifen sollte. Russland akzeptiert die Neutralität von Frankreich und Großbritannien und proklamiert „Eurasien“ unter seiner Führung. Ungarn, Österreich, die Slowakei, Tschechien, Rumänien, Serbien und andere schließen sich dem Staatenbund freiwillig an. Eurasien erstreckt sich im Westen bis zum Rhein und im Süden bis zu den italienischen Alpen. Die Schweiz, Italien und Spanien erklären im Einvernehmen mit Russland ihre Neutralität. Die USA betrachten die Neuordnung Europas als eine lokale Angelegenheit, die sie nicht betrifft.

Szenario 3: Wirtschaftlicher Niedergang

Aufgrund der jahrelangen Forcierung erneuerbarer Energie und der Vernachlässigung des Baus von Kraftwerken für die Grundversorgung kommt es bei „Dunkelflauten“ und übermäßiger Sonnenstrahlung zu immer häufigeren „Brown-outs“ und „Black-outs“ bei der Elektrizitätsversorgung. Große Industrieunternehmen verlagern die Produktion ins Ausland, mittelständische Unternehmen ziehen ihnen nach oder brechen zusammen. Kleine Unternehmen überleben nur, wenn sie die Lücken bei der zentralen Stromversorgung mit Dieselgeneratoren überbrücken. Die Arbeitslosigkeit steigt innerhalb eines Jahres um mehr als eine Million.

Der Betrieb stromintensiver Datenzentren für Softwareunternehmen wird unmöglich. US-Technologieunternehmen schränken aufgrund von Datenschutzregulierungen, Ethikvorschriften und der Wettbewerbspolitik der Europäischen Union den Zugang zu ihrer Künstliche-Intelligenz-Software für Bürger der EU drastisch ein. Informatiker und Softwareentwickler in Betrieben und Universitäten wandern mangels beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten ab. Die Wirtschaft der Europäischen Union verliert den technologischen Anschluss und steigt vom Entwickler und Anbieter mittlerer Technologien – wie gegenwärtig noch in der Autoindustrie – zum Nutzer einfacherer, elektromechanischer Technologien ab. Die Digitalisierung geht in den Rückwärtsgang, da leistungsfähige Computer und Datenzentren fehlen. Das Pro-Kopf-Einkommen in der EU kreuzt das Niveau aufsteigender asiatischer Entwicklungsländer auf dem Weg nach unten.

Kein weiter wie bisher

Natürlich wird keines dieser Szenarien in Reinform eintreten. Aber mit Varianten und Kombination muss man rechnen, wenn alles bleibt, wie es ist. Um den Niedergang und Fall abzuwenden, müssten die deutschen Wähler die links-grüne Kulturhoheit brechen und einer neuen Regierung den klaren Auftrag erteilen, das Geschäftsmodell der deutschen Wirtschaft zu erneuern und die deutsche Militärmacht zu stärken.

Dazu müsste der Staatssektor geschrumpft, die Regulierungen mit der sprichwörtlichen Kettensäge durchforstet, Sozialleistungen abgebaut, Steuern vereinfacht und gesenkt, Arbeitsanreize erhöht, die Kernenergie wieder aufgebaut und das Militär auf die Dimension der kalten Kriegszeit ausgebaut werden.

Merz muss mehr Milei wagen: ‚Afuera!' mit der links-grünen Kulturhoheit und ‚Freiheit, verdammt noch mal!'

Friedrich Merz will „all-in“ gehen. Dafür dürfte er aber den Politikwechsel nicht der vom links-grünen Lager definierten politischen Korrektheit unterordnen. Er müsste Reformen in Wirtschaft und Gesellschaft ohne Wenn und Aber wollen, für eine Politik stehen, die eine neue Gründerzeit will, mit Nachfolgern von Werner von Siemens, Friedrich Bayer, Carl Zeiss, Robert Bosch, Gottlieb Daimler, Carl Benz und anderen, die den US-Unternehmern von heute wie Elon Musk, Jeff Bezos, Jensen Huang oder Mark Zuckerberg auf Augenhöhe begegnen können. Und wenn Reformen nur mit einer auch von der AfD tolerierten Minderheitsregierung möglich wären, müsste Merz die Erneuerung Deutschlands über den Erhalt der Brandmauer stellen.

Altes muss niedergerissen werden, damit Neues Platz hat, sonst bleibt statt der „schöpferischen Zerstörung“ nach Josef Schumpeter nur die Zerstörung. Merz muss mehr Milei wagen: „Afuera!“ mit der links-grünen Kulturhoheit und „Freiheit, verdammt noch mal!“

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