Der Traum vom Jurassic Park

Auch wenn die Faszination für Dinosaurier ungebrochen ist: Dass wir sie wieder zum Leben erwecken können, scheint derzeit eher unmöglich. Vielleicht ist das aber gar nicht so schlecht.

EIne Illusration, die einen Tyrannosaurus rex zeigt
Der Tyrannosaurus rex war ein gefürchteter Räuber – und wird so schnell nicht mehr wiederkommen. © Oriana Fenwick
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Auf den Punkt gebracht

  • Faszination Saurier. Die ausgestorbene Spezies fasziniert alle und öffnet die Tür für mehr Interesse an der Paläontologie.
  • Sehnsucht Jurassic Park. Insofern ist es kein Wunder, dass uns die Idee eines Jurassic Parks weiterhin begeistert.
  • Derzeit leider nein. Realistisch ist das aber nicht: Die ältesten DNA-Spuren die wir gefunden haben, sind gerade einmal zwei Millionen Jahre alt.
  • Die Sinnfrage. Die andere Frage, die wir uns stellen müssen: Selbst wenn wir könnten, sollten wir die Saurier überhaupt zurückholen?

Wenn ich die Augen schließe, denke ich mir manchmal: Es wäre schon einmal cool, im Mesozoikum mit den damaligen Lebewesen zu schwimmen. Mit den Ammoniten, mit den Raubfischen und den Fischsauriern an der Küste herumzuschnorcheln. Obwohl manche von denen vermutlich keine Kostverächter gewesen wären, wenn sie einen Menschen gesehen hätten. Pliosaurier waren zwanzig Meter lange Raubtiere. 

Saurier sind für mich nur ein kleiner Teil meiner Tätigkeit – obwohl ich Pliosaurier erstmals in Österreich nachgewiesen habe. Wir Paläontologen befassen uns mit allem, das älter als 10.000 Jahre ist. Und ich mit vielem, das noch sehr viel älter ist – gerade erst führen wir eine Bohrung in eine Konservatlagerstätte der karnischen Krise durch, die vor rund 233 Millionen Jahren zu einem Massensterben unter den Arten geführt hat. Es war eine jener Naturkatastrophen, die den Weg für die Dominanz der Saurier auf der Erde geebnet haben.

Die unerfüllte Sehnsucht nach dem Jurassic Park

Aber auch wenn ich mich in meiner täglichen Arbeit nur am Rande mit Sauriern beschäftige: Für uns als Paläontologen sind die Jurassic-Park-Filme natürlich super. Kaum erscheint ein neuer Film, wollen alle Paläontologen werden und auch bei uns Dinosaurier finden. Es gibt dem Fach immer einen Push. Dinosaurier, genauso wie Mammuts, triggern etwas in uns. Die interessieren die Leute beim Würstelstand genauso wie die Professoren. Ich bin viel in Schulen unterwegs, und die Dinosaurier sind immer der Türöffner für das Interesse an der Paläontologie.

Leider muss man sagen: Der Beginn des Films ist der Part, der am Unmöglichsten scheint.

Deshalb verstehe ich die Sehnsucht nach einem Jurassic Park. Wir kennen alle den Beginn der Filmreihe: Alles geht von der Idee aus, dass man von einer in Bernstein erhaltenen Stechmücke die DNA eines Dinosauriers extrahieren kann, dessen Blut sie gesaugt hat. Leider muss man sagen: Der Beginn des Films ist der Part, der am Unmöglichsten scheint. Ich bin kein Hardliner, der sagt: Um Gottes Willen, das kann ich mir als Wissenschaftler nicht anschauen. Ich finde die Filme toll, es werden auch immer Wissenschaftler zu Rate gezogen. Natürlich, die Saurier sind in den Filmen größer als sie es in Wirklichkeit vermutlich waren und vielleicht haben sie auch nicht immer die richtige Farbe, aber: Es ist ein Unterhaltungsfilm. Ein zwanzig Zentimeter großer Dino interessiert ja keinen Menschen.

Trotzdem halte ich es derzeit nicht für realistisch, dass der Jurassic Park Realität wird und dass es uns gelingen wird, Saurier zurückzuholen. Denn dafür bräuchten wir die DNA von Sauriern. Und nur um das zeitlich einzuordnen: Die Mammuts, ein anderes Tier, das zurückgeholt werden soll, sind nach neuesten Erkenntnissen auf einigen Inseln erst vor 4.000 Jahren ausgestorben; die Dinosaurier sind bekanntlich vor rund 66 Millionen Jahren ausgestorben. Der zeitliche Sprung zu den Dinos ist ein großer.

DNA-Puzzles

Und die Halbwertszeit von DNA (ancient DNA) liegt neuesten Studien zufolge bei 521 Jahren. Aber das ändert sich mit der Temperatur, es ist wie im Kühlschrank: Je kälter es ist, desto besser bleibt die DNA erhalten. Das älteste bekannte genetische Material ist rund zwei Millionen Jahre alt: In Grönland wurden 60 Sedimentproben extrahiert und dann verschiedenste Rückstände von DNA von Tieren und Pflanzen festgestellt. Daraus kann man kein Tier bauen, aber es waren richtige DNA-Stücke. Aus diesen DNA-Stücken konnten die Forscher den ganzen Lebensraum rekonstruieren – Grönland war damals ein Wald, dort lebten Mammuts, die Vorfahren von Rehen, es wurden auch Spuren von Pfeilschwanzkrebsen gefunden. Man kann aus dieser DNA auch ablesen, wie das Klima war.

So alte Funde sind möglich geworden, weil sich die Analysemethoden so sehr verbessert haben. Insofern gehe ich davon aus, dass auch noch ältere DNA-Spuren gefunden werden – es ist nach dem aktuellen Wissenstand vorstellbar, sechs Millionen Jahre alte DNA-Spuren zu finden. Aber da reden wir immer noch DNA-Stücken; bei 60 Prozent der in Grönland gefundenen DNA ist nicht einmal bekannt, zu welchem Organismus die DNA gehört. Das ist wie ein Puzzle.

Hühnerfarm statt Jurassic Park?

Sechs Millionen Jahre sind immer noch nur noch ein Zehntel von dem, was wir für die Saurier bräuchten. Zwar wurden winzige Knorpelteile mit 75 Millionen Jahre alten Spuren von Entenschnabel-Dinosaurier-DNA in den Rocky Mountains (Montana, USA) gefunden, aber warum es sich dabei genau handelt, ist noch unklar. Vermutlich deshalb hatte der Paläontologe Jack Horner, der als Berater für die Jurassic-Park-Filme agierte, eine andere Idee; er nennt es das Dino-Chicken-Project: Er will aus einem Huhn einen Saurier zu dekonstruieren.

Wenn man das Skelett eines Huhns neben das eines kleinen Raubsauriers legt, wird man nahezu keinen Unterschied feststellen können.

Hühner sind tatsächlich nahe Verwandte der letzten Dinosaurier, zunehmend werden Dinosaurier auch befiedert dargestellt. Ich habe vor 18 Jahren das erste Modell eines gefiederten Raptors – des Deiononychus– ins Naturhistorische Museum in Wien geholt, da hatte die damalige Direktion noch Angst, dass wir uns damit wissenschaftlich in die Nesseln setzen. Aber ich hatte recht, das Federkleid ist mittlerweile nachgewiesen.

Wenn man das Skelett eines Huhns neben das eines kleinen Raubsauriers legt, wird man nahezu keinen Unterschied feststellen können, wenn man nicht vom Fach ist. So nahe ist der Verwandtschaftsgrad zwischen Vögel und manchen Dinosauriergruppen. Man kann heute auch eine Schuppe genetische so anregen, dass innerhalb von zwei Tagen eine Feder daraus erwächst – evolutionär sind Federn aus Schuppen entstanden. Es ist nicht meine Art von Wissenschaft, aber man kann da schon ein bisschen „Gott spielen“ und herumexperimentieren, was alles möglich ist.

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Zahlen & Fakten

Österreichs einziger Dino

Knochen des Struthiosaurus austriacus wurden bereits 1871 bei Muthmannsdorf in Niederösterreich entdeckt. Er war nicht unbedingt ein Äquivalent zu den großen Raubsauriern: Österreichs Dino war schwerfällig und schwerhörig, ernährte sich von Pflanzen und war aufgrund seiner eingeschränkten Möglichkeiten, mit der Umwelt zu kommunizieren, ein Einzelgänger.

Ich glaube trotzdem nicht, dass das Dino-Chicken-Project im Bereich des Möglichen liegt. Und wenn es möglich wäre, wäre es längst schon passiert. Ich kenne genug Kollegen, die sich dessen bereits angenommen hätten, und ich bin mir sicher, Elon Musk hätte es finanziert. Horner gefällt die Idee, weil er ein großer Dino-Fan ist, aber ich kenne abseits von ihm niemanden, der sagt, dass man das machen kann – oder machen soll.

Wo sollten Dinosaurier überhaupt leben?

Wir müssen uns auch die Frage stellen: Was würde mit den Dinosauriern passieren, so wir sie zurückholen könnten? Können wir die einfach so aussetzen? Es kommt natürlich immer auf die Art an. Der kleine gutmütig stapfende Struthiosaurus austriacus zum Beispiel, Österreichs einziger echter Dino, der in Muthmannsdorf in Niederösterreich gefunden wurde, war nur drei Meter groß und ein gepanzerter Pflanzenfresser. Der wäre vermutlich kein riesiges Problem. Man müsste dann trotzdem darauf achtgeben: Was lebt in dem Gebiet, in dem er ausgesetzt wird, sonst noch, wem frisst er was weg?

Das hat man in Neuseeland gesehen, die ein riesiges Problem mit invasiven Arten bekommen haben. Bei fleischfressenden Dinos hätten wir natürlich viel eher ein Problem. Gar nicht so sehr für den Menschen, der hat genug Waffen, um alles wieder zu regulieren. Aber wenn wir uns anschauen, wie sich die Menschen schon aufregen, wenn der Wolf ein Schaf reißt: Wir können uns ausmalen, wie sie auf einen T-Rex reagieren würden.

Derzeit brauchen wir uns aber davor nicht zu fürchten. Niemand weiß, wie die Wissenschaft in 200 Jahren fortgeschritten sein wird, aber aktuell haben wir keine Möglichkeit, den Jurassic Park Wirklichkeit werden zu lassen. Und um ehrlich zu sein: Ich bräuchte es auch nicht. Heute kann man doch schon so gut animieren, das reicht in meiner Welt völlig aus.

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Conclusio

Der Traum vom Jurassic Park ist ein verständlicher, die Faszination für Saurier ist ungebrochen. Aber es wird ein Traum bleiben: Die ältesten DNA-Spuren, die wir gefunden haben, sind zwei Millionen Jahre alt; die Dinosaurier seit 66 Millionen Jahren ausgestorben – und ohne Dino-DNA kein Jurassic Park. Viele Menschen wären auch nicht allzu erfreut, wenn sie statt dem Wolf einen T-Rex fürchten müssten.

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