Wie man ein Budget richtig saniert

Zahlreiche europäische Staaten leiden unter hohen öffentlichen Schuldenlasten und deren Folgen, auch Österreich. Welche Lehren kann man aus erfolgreichen Budgetkonsolidierungen ziehen?

Das Bild zeigt abwechselnd Sparschweine und Europäische Flaggen. Es illustriert einen Artikel zum Thema Budgetkonsolidierungen.
Wenn man Ausgaben kürzt und die Budgetkonsolidierung in ein breites Reformprogramm einbettet, kann man sogar noch das Wachstum ankurbeln. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Sanierungszeitpunkt. Je länger die Sanierung öffentlicher Budgets aufgeschoben wird, desto schwieriger wird sie.
  • Schuldenspirale. Die steigende Schuldenquote in Europa führt zu höheren Zinslasten und einer weiteren Verschuldung, was die finanzielle Lage vieler Länder verschärft.
  • Budgetkonsolidierung. Haushaltskonsolidierung erfordert die Kombination aus Einnahmenerhöhungen und Ausgabenkürzungen, wobei letztere weniger negative Effekte auf das BIP haben.
  • Beispiel Schweden. Schweden erreichte in den 1990ern durch Ausgabenkürzungen und Reformen erfolgreiches Wirtschaftswachstum und reduzierte seine Schuldenquote erheblich.

„Afuera!“ ist der bekannte Ausruf des argentinischen Präsidenten Javier Milei wenn er ein Ministerium abschaffen oder die Bürokratie stutzen will. Mileis Präsidentschaft, die das europäische Establishment politischer Kommentatoren auch nach gut einem Jahr noch merkbar verstört, ist das Produkt einer Schuldenkrise. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wäre ein Außenseiter wie er niemals ins Amt gekommen, wenn nicht seine Vorgänger das Land in eine finanzpolitische Lage manövriert hätten, aus der es keinen konventionellen Ausweg mehr gab.

Ganz so weit sind wir in Europa noch nicht. Die Risikoaufschläge auf die Anleihen mancher EU-Länder gehen zwar nach oben. Aber noch reichen hier etwas filigranere Instrumente als die argentinische Kettensäge, um das Problem wieder in den Griff zu bekommen.

Auf den Zeitpunkt kommt es an

Wie für viele andere Dinge im Leben gilt auch für die Sanierung öffentlicher Budgets, dass sie umso schwieriger wird, je länger man sie aufschiebt. Die sich selbst verstärkende Entwicklung, die langsam beginnt, sich aber mit der Zeit beschleunigt, sieht in der Regel so aus: Staaten beginnen aus irgendwelchen Gründen, ihre Schuldenstandsquote (öffentliche Verschuldung in Prozent des BIP) wachsen zu lassen, die Zinslasten im Budget steigen. Um nun dennoch kurzfristigen fiskalischen Spielraum für andere Ausgaben als Zinsen zu erhalten, verschuldet man sich noch mehr. So dreht sich die Schuldenspirale.

An einem Punkt beginnen die Zinslasten dann nicht nur zu steigen, weil die Verschuldung größer wird, sondern auch, weil die Zinssätze ansteigen – wegen eines allgemein veränderten Zinsumfeldes, oder weil Gläubiger wegen gewachsener Risiken misstrauisch werden. Das muss zwar nicht zwingend in einer dramatischen Krise wie in Argentinien oder in der griechischen Krise enden, in der ein Land den Zugang zum Kapitalmarkt zu akzeptablen Zinsen vollständig zu verlieren droht. Das französische Szenario ist aber schon unangenehm genug.

Mit einer Schuldenstandsquote, die inzwischen über 110 Prozent liegt und mit einem jährlichen Defizit um sechs Prozent des BIP ist es allen klar, dass die Finanzpolitik dort nicht nachhaltig sein kann. Würde man die hohe Diskrepanz zwischen Schuldenwachstum und dem Wachstum des BIP weiterlaufen lassen, dann würde die französische Schuldenstandsquote schnell explodieren, und mit ihr die Zinslasten im Budget. Es stünde immer weniger Geld für sinnvolle, produktive Staatsausgaben zur Verfügung. Ähnlich in Österreich: Ein jährliches Defizit knapp über oder unter (je nach Wifo- oder IHS-Prognose) vier Prozent kann dauerhaft nicht durchgehalten werden, ohne die Stabilität der Staatsfinanzen aufs Spiel zu setzen.

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Zahlen & Fakten

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Die richtige Gelegenheit zum Umsteuern ist in solchen Situationen eigentlich immer gleich der Haushalt, der gerade beraten wird – jedenfalls dann, wenn man sich nicht gerade in einer tiefen Konjunkturkrise befindet. Geduldiges Zuwarten bedeutet nur, dass die Aufgabe und mit ihr die politischen Schwierigkeiten im Zeitablauf größer werden.

Keine Raketenwissenschaft

Budgetkonsolidierung ist eigentlich trivial, man muss eben entweder die Steuereinnahmen erhöhen oder die Staatsausgaben senken, oder eine Kombination aus beidem. Interessant wird es erst bei der Frage, wie man das tut. Die Steuereinnahmen kann man natürlich erhöhen, indem man die Sätze anhebt. Oder auch, indem man das Wirtschaftswachstum fördert und so die Bemessungsgrundlagen seiner Steuern vergrößert. Das führt dann manchmal zur Hoffnung, sich mit Schulden entschulden zu können: Investiert nicht jede kluge Unternehmerin schuldenfinanziert, um ihre Firma wachsen zu lassen und dann ihre Schulden aus höheren Erträgen tilgen zu können?

So etwas hört man oft, wenn die Suche nach Gründen beginnt, wegen denen man die Budgetkonsolidierung verschieben könnte, zum Beispiel hinter einem lästigen Wahltermin, den man gerne noch bestreiten möchte, ohne die Wähler mit Ausgabenkürzungen zu konfrontieren. Wirklich plausibel ist das nicht. Beispiele, in denen dies funktioniert hätte, gibt es in Europa kaum.

Das liegt vermutlich auch daran, dass es hier reichlich strukturelle Wachstumshemmnisse gibt, die dauerhaft das langfristige Wachstum bremsen. Eine langsame staatliche Bürokratie, ein unternehmerische Initiative strangulierendes Regulierungsniveau, dazu die Alterung der Bevölkerung und ein Mangel gut ausgebildeter Arbeitskräfte – wir alle kennen die Probleme.

Die meisten europäischen Volkswirtschaften verfügen über Wachstumsreserven, die man mittels einer klassischen Angebotspolitik mobilisieren könnte. Da hierzu zahlreiche Instrumente infrage kommen, die den Staat nichts kosten oder ihm sogar Geld sparen, wie Deregulierung und Bürokratieabbau, bietet es sich gerade in Phasen notwendiger Budgetkonsolidierungen an, dies zu tun. Es sind im besten Sinne produktive Ausgabenkürzungen. Aber man wird sich mit vielen Interessengruppen anlegen müssen, die immer kreativ darin sind, Gründe dagegen zu finden.

Kürzen oder erhöhen?

Ganz wird man bei der Haushaltskonsolidierung aber um direkte Einnahmenerhöhungen oder Ausgabenkürzungen nie herumkommen. Erfolgreiche Konsolidierungen leisten meist beides, einfach, weil eine Kombination von beidem in der Regel auch politisch leichter durchsetzbar ist als ein vollständiger Fokus auf eine der beiden Seiten des Budgets. Es ist aber sicher kein Fehler, dabei etwas mehr Aufmerksamkeit auf die Ausgaben zu legen.

Alberto Alesina hat mit verschiedenen Ko-Autoren in einigen Forschungspapieren gezeigt, dass in OECD-Ländern Ausgabenkürzungen im Durchschnitt weniger negative Effekte auf das Bruttoinlandprodukt hatten als Steuererhöhungen. Für Keynesianer alten Schlages ist das überraschend, denn sie gehen davon aus, dass Staatsausgaben immer expansiver wirken als Geld, das im Privatsektor verbleibt. Aber es gibt gute Gründe, wieso die Ergebnisse von Alesina und Ko-Autoren auch theoretisch plausibel sind. Wenn Budgetkonsolidierungen über die Ausgabenseite erfolgen, regen sie nämlich vor allem private Investitionstätigkeit an.

Bei der Haushaltskonsolidierung wird man um direkte Einnahmenerhöhungen oder Ausgabenkürzungen nie herumkommen.

Auch dies mag erst einmal überraschend sein, wenn man bedenkt, wie oft in wirtschaftspolitischen Diskussionen argumentiert wird, dass der Staat mit Subventionen oder sonstigen Ausgaben private Investitionen anreizen müsse. Tatsächlich aber führt ein Rückzug des Staates über sinkende Ausgaben im Rahmen einer Budgetkonsolidierung zu einer Verbesserung der Zukunftserwartungen der Unternehmen. Die zuvor möglicherweise bestehende Sorge, über höhere Steuern zur Konsolidierung beitragen zu müssen, verschwindet. Und idealerweise geht eine Ausgabenkürzung eben auch mit einem Rückzug einer sich ineffizient regulatorisch einmischenden Politik einher.

Damit das funktioniert, sollten die Ausgabenkürzungen glaubhaft als dauerhafter Rückzug des Staates kommuniziert werden. Man reduziert also am besten nicht einfach nur Ausgaben, sondern legt ein wirtschaftspolitisches Reformprogramm auf, das die Angebotsbedingungen insgesamt verbessert. Genau dies hat beispielsweise Schweden getan, als es in den 1990ern mit hohen Defiziten konfrontiert war. Das Land verfolgte eine Strategie, die stärker auf Ausgabenkürzungen als auf Einnahmenverbesserungen setzte und es legte parallel ein Reformprogramm auf, das Anreize zu stärkerer Arbeitsmarktpartizipation und verbesserte Investitionsbedingungen für Unternehmen beinhaltete. Damit war das Land nachhaltig erfolgreich.

Nach der Konsolidierung

Bemerkenswert am schwedischen Beispiel ist, dass nach der unmittelbaren Budgetkonsolidierung eine lange Phase robusten Wirtschaftswachstums folgte. Dieses nutzte die schwedische Wirtschaftspolitik aber nicht, um gleich wieder die Staatsausgaben hochzuschrauben. Stattdessen blieben die Finanzpolitik solide und die Wirtschaftspolitik angebotsorientiert. Die Schuldenquote wurde in den folgenden rund 25 Jahren von über 70 Prozent auf knapp über 30 Prozent mehr als halbiert.

Schweden schaffte dies auch, indem es den Budgetprozess stärker regelorientiert gestaltete. Es wurde mittelfristig das Ziel eines positiven Budgetsaldos von 2 Prozent über den Konjunkturzyklus hinweg festgesetzt und es wurden mit diesem Ziel kompatible Ausgabendeckel definiert. So bekommt der Finanzminister eine starke Position. Er kann nicht mehr gezwungen werden, einfach die Ausgabenwünsche der Fachressorts zusammenzurechnen und zur Not über Schulden zu finanzieren, sondern er gibt die Höchstgrenze für die Ausgaben verbindlich vor.

Damit aber wird auch die angebotsorientierte Reformpolitik mit ihren positiven Investitionseffekten nochmals glaubwürdiger. Der Staat beschränkt sich und signalisiert den Unternehmen, dass er sie so bald nicht wieder mit hohen Steuern und ausladenden Regulierungen behelligen wird.

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Conclusio

Teufelskreis. Hohe Schulden erhöhen die Zinszahlungen und reduzieren den Gestaltungsspielraum von Regierungen. Oft verdrängen Staaten das Problem, indem sie einfach neue Schulden aufnehmen, was nicht selten dazu führt, dass sie den Geldgebern höhere Zinsen zahlen müssen.
Zeit ist Geld. Man sollte Budgetkonsolidierungen nicht lange aufschieben, sondern schnell ans Werk gehen sobald klar ist, dass ein Defizit nicht nachhaltig durchhaltbar ist. Geschichten, nach denen der Staat sich am eigenen Schuldenzopf aus dem Schuldensumpf ziehen kann, sollte man nicht glauben.
Fokus auf Ausgaben. Wenn man Ausgaben kürzt und die Budgetkonsolidierung in ein breites, angebotspolitisches Reformprogramm mit regelbasierter Finanzpolitik einbettet, kann man sogar noch das Wachstum ankurbeln.