Wie hohe Bürokratiekosten Österreich belasten

Österreichs Unternehmer klagen über zu viele Regeln und Berichtspflichten. Und sie haben recht, wie der erste wissenschaftlich erstellte Bürokratiekostenindex zeigt. In anderen EU-Ländern ist die Lage tatsächlich besser.

Die Illustration zeigt einen Hammer, Weizen. Einen Einkaufswagen, ein Zahnrad und Schornsteine, die jeweils von einem vollgeschriebenen Blatt umgeben sind. Das Bild illustriert einen Artikel über die hohen Bürokratiekosten.
Vor allem in Österreich leiden Unternehmer wie Konsumenten unter dem enormen Bürokratieaufwand. Die Gesetzesflut kostet Geld und Nerven und schadet dem Standort. © Andreas Leitner
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Auf den Punkt gebracht

  • Notwendigkeit. Bürokratie ist notwendig für die Verwaltung und Organisation des Staates, sollte jedoch nicht die Flexibilität und Innovationskraft behindern.
  • EU-Entlastungspaket. Trotz eines EU-Entlastungspakets zur Reduzierung von Bürokratie wachsen bürokratische Lasten durch neue Regelungen wie das Lieferkettengesetz.
  • Bürokratiekosten. Österreich leidet unter hohen Bürokratiekosten, was die Wettbewerbsfähigkeit des Landes beeinträchtigt.
  • Bürokratiekostenindex. Ein neuer Bürokratiekostenindex zeigt, dass Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern schlecht abschneidet.

Bürokratie ist notwendig. Sie dient in erster Linie der Verwaltung und Organisation innerhalb des Staates, indem sie tägliche Abläufe durch ein System von Regeln, Verfahren und Strukturen lenkt und überwacht. Ohne Bürokratie würde Chaos ausbrechen. Man sollte das Regelwerk des Staates also nicht per se verteufeln. Es kommt nur darauf an, in welchem Ausmaß die Politik ordnend eingreift. Ausufernder Papierkrieg führt zu immensen Kosten, schränkt die Flexibilität der Unternehmen ein und bremst die Innovationskraft. Für Österreich ist der Befund leider klar: Bei uns wird zu viel reguliert. Mit Abstrichen gilt das auch für die meisten anderen Länder der EU.

In Brüssel ist man sich des Problems bewusst, jedenfalls theoretisch. Bereits im September 2022 stellte die EU-Kommission ein Entlastungspaket für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor. Im März des Folgejahres wurde dann angekündigt, die bestehenden Bürokratie- und Berichtspflichten um 25 Prozent zu reduzieren. Das Maßnahmenpaket umfasst 58 Vorschläge zur Vereinfachung und Überprüfung von EU-Vorschriften. Klingt gut, hat aber einen entscheidenden Schönheitsfehler: Wo an einer Stelle bürokratische Lasten reduziert wurden, nehmen sie an anderen Stellen deutlich zu. Das EU-Lieferkettengesetz zum Beispiel sorgt für eine Flut an neuen Regeln und Dokumentationspflichten.

Die Belastung durch Bürokratie ist in Österreich besonders ausgeprägt, das zeigen alle internationalen Vergleiche und Standortrankings. Dass die heimische Wettbewerbsfähigkeit seit Jahren zurückgeht, basiert mehrheitlich auf Faktoren wie „size of government“, „regulatory efficiency“, „government effficiency“. In diesen Teilbereichen liegen die Werte Österreichs durchgehend deutlich unter den Ergebnissen des Gesamtrankings und führen damit zu einer insgesamt schlechteren Bewertung des Standorts.

Laut einer Umfrage sehen 71 Prozent der Unternehmen in Österreich Regulierung als ein Hindernis für langfristige Investitionen.

Zum Beispiel platziert das International Institute for Management Development (IMD) Österreich im World Competitiveness Yearbook 2024 bei der „Effizienz der Regierung“ nur mehr auf Rang 40 von 67 Ländern. Im Teil-Index „Regulatorische Belastung“ des Economic Freedom of the World Report des Fraser Institutes erreicht Österreich nur Rang 62 von 165 Ländern. Und laut einer Umfrage der European Investment Bank sehen 71 Prozent der Unternehmen in Österreich Regulierung als ein Hindernis für langfristige Investitionsentscheidungen – deutlich mehr als im EU-Durchschnitt.

Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt der historisch gewachsene Föderalismus. Mit dem Beitritt zur Europäischen Union 1995 kam für Österreich eine weitere (politische) Verwaltungsebene dazu. Schon bestehende Strukturen blieben erhalten, es wurde also keine andere Ebene parallel dazu reduziert oder aufgelöst. Umso wichtiger wäre eine klare und damit effektive Aufgaben- und Kompetenzverteilung zwischen den Gebietskörperschaften. Eine bessere Abstimmung und Vereinheitlichung birgt ein enormes Potenzial für die Modernisierung des Wirtschaftsstandortes Österreich und könnte die Gesetzesflut auf allen Ebenen wesentlich eindämmen.

Ineffizienzen auf Grund von Intransparenz, Doppelgleisigkeiten und unklaren Zuständigkeiten erhöhen administrative und bürokratische sowie finanzielle Kosten für einzelne Akteure und für die Volkswirtschaft insgesamt. So reduzieren sie auch die Attraktivität des Standortes. Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung müssen daher dringend genützt werden.

Leider gibt es keine aktuellen und umfassenden Daten darüber, wie viel Geld das Übermaß an Bürokratie verschlingt. Lediglich eine Studie für das niederösterreichische Gewerbe und Handwerk wurde gemacht. Legt man deren Ergebnisse auf alle österreichischen Unternehmen um, ergibt sich eine Größenordnung zwischen 10 und 15 Milliarden Euro pro Jahr; das entspricht immerhin einem Anteil von 2,6 bis 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Weitere wichtige Erkenntnisse aus dieser Studie: Die heimischen Bürokratiekosten sind im Zeitverlauf gestiegen, und etwa 72 Prozent der Gesamtkosten werden durch drei Kategorien von Informationsverpflichtungen verursacht – Buchhaltung, Jahresabschluss, Steuererklärungen etc. (rd. 45 Prozent), Lohnverrechnung, Meldungen an die Sozialversicherung etc. (rd. 14 Prozent), sowie Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten (rd. 13 Prozent) . Eine weitere Studie stellt fest, dass von der Gesamtbelastung rund 500 Mio. Euro auf „Gold-Plating“ von EU-rechtlichen Vorgaben entfallen, also auf eine Übererfüllung von Regeln, die man sich einfach schenken könnte.

Der neue Bürokratiekostenindex

Wie stark österreichische Unternehmen im Vergleich zu Firmen in anderen Ländern vom Bürokratieaufwand betroffen sind, lässt sich jetzt genau sagen. Das Economica Institut für Wirtschaftsforschung hat im Auftrag der Industriellenvereinigung ein entsprechendes Benchmarking-Instrument entwickelt. Dieser neue Bürokratiekostenindex für Unternehmen (BKI) soll die bürokratischen Kosten, den Personalaufwand sowie nicht-monetäre Hürden in allen Ländern der EU vergleichbar machen.

Ein transparent gestaltetes Gerüst mit vier Subindizes (Ausmaß, Komplexität, Qualität und Agilität) erlaubt es, Handlungsfelder und -bedarf einfacher auszumachen. Die geplante jährliche Fortschreibung des BKI soll die Entwicklung der österreichischen Bürokratiekosten nachvollziehbar und die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Entlastung überprüfbar machen.

Die Erstauflage des BKI mit Daten aus dem Jahr 2023 beinhaltet insgesamt 25 Indikatoren, für die EU-weit vergleichbare Scores berechnet und zu einem einzigen Index aggregiert werden. Die Indikatoren wurden aus diversen internationalen Quellen zusammengetragen, indem Datenbanken, Indikatorensammlungen und bestehende Indices systematisch durchsucht wurden.

Aktuell erreicht Österreich Rang 11 von 27 EU-Mitgliedsländern und befindet sich mit 60 Punkten leicht über dem Score-Durchschnitt von 55 Punkten (von 100). Dennoch ist Österreich von den Spitzenreitern aus Skandinavien und dem Baltikum mit 10 Punkten Abstand weit entfernt. Eine Analyse der Subindices zeigt, dass Komplexität (Rang 13) und Agilität (Rang 16) die größten Chancen für Verbesserungen im Bürokratiewesen Österreichs aufweisen.

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Zahlen & Fakten

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Die BKI-Scores pro Land. Ein deutliches Nord-Süd-Gefälle ist erkennbar. Der Südosten weist die niedrigsten Scores aus, was bedeutet, dass die Kosten und der bürokratische Aufwand in diesen Ländern am höchsten ausfallen

Mit dem BKI lässt sich nun beweisen, was bisher nur gefühlte Realität war: Österreichs Bürokratie braucht eine Diät. Einige Länder in der EU mögen noch viel schlechter dastehen, aber was für Österreich zählt, ist vor allem der Abstand zu den Best Performern in Skandinavien und im Baltikum. Die Politik sollte an allen Stellschrauben drehen, um die Situation zu verbessern. Möglichkeiten gibt es zur Genüge; derzeit erreichen wir in keinem Subindex des BKI mehr als Rang 10.

Um es noch einmal zusammenzufassen: Unnötige bürokratische Kosten nehmen Ressourcen in Anspruch, die effizienter eingesetzt werden könnten. Für die Gesamtwirtschaft bedeutet eine Entlastung des bürokratischen Aufwandes positive Auswirkungen auf Investitionen, Beschäftigung, Wertschöpfung und Wohlstand. Außerdem verhilft ein Bürokratie-Abbau den heimischen Unternehmen zu mehr Planungssicherheit. Die Fortschreibung des Index in den nächsten Jahren wird zeigen, auf welchem Pfad sich Österreich befindet.

Österreich braucht einen schlanken, zeitgemäßen und effizienten Staat als Basis für einen starken, wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort. Weniger Bürokratie bedeutet mehr Investitionen in die Zukunft.

Die politischen Entscheidungsträger in Österreich sind daher auf allen Ebenen aufgefordert, im Interesse des Unternehmensstandorts – und somit im Interesse des heimischen Wohlstands, internationalen Best-Practice-Beispielen zu folgen. Man kann die Auswüchse der Bürokratie verhindern oder beseitigen. Viele andere Länder zeigen vor, wie das geht.

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Conclusio

Lage. Die Bürokratie kostet Wohlstand. Unternehmen geben bis zu 15 Milliarden Euro im Jahr für Steuererklärungen, Jahresabschluss, Berichtspflichten und ähnliches aus. Wenn Teile dieser Mittel in produktive Tätigkeiten fließen würden, wäre der Volkswirtschaft massiv geholfen.
Vergleich. Auch ein Blick über die Grenzen zeigt, dass Österreich überreguliert ist. Beim neuen Bürokratiekostenindex liegt das Land zwar im europäischen Mittelfeld, allerdings ist der Abstand zu Spitzenreitern aus Skandinavien und dem Baltikum beträchtlich.
Rezepte. Ein schlanker Staat ist das beste Mittel, um Investitionen, Beschäftigung, Wertschöpfung und damit Wohlstand zu heben. Es braucht also eine Diät des öffentlichen Sektors - von der Regulierung bis zur Durchsetzung und Kontrolle von Bestimmungen.

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