Chinas großer Plan für die Arktis


Die Volksrepublik liegt zwar nicht am Polarkreis, will aber ein Machtfaktor in der Region werden. Zumal sich der Westen dagegen stellt, setzt Peking erfolgreich auf die Hilfe Russlands.

Ansicht der Rohre und des Verladeterminals des Jamal­-Flüssiggasprojekts in der russischen Arktisregion.
Das mehrheitlich chinesisch finanzierte Jamal­-Flüssiggasprojekt am Nördlichen Seeweg gilt als „Kronjuwel“ der Investitionen in Nordsibirien. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Ambitionen. China hat das Ziel, bis 2030 zur „polaren Großmacht“ aufzusteigen, inklusive der Entwicklung einer „Seidenstraße auf dem Eis“.
  • Allianz. Russland sieht in der Zusammenarbeit und in Investitionen aus China am Nördlichen Seeweg großes Potenzial.
  • Großprojekte. China beteiligt sich an der Errichtung von Häfen in der russischen Arktis und plant eine transarktische Glasfaser-Seekabelverbindung.
  • Misstrauen. Verbindungen zwischen Pekings Polarforschung und seinem Militär haben bei den arktischen Nationen Europas Besorgnis ausgelöst.

Obwohl China rund 1.400 Kilometer südlich des Polarkreises liegt, erklärte es sich 2018 zu einem „arktisnahen Staat“ und kündigte an, bis 2030 eine „polare Großmacht“ werden zu wollen. Drei Jahre später bekräftigte China dieses Vorhaben in seinem 14. Fünfjahresplan, der die Wirtschaftspolitik der Kommunistischen Partei Chinas bis 2025 bestimmt. China „wird sich an der praktischen Zusammenarbeit in der Arktis beteiligen und die ‚Seidenstraße auf dem Eis‘ aufbauen“, heißt es in dem Plan. Pekings Interessen in der Arktis wurzeln im Wunsch, sich natürliche Ressourcen und Seewege zu sichern, sowie in Xi Jinpings Vision einer neuen Weltordnung. Russlands überarbeitete Arktis-Politik – von Moskau im Februar neu formuliert – bringt China einen Schritt näher in diese Richtung.

Bis zu dieser Änderung vor einem Jahr hatte Russland die Zusammenarbeit mit den arktischen Nationen und im Rahmen des Arktischen Rates betont. Beide Bestimmungen wurden inzwischen zugunsten von „Beziehungen mit ausländischen Staaten auf bilateraler Basis“ und unter Berücksichtigung der nationalen Interessen Russlands gestrichen. Bei seinem Treffen mit Amtskollege Xi im März in Moskau sagte Präsident Putin, Russland sehe „die Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern bei der Entwicklung des Potenzials des Nördlichen Seewegs als vielversprechend an“.

Nationale Interessen in der Arktis

Auch die veränderten geopolitischen Verhältnisse zwangen China zu einer engeren Allianz mit Russland in der Arktis. Als Beobachter – und nicht als Mitglied – des Arktischen Rates hat China keine souveräne Zuständigkeit in der Region und muss sich auf Partnerschaften mit anderen Nationen stützen. Seit 2003 hat China Projekte und zum Teil eigene Forschungsstationen in den arktischen Regionen von Norwegen, Island, Schweden und Finnland.

Verbindungen zwischen Pekings Polarforschung und seinem Militär haben bei den arktischen Nationen Besorgnis ausgelöst.

Chinas Forschungsexpeditionen in der Arktis umfassen häufig ozeanografische Untersuchungen und akustische Modellierung, die einige seiner Aktivitäten im Südchinesischen Meer widerspiegeln. Ein detailliertes Verständnis der regionalen Gewässer ist von zentraler Bedeutung für Chinas Militär.

Verbindungen zwischen Pekings Polarforschung und seinem Militär haben bei den arktischen Nationen Besorgnis ausgelöst. Im Jahr 2020 entschied sich die schwedische Raumfahrtorganisation, ihre Verträge mit China nicht zu verlängern, weil sie befürchtete, dass ihre Bodenstationen für die militärische Aufklärung genutzt würden. Auch die nationale Arktis-Strategie der USA aus dem Jahr 2022 erwähnt Chinas militärische Aktivitäten in der Region. Angesichts der zunehmenden Blockade durch den Westen hat sich China an Moskau als strategischen Partner gewandt.

Nordostpassage kürzerer Handelsweg

Von besonderem Interesse für Peking ist die Nordostpassage, der die Ostsee und das Beringmeer verbindet. Das schmelzende Eis wird bald einen noch besseren Zugang ermöglichen. Als Folge des Klimawandels könnte sich das Zeitfenster, in dem die arktischen Seewege genutzt werden können, verlängern und das Frachtaufkommen erhöhen. Diese Route ist erheblich kürzer: Eine Fahrt von Dalian, China, nach Rotterdam dauert über die Nordostpassage etwa 33 Tage, durch den Suezkanal sind es 48 Tage.

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Zahlen & Fakten

Karte mit dem Vergleich der Frachtroute von Dalian nach Rotterdam über den Nördlichen Seeweg (33 Tage) und die südliche Route über den Suezkanal (48 Tage).

Die Berechnung beruht auf der echten Reise des Schiffes „Yong Sheng“, das im Jahr 2013 den Nördlichen Seeweg durchquerte.

Für Peking könnte der Zugang zu alternativen Seerouten jenseits des Suezkanals, des Südchinesischen Meeres und der Straße von Malakka dazu beitragen, seine übermäßige Abhängigkeit von der Straße von Malakka und das Risiko einer Seeblockade durch ausländische Mächte zu verringern. Zu diesem Zweck hat Peking – mit Moskaus Zustimmung – Häfen, Minen und sonstige Infrastruktur entlang der Nordostpassage in der russischen Arktis errichtet.

Tiefseehafen und Kohleterminal

Seit 2016 hat eine Tochtergesellschaft des staatlichen chinesischen Rüstungskonzerns China Poly Group 300 Millionen Dollar in ein Kohleterminal in Murmansk investiert und die Entwicklung eines Tiefseehafens in Archangelsk vereinbart. Chinesische Geldgeber stellten auch bis zu 60 Prozent des Kapitals für das Flüssiggasprojekt auf der russischen Halbinsel Jamal bereit. Im Jänner unterzeichnete die China Communications Construction Company eine Vereinbarung über den Abbau von Rohstoffvorkommen in der Republik Komi in Nordwestrussland.

Das Projekt ist Teil der langfristigen Strategie Moskaus, aus dem NSW eine wichtige Handelsroute zu machen, und umfasst auch den Bau einer neuen Eisenbahnlinie und eines Tiefwasserhafens. China und andere ausländische Partner wollen außerdem eine 10.500 Kilometer lange Glasfaser-Seekabelverbindung über den Polarkreis bauen. Sollte das Projekt realisiert werden, würde es die Kommunikation und die Sicherheit der Schifffahrt erhöhen.

Auch ohne souveräne Zuständigkeit in der Arktis baut China seinen Einfluss in der Region aus. Xis geopolitische Ambitionen haben den Einsatz erhöht. Mit Russlands Hilfe könnte China schneller als erwartet zu einer „polaren Großmacht“ werden.

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Conclusio

China plant, bis 2030 eine „polare Großmacht“ zu werden. Dass Russland seinen weitläufigen Arktiszugang militärisch und wirtschaftlich stärker nutzen will, spielt Peking in die Hände. Insbesondere bei der Entwicklung des Nördlichen Seewegs und der Gasfelder entlang der Route sind chinesische Unternehmen aktiv. Für Peking könnte der Zugang zu alternativen Seerouten nach Europa jenseits des Suezkanals kommerzielle und strategische Vorteile bringen. Westliche Arktis-Staaten fahren indessen Forschungskooperationen mit China in der Region zurück, aus Sorge, dass Peking militärische Aufklärungsarbeit damit verknüpft.

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