Was China wirklich will

Chinas ökonomischer Aufstieg gelang in einer von Amerika dominierten Welt – im Zeichen der Globalisierung und freier Märkte. Doch unter Xi Jinping will Peking die aktuelle Machtordnung durch seine eigene ersetzen.

Der Staatspräsident und Anführer der Kommunistischen Partei (KPCh) sieht die Geschichte nun auf einen lange ersehnten Wendepunkt zusteuern: China soll bald wieder seinen angestammten Platz als Supermacht einnehmen, wie zu Zeiten der Kaiserreiche. Ist das bloße Propaganda? Oder muss sich der Westen auf einen ernsten Konflikt gefasst machen? Dazu schreiben im Pragmaticus ausgewiesene Experten, die sich intensiv mit Originaldokumenten der kommunistischen Partei und Reden der Führungselite beschäftigt haben sowie die jüngsten wirtschaftlichen, politischen und militärischen Manöver Chinas analysieren.

Was Xi und seine Genossen wirklich vorhaben, erklärt Strategieberaterin und China-Expertin Aleksandra Gadzala Tirziu. Geplant sei nicht weniger als eine Welt unter dem Banner des Sozialismus nach chinesischer Prägung. Daher wird das Land auf eine mögliche Konfrontation mit dem Westen vorbereitet: „In den letzten Monaten hat China neue Gesetze erlassen, um im Kriegsfall Reservekräfte leichter aktivieren und Truppen aufstocken zu können.“

Auf der Suche nach neuen Verbündeten und Geschäften investiert China Milliarden in Infrastruktur entlang der „Neuen Seidenstraße“, einer Reihe von Handelsrouten, die mittlerweile 148 Länder umfasst. Doch Pekings Geld wird nicht ohne Bedingungen vergeben, wie der Autor und China-Experte Philipp Mattheis in seinem Report erklärt. Kommerziell erfolglose Projekte lassen die Partnerländer mit hohen Schulden zurück. Darauf lege es China aber nicht an, betont der Autor, denn die Seidenstraße soll als Prestigeprojekt für andere Länder anziehend sein.

Unter Xi wird stark aufgerüstet: Die Flotte der Volksbefreiungsarmee hat heute mehr Kriegsschiffe als die U. S. Navy. Michael Paul, Sicherheitsexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, analysiert in seinem Report Chinas militärische Schlagkraft und strategische Ziele. Die Volksrepublik demonstriert immer öfter ihre Macht im Ost- und Südchinesischen Meer, wo mehrere territoriale Ansprüche der Anrainerstaaten aufeinanderprallen. Vor allem die Taiwan-Frage will Xi noch zu seinen Lebzeiten klären. Offen bleibt, ob Peking an einer friedlichen Wiedervereinigung festhält oder eines Tages doch den militärischen Vorstoß wagen wird.

Dass die Zeiten tatsächlich auf Xis Seite sind, ist ungewiss: Derzeit dominiert Krisenstimmung die Wirtschaft. Auch längerfristig zeichnen sich Probleme ab: Im Gegensatz zu den USA schrumpft Chinas Bevölkerung in einem historisch einzigartigen Tempo, wie Demograf Rainer Münz erklärt. Die Folgen der Ein-Kind-Politik, ein striktes Einwanderungsregime und gesellschaftliche Einstellungen führen dazu, dass in China laut Prognosen am Ende des Jahrhunderts statt aktuell 1,4 Milliarden weniger als 800 Millionen Menschen leben werden.

Und wie sehen die Österreicher den Aufstieg der Supermacht? Eine Mehrheit sieht China als Bedrohung für den Weltfrieden, wie eine aktuelle Umfrage des Pragmaticus zeigt. Auch aus wirtschaftlicher Perspektive sieht eine Mehrheit von 52 % China eher als Bedrohung denn als Partner für Europa. Das Regierungssystem Chinas löst in Österreich gemischte Gefühle aus, wie Meinungsforscher Peter Hajek die Ergebnisse der von Unique Research durchgeführten Umfrage interpretiert: „Erstaunlich ist die Antwort auf die Frage, ob das autoritäre China ein politisches Vorbild für die EU sein kann: Nur 60 Prozent lehnen das chinesische Modell rundweg ab. Jeder Fünfte kann dem etwas abgewinnen, und ein Viertel macht keine Angabe.“ Alle Ergebnisse finden Sie in unserem interaktiven Dashboard:

Die Sinologin Susanne Weigelin-Schwiedrzik hält die Angst vor China zugleich für berechtigt und für übertrieben. In unserem Podcast, der den Schwerpunkt begleitet, fordert sie Europa auf, eine aktive diplomatische Rolle einzunehmen und in dem sich immer deutlicher abzeichnenden Konflikt zwischen den USA und China zu vermitteln. Auf diese Weise lässt sich aus ihrer Sicht auch verhindern, dass der Kampf um die neue Weltordnung in eine kriegerische Auseinandersetzung kippt.

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