Der Fall Robespierre
Über Maximilien de Robespierre (1758–1794), der als Advokat der Armen gegen die Todesstrafe auftritt, als „Unbestechlicher“ mithilft, die Französische Revolution zu entfachen – und wegen seiner Eitelkeit selbst unter der Guillotine endet.
Vor der Unbestechlichkeit verneigen wir uns, tiefer noch als vor einem Unbestechlichen. Das überaus Gute wollen wir losgelöst vom Menschen sehen. Das liegt wohl daran, dass wir uns selbst allzu genau kennen. Auch der beste aller Menschen, so mutmaßen wir, ist nicht immer, nicht überall und nicht in allem gut. Rein sind nur die Begriffe. Aber dann gab es einen, der wurde „der Unbestechliche“ genannt. Als wäre er die Verkörperung einer Idee und nichts darüber hinaus, was diese Idee kontaminieren könnte – die Verkörperung von etwas Übermenschlichem.
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In unserem christlichen Abendland gab es bis dahin nur einen, dem diese Überhöhung zugetraut wurde: Jesus Christus. Der neue Erlöser, der, ähnlich dem alten, eine neue Zeitrechnung einläutete, war Maximilien de Robespierre. Sein Name wird ewig verbunden sein mit dem Terror der Französischen Revolution.
Geboren 1758 in Arras im Norden Frankreichs, stammte er aus einer Advokatenfamilie, seine Mutter starb, da trat er gerade in die Schule ein. Er wird in jedem Jahrgang der beste Schüler werden, auf der Universität der beste Student. Als er neunzehn Jahre alt ist, stirbt auch sein Vater. Von nun an sorgt er für seine Geschwister. Bereits mit dreiundzwanzig Jahren eröffnet er ein Anwaltsbüro in seiner Heimatstadt. Seinen Lebensunterhalt sichert er sich durch Zuwendungen einiger reicher Bürger, die in diesem Überbegabten einen künftigen Verbündeten sehen – sie meinen, ihn kaufen zu können.
Er nimmt das Geld, beginnt seine Karriere jedoch als „Anwalt der Armen“ und wird in der Stadt auch so genannt. Erst schmunzeln seine Geldgeber darüber, ermuntern ihn sogar, glauben sie doch, so würde er, wenn er schließlich ihre Interessen vertritt, mehr Integrität ausstrahlen. Als er bald als Richter tätig ist und nun Urteile fällt, die seinen Förderern gar nicht behagen – zum Beispiel als er, damals ein Gegner der Todesstrafe, sich weigert, einen Verbrecher der Hinrichtung zu übergeben –, wenden sie sich von ihm ab und verfolgen ihn ihrerseits juristisch.
Aufstieg und …
Am 17. Juni 1789 ruft sich der sogenannte dritte Stand, das sind die Bürger und Bauern, zur Nationalversammlung aus – die Geburtsstunde der Revolution. Von Anfang an sind Maximilien de Robespierre und sein fünf Jahre jüngerer Bruder Augustin dabei. Vehement setzen sie sich ein für Pressefreiheit, Abschaffung der Sklaverei in den französischen Kolonien, die Aufhebung der Todesstrafe und die Abschaffung aller Privilegien des Klerus und des Adels. Sie werden Mitglieder jener Gruppe, die sich regelmäßig im Dominikanerkloster Saint-Jacques trifft und deshalb „Klub der Jakobiner“ genannt wird.
Zunächst hing Robespierre der Idee der konstitutionellen Monarchie an, allerdings in einer die Befugnisse des Königs eng einschränkenden Form. Als dann Ludwig XVI. versuchte, aus Frankreich zu fliehen, und ihm schließlich der Prozess gemacht wurde, stimmte er unter dem Einfluss von Jean Paul Marat, Antoine de Saint-Just und Georges Danton widerwillig für die Verurteilung des Königs zum Tod. Am 21. Jänner 1793 wurde Ludwig durch die Guillotine enthauptet. Spätestens mit diesem Datum wandelte sich die Revolution in Terror.
Für Robespierre, der inzwischen unangefochten die Politik des Landes bestimmte, war das „Rasiermesser der Nation“, wie sein Freund und Mitstreiter Camille Desmoulins die Guillotine nannte, ein Instrument der Tugend. Die Gesellschaft sollte mit Blut und Stahl von allem Schlechten gereinigt und zum Guten gezwungen werden.
Eine neue Religion wollte er gründen, deren gottgleiches Prinzip die Tugend sein sollte – und er ihr erster und oberster Priester. Wie in späteren Revolutionen, siehe die Russische, richtete sich der Terror bald gegen die Revolutionäre selbst. Gerüchte kursierten. Der Feind war der Bruder. Als Erste wurden Jacques-René Hébert und seine Anhänger geköpft, am Ende die engsten Vertrauten des Unbestechlichen, Georges Danton und Camille Desmoulins. Alle Institutionen der Revolution sollten vernichtet werden, weil sie sich als korrupt herausgestellt hätten – „um auf ihren Trümmern die Macht der Gerechtigkeit und der Freiheit zu errichten: das sind die Prinzipien“.
… Ende eines gnadenlosen Revolutionärs
Bei seiner letzten Rede im Parlament wurde Robespierre niedergebrüllt. Man wollte ihn nicht mehr haben. Er, sein Bruder Augustin, Saint-Just und Georges Couthon wurden verhaftet. Robespierre wollte sich erschießen, im letzten Augenblick war er zu feige, er zog den Lauf der Waffe zur Seite, der Schuss zertrümmerte seinen Kiefer. Auf dem Schafott riss ihm der Scharfrichter den Verband ab, unter Schmerzensschreien empfing er das Messer.
Als ein großer Redner gilt er. Zeugen widersprechen dem. Seine Reden waren lang und in einem eintönigen, wellenförmigen Singsang vorgetragen. Sie erzeugten einen Sog „wie das Surren einer seelenlosen Maschine“, urteilt ein Zeitgenosse. Die wahrhaft großen Redner waren Danton und Desmoulins. Der Hass auf diese beiden gründet in der Eifersucht. Der Unbestechliche ließ sich von seiner Eitelkeit bestechen.
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