Trump auf Obamas Spuren

Die Faschismus-Keule hat ihr Ziel verfehlt. Donald Trump wurde durch Angriffe auf seine Person eher gestärkt als geschwächt. Selbst unter Migranten hat er viele Fans.

Donald Trump und seine Frau Melania im Palm Beach Convention Center, Florida, USA, am 6. November 2024.
Donald und Melania Trump im Palm Beach Convention Center, Florida, USA, am 6. November 2024. © Getty Images

Impeached, angeklagt, verhaftet, verurteilt, angeschossen – und 47. Präsident der Vereinigten Staaten. Die Trump Saga geht in ihre 3. Staffel, und „The Donald“ kann sich mehr bestätigt denn je fühlen: Im Jahr 2016 gewann er die Wahl, weil sein Sieg so unwahrscheinlich schien, dass viele Wähler gar nicht erst zur Wahl gingen

Vier Jahre später wurde die Wahl zu einem Referendum über Trumps Charakter und Coronapolitik, und trotz der höchsten Wahlbeteiligung seit 1900 konnte sich Joe Biden knapp durchsetzen. Nur knapp 44.000 Stimmen in den Staaten Georgia, Arizona, und Wisconsin trennten Trump von Joe Biden – und damit von der Präsidentschaft. 

Die weitere Geschichte ist bekannt: Zahlreiche gescheiterte Wahlanfechtungen und der Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner 2021 schienen das Ende von Trumps politischer Karriere zu besiegeln. Jetzt, nicht ganz weitere vier Jahre später, scheint all das nicht nur vergessen, sondern sich ins Gegenteil umgekehrt zu haben. Am 6. November sieht es nach einem Erdrutschsieg für Trump aus, der sich nicht nur die notwendigen Wahlmänner in den Swing States gesichert hat, sondern auch eine Mehrheit der Wählerstimmen erreichen dürfte. Er wäre damit der erste republikanische Präsident seit Ronald Reagan im Jahre 1980, der von mehr als 50 Prozent der Amerikaner gewählt worden ist.

Harris zu nahe bei Biden 

Ob Trumps Sieg auf seine Stärke oder die Schwäche von Kamala Harris zurückzuführen ist, wird in den nächsten Wochen heiß diskutiert werden. Es erscheint jedoch klar, dass es der demokratischen Kandidatin nicht gelungen ist, sich ausreichend von Joe Biden zu lösen, dessen Vizepräsidentin sie war. Möglichkeiten hätte es mehr als genug gegeben: Als Vizepräsidentin hätte sie sich auf den 25. Verfassungszusatz berufen können, mit welchem das Kabinett den Präsidenten absetzen und durch seinen Stellvertreter ersetzen kann. 

Spätestens nach der Debatte zwischen Trump und Biden war offensichtlich, dass letzterer nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte ist, und damit nicht nur als Kandidat, sondern auch als amtierender Präsident hätte zurücktreten müssen. Wäre Kamala Harris tatsächlich ein so starker Kandidat gewesen, wie es die Medien in den letzten Wochen vermittelt haben, wäre dies eine einmalige Chance gewesen sie nicht als Vize, sondern als amtierende Präsidentin ins Rennen gegen Donald Trump zu schicken. 

Ob Trumps Sieg auf seine Stärke oder die Schwäche von Kamala Harris zurückzuführen ist, wird in den nächsten Wochen heiß diskutiert werden.

Doch anscheinend war man selbst bei den Demokraten der Meinung, man könne die Strategie von 2020 wiederholen und die Wahl zu einem Referendum über Donald Trump machen. Der Wahlkampf war darauf ausgelegt, Trump quasi als Amtsinhaber und Harris als den „Change-Candidate“ zu präsentieren. Die Hoffnung war, Donald Trump mit allen seinen Charakterschwächen ins Licht der Öffentlichkeit zu stellen, und die Bevölkerung kontinuierlich mit Warnungen vor Trumps vermeintlichen „Faschismus“ und dessen Gefahr für die Demokratie zu bespielen. Diese Strategie ist nicht aufgegangen. 

Gescheiterte Identitätspolitik

Fast zwei Drittel der Bevölkerung befanden, dass sich das Land in eine negative Richtung entwickelt, und alle Versuche „Bidenomics“ als Erfolg zu verkaufen, scheiterten. Auch der Versuch, auf Identitätspolitik zu setzen, hatte nicht den gewünschten Effekt, im Gegenteil. Trump schnitt bei Schwarzen und Latinos besser ab als in allen vorhergegangenen Wahlen: Unter Männern mit hispanischen Wurzeln gewann Trump laut Exit Polls mit einem Vorsprung von 10 Punkten, 54 zu 44 Prozent. 2020 unterstützte diese Gruppe noch mit 59 zu 36 Prozent Joe Biden. 

Weitere Exit Polls der Washington Post und New York Times zeigen, dass Trump 14 Prozent der schwarzen Wähler gewonnen haben könnte. Das ist ein erheblicher Anstieg im Vergleich zu den gleichen Umfragen von 2020, wo Trump nur 12 Prozent der schwarzen Wähler für sich gewinnen konnte. 

Trump wiederholte Barack Obamas Strategie und präsentierte sich als Kandidat der Veränderung.

Diese Verschiebungen machen noch keine Mehrheit, aber in Kombination mit der weißen Arbeiterklasse, welche zu über 50 Prozent für Trump stimmte, reicht es für einen Wahlsieg. Dieser wird für Trump nun zusätzlich versüßt, da es auch nach einer republikanischen Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus aussieht, was ihm erlauben könnte, viele seiner Programmpunkte bis zu den Midterms 2026 umzusetzen. 

Trump wiederholte Barack Obamas Strategie und präsentierte sich als Kandidat der Veränderung, während Kamala Harris als Kandidatin eines erfolglosen Status Quo dargestellt wurde. Trump kommunizierte erfolgreich, dass die Aufrechterhaltung des Status quo immer teurer wird und die amerikanische Regierung zu schwerfällig und ineffizient geworden ist. Die angekündigte Ernennung von Elon Musk zu einem „Minister für Regierungseffizienz“ war ein geschickter Griff in die PR-Kiste.

Ungewisse Zukunft

Die große Unbekannte ist nun das neue Kabinett von Trump. Neben möglichen Rollen für Musk und Robert F. Kennedy besteht die Möglichkeit, dass mit Elbridge Colby als nationalem Sicherheitsberater und Mike Pompeo als Außenminister auch bekannte Gesichter in die Administration zurückkehren. Aber von diesen wenigen abgesehen ist die Personalpolitik völlig offen. Trump wird seine Lehren daraus gezogen haben, dass die Lieblingskandidaten für hohe Regierungsämter des republikanischen Establishments wie John Bolton ihn nur allzu gerne kritisieren, weshalb bedingungslose Loyalität wahrscheinlich ein zentrales Auswahlkriterium sein wird. 

Das ist nicht nur ein Comeback, sondern Trump ist stärker als je zuvor.

Auch in Europa wird Trump auf eine Veränderung drängen. Die Abhängigkeit von China und die ineffiziente Energiepolitik werden Thema sein, ebenso wie die Frage neuer Zölle oder – was Trump ja bereits einmal vorgeschlagen hat – eine transatlantische Freihandelszone. Es ist auch davon auszugehen, dass Trump mit Mitte-Rechts-Parteien in Europa kooperieren wird. Vor allem die Regierung von Viktor Orban hat auf einen Trump-Sieg gesetzt, und Budapest wird mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ziel des ersten Besuchs des neuen alten Präsidenten in Europa werden. Den Ukraine-Krieg wird er nicht in den nächsten 24 Stunden beenden, aber Verhandlungen (wenn auch nicht notwendigerweise eine Lösung) sind mit dem heutigen Tag einen Schritt näher gerückt.

Es ist noch zu früh, um alle Auswirkungen dieser Wahl abzuschätzen, aber eines ist klar: Dies ist nicht nur ein Comeback, sondern Trump ist stärker als je zuvor. Was er genau mit dieser Macht anstellen wird, weiß im Moment aber wahrscheinlich nur er selbst. 

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