Was bei der Energiewende alles falsch läuft

Das einseitige Vorantreiben der Elektrifizierung ist teuer und mit Blackout-Gefahren verbunden. Klüger wäre es, fossile Energieträger effizienter zu nutzen und erneuerbare Energie verstärkt dort zu produzieren, wo die Bedingungen vorteilhaft sind.

Mai 2024: Neu errichtete Strommasten in der Nähe von Gramzow, Deutschland. Das Bild illustriert einen Artikel darüber, was bei der Energiewende alles falsch läuft.
Mai 2024: Neu errichtete Strommasten in der Nähe von Gramzow, Deutschland. Die deutsche Regierung hat das Jahr 2038 als Endpunkt für die Abschaltung der verbleibenden kohlebefeuerten Energieerzeugung festgelegt. © Getty Images

In den letzten Jahren hat sich bei der Energiewende leider wenig zum Guten verändert, weil die Klimapolitik auf mehreren grundsätzlichen Fehlern beruht. Erneuerbare Energie kann bereits heute bei zu viel Wind und/oder Sonne zu einem Überangebot an elektrischer Energie führen, die in dieser Menge nicht gebraucht wird.

Im Netz muss aber zu jeder Sekunde eine nahezu perfekte Übereinstimmung zwischen Erzeugern und Verbrauchern herrschen. Blackouts können durch zu wenig, aber auch durch zu viel erzeugten Strom entstehen.

Es wird daher für jede fehlende Kilowattstunde grüne Energie ein jederzeit abrufbares, zeitweise ungenütztes Netz aus Backup-Kraftwerken und Speichern benötigt. Je mehr grüne Energie, umso mehr Backup-Kraftwerke mit immer kürzerer Nutzungsdauer – ein enorm teurer Teufelskreis.

Weiters ist ein massiver Netzausbau notwendig, der im Übrigen durch falsche politische Steuerung viel langsamer vorangekommen ist, als die Errichtung von Solaranlagen und Windrädern. Zusätzlich wurde verabsäumt, fernsteuerbare Trennschalter verpflichtend einzubauen, damit der Netzbetreiber private Stromerzeuger unabhängig vom Eigentümer vom Netz trennen kann, um die Netzregelung sicherstellen zu können.

Denn in Sachen Blackouts kann ein Stromüberschuss sogar gefährlicher sein als ein Mangel, weil der einmal produzierte Strom mangels eines Trennschalters auf jeden Fall fließen muss. Deshalb herrschen an windstarken Sonnentagen an den Strombörsen inzwischen Negativpreise. Eine wirtschaftlich absurde Situation, die grünen Strom sozusagen zu Müll degradiert, weil der Anbieter für die abgenommene Ware bezahlen muss.

All diese kostspieligen Faktoren werden von Energieversorgern selbstverständlich auf die Endkunden umgeschlagen. Das hat die Strompreise in den letzten Jahren drastisch erhöht, und es sieht nicht danach aus, als ob sich dieser Trend in absehbarer Zeit ändern würde – eine enorme Belastung für die Volkswirtschaft zusätzlich zu den staatlichen Investitionen in die notwendige Infrastruktur.

Politische Blockaden behindern die Energiewende

Gleichzeitig stößt der Ausbau des Hochspannungsnetzes an Grenzen, weil beispielsweise dieselben Akteure, die lautstark für die Energiewende eintreten, den Bau von Pumpspeicherkraftwerken und Infrastruktur über Jahrzehnte erfolgreich blockieren. So hat der Bau der 174 km langen Salzburg-Hochspannungsleitung 16 Jahre in Anspruch genommen.

Angesichts dessen wäre es ein Verbrechen am Vermögen unseres Landes, das kostbare und perfekt funktionierende Gasnetz zurückzubauen, wofür es in der Politik absurderweise ernsthafte Bestrebungen gibt. Es ist offensichtlich physikalisch nicht verstanden, dass die Transportleistung einer Gas-Pipeline um weit mehr als eine Größenordnung höher ist als von Strom. Oder anders formuliert: Jede stillgelegte Gaspipeline (Nord Stream 1 hatte ca. 63 000 MW Transportleistung) müsste durch 21 „Salzburg-Hochspannungsleitungen“ (380 kV mit je 3000 Megawatt Transportleistung) ersetzt werden.
Realistisch? Eher nicht.

Energie effektiv transportieren: Moleküle statt Elektronen

Die Erkenntnis ist, dass aus ökonomischen, ökologischen und Nachhaltigkeits-Gründen (Rohstoffverbrauch) große Energiemengen über weite Strecken nur mit Molekülen und nicht mit Strom transportiert werden können. Zweiter Vorteil: Wasserstoffderivate sind Energieträger, die gut in der bestehenden Infrastruktur gespeichert werden können. Strom hingegen ist ja nichts weiter als die Bewegung von Elektronen und kann daher nur in chemischer (Batterien) oder mechanischer Form (z. B. Pumpspeicherkraftwerke) gespeichert werden.

Aus diesem Grund kann eine ausschließlich auf Strom setzende Energiewende – „All Electric“ – nicht funktionieren. Selbst wenn man die Umwandlungsverluste in Betracht zieht, wäre es viel einfacher und vor allem weitaus kostengünstiger, den Transport hoher Energiemengen über weite Strecke auf der Basis „grüner“ Moleküle durchzuführen.

Eine von grünen Politikern herbeigeredete Wasserstoff-Wirtschaft als Ersatz von Erdgas ist unrealistisch, weil beispielsweise das Wasserstoffderivat Methan eine drei Mal so hohe Energiedichte als reiner Wasserstoff hat und im Haushalt wie im industriellen Bereich leichter und ungefährlicher handhabbar ist. Zusätzlich kann eine bis zum Endverbraucher bestehende Infrastruktur genutzt werden. Also keine zusätzliche Treibhausgasfreisetzung und Rohstoffbedarf, wie für die Errichtung der neuen Wasserstoff-Wirtschaft erforderlich wäre. Für Klimaneutralität muss allerdings ein geschlossener Kohlenstoff-Kreislauf gewährleistet sein und der Wasserstoff für die Synthese der „grünen“ Moleküle muss ohne Freisetzung von Treibhausgasen erzeugt werden.

Der von der Politik geprägte und leider oft zitierte Satz „Raus aus Gas“ ist also physikalisch betrachtet ein von Fakten befreiter Unsinn. Wer so entscheidet, macht dies auf rein ideologischer Basis und widerspricht den Naturgesetzen. Generell sollten alle Entscheider, die mit Klimaschutzfragen zu tun haben, verpflichtend einen Grundkurs in Physik belegen müssen. Es gibt in Österreich Universtäten und eine Akademie der Wissenschaften, die im Bedarfsfall diesen Bildungsauftrag übernehmen könnten.

Der von der Politik geprägte und leider oft zitierte Satz „Raus aus Gas“ ist also physikalisch betrachtet ein von Fakten befreiter Unsinn.

Ein Beispiel: Wärmepumpen sind eine großartige Erfindung, um mit hoher Effizienz zu Heizen (und zu Kühlen). Die Effizienz sinkt aber mit der Temperatur des Mediums, dem die Umweltwärme entzogen wird (Luft oder Wasser). Eine derzeit zum Großteil mit Gas beheizte Stadt wie Wien müsste bei einer Heizungsumstellung von Gasthermen auf Wärmepumpen die Leistungsfähigkeit des Stromnetzes etwa verdreifachen. Dazu müssten nahezu alle in den Straßen und Kellern verbauten Komponenten des Verteilernetzes erneuert oder verstärkt werden. Diese baulichen Maßnahmen wären für die Bevölkerung sehr belastend und in 15 Jahren – dem in Österreich vorgegebenen 2040 Netto-Null Ziel – kaum machbar, vom immensen Kostenaufwand ganz abgesehen.

Die viel elegantere Lösung wäre, die bestehende Gas-Infrastruktur zu nutzen, indem man in Mehrparteienhäusern und Gemeindebauten Mini-Blockheizkraftwerke und in Wohnungen Brennstoffzellen installiert, die aus Gas mit vergleichbarer oder sogar besserer Kraftstoffausnutzung als in Fernwärmekraftwerken Strom UND Wärme produzieren. Mit dem selbst erzeugten Strom betreibt man die Wärmepumpe ohne zusätzliche Belastung des Elektrizitätsnetzes und erhält durch die Wärmepumpe die angestrebte Reduktion des Gasverbrauches.

Eine Hausgasleitung liefert mehr als die zehnfache Energiemenge eines Stromanschlusses. Somit gäbe es mit der vorhandenen Gas-Infrastruktur kein Kapazitätsproblem und im Vergleich zur Fernwärme fallen die Wärmeverluste der langen Verteilrohre zu den Verbrauchern weg. Der zweite Vorteil der dezentralen Stromerzeugung aus Gas ist, dass mit viel weniger Aufwand die Belastbarkeit des elektrischen Netzes gestärkt wird, da im Endausbau hunderttausende Brennstoffzellen respektive Blockheizkraftwerke bei Strommangel das Netz mit eigener Kapazität stützen.

Und das Beste daran: Solche Anlagen werden schon seit mehr als 10 Jahren in industriellem Maßstab erzeugt und eingesetzt, z. B. in Japan. Die Technologie wäre sofort und mit deutlich geringerem Aufwand als der Stromnetzausbau einsetzbar und die CO2-Emissionen ließen sich selbst beim Betrieb mit fossilem Gas bereits halbieren.

Eine irrationale Klimapolitik führt in die Sackgasse

Warum macht das niemand? Vermutlich, weil es keine medienwirksame Stromwende bedeutet und ein „böser“ Verbrenner das Blockheizkraftwerk antreibt oder eine mit „bösem“ Erdgas betriebene Brennstoffzelle. In 15 bis 20 Jahren könnte das „böse“ Erdgas vermutlich zur Gänze durch grünes Methan ersetzt sein. Statt kurzfristig spürbare, aber unspektakuläre Verbesserungen sofort zu verwirklichen, rühmt sich die Stadt Wien das Gasnetz zu zerstören und in der Umsetzbarkeit fragwürdige und für den Konsumenten teure Strom-Visionen zu verfolgen. So absurd funktioniert Klimapolitik in der Realität.

Tatsache ist: Die Welt wird weit über 2050 hinaus ein duales Energiesystem – also kohlenstoffbasierte grüne Moleküle und Strom – benötigen. Derzeit liegt der Split weltweit bei 80 Prozent Primärenergie aus fossilen Brennstoffen und 20 Prozent Strom. Selbst wenn sich der elektrische Anteil verdoppelt, wird die Mehrheit des Energiebedarfs auf (grüner) molekularer Basis bleiben – allein schon wegen des genannten Transport- und Speicherproblems.

In Europa müssen derzeit 60 Prozent der benötigten Primärenergie importiert werden. Ein vollständiger Ersatz wird sicher nicht mit in der Verfügbarkeit unsicheren Energiequellen gelingen. Derzeit gehen wir geradezu verschwenderisch mit den benötigten Rohstoff-Ressourcen um, da die Ausbeute von Wind- und Sonnenenergie in unseren Breiten deutlich schlechter ist als in vielen anderen Regionen der Welt. Zudem entsteht bei den PV- und Windkraftwerken eine neue, vielleicht sogar noch gefährlichere Abhängigkeit. Für seltene Erden besitzt China praktisch ein Monopol, während es bei fossilen Brennstoffen mehr Wettbewerb gibt.

In Europa müssen derzeit 60 Prozent der benötigten Primärenergie importiert werden. Ein vollständiger Ersatz wird sicher nicht mit in der Verfügbarkeit unsicheren Energiequellen gelingen.

Wenn man das Gebot der Nachhaltigkeit ernst nimmt und tatsächlich maximale Effizienz für die Energiewende verfolgt, müsste die Energie-Produktion dort stattfinden, wo die Ausbeute der Windräder und PV-Anlagen am größten ist. So ist die Solar-Ernte in den Wüsten Afrikas und auf der arabischen Halbinsel bis zu drei Mal so hoch wie in unseren Breiten. So lassen sich auch die zwangsläufigen Umwandlungsverluste in grünes Methan und andere Wasserstoffderivate leichter verschmerzen. Weil chemisch ident, könnte es schrittweise und vom Konsumenten unbemerkt das fossile Erdgas ersetzen – so wie heute schon Biosprit den Kraftstoffen beigemengt wird.

Es könnten Partnerverträge mit in Frage kommenden Ländern geschlossen werden, um gemeinsam Produktionsanlagen und Infrastruktur zu errichten. Auch die Forschung und industrielle Erprobung kommt viel zu langsam in Gang. Dabei könnten hier neue Industriezweige entstehen, auf denen Europa führend wäre. Aber das passiert nicht, weil die Politik das eigentlich vorhandene Geld an deutlich weniger effizienten Stellen investiert. Dabei wäre es wichtig, in Europa vorerst auf den Erhalt der Arbeitsplätze und auf den Erhalt des Wohlstands zu achten, wobei die Arbeitsplätze zum Nutzen der Energiewende beitragen könnten.

Denn eines sollte die Politik nie vergessen: Im Grunde ist Europas Anteil an den CO2-Emissionen (2023: EU 27: 6,6 %; Deutschland: 1,4 %; Österreich: 0,16 %) irrelevant. Und wenn wir der Welt ein Beispiel geben, wie die Energiewende nicht funktioniert – All Electric – ist der globale Schaden groß, da keine Nation diesen Irrweg beschreiten wird, sondern aus der ersten Reihe dem wirtschaftlichen Untergang Europas zusehen wird, statt Treibhausgase zu verringern.

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