Neue Batterien braucht die Welt
Wenn die Energiewende gelingen soll, brauchen wir bessere Batterien. Und genau daran forscht Stefan Freunberger am ISTA.

Kinderarbeit im großen Maßstab, einstürzende Stollen mit unzähligen Toten, Zwangsräumungen von Siedlungen, unter denen Rohstoffe vermutet werden: Der Abbau von Kobalt im Kongo ist Gegenstand zahlreicher Horror-Geschichten – und eine der großen Schattenseiten der Energiewende. Etwa die Hälfte der weltweiten Kobalt-Vorkommen wird in dem afrikanischen Staat verortet. Und Kobalt ist derzeit essenziell für Batterien, ohne die wiederum die Energiewende nicht möglich ist.
Mehr Forschungsreisen
„Wenn wir das Energiesystem elektrifizieren wollen, brauchen wir Zwischenspeicher“, erklärt Stefan Freunberger, Assistent Professor am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg, ein paar tausend Kilometer vom Kongo entfernt. Schließlich kann das E-Auto nicht am Stromkabel hängen. Dass diese Zwischenspeicher aktuell von Kobalt abhängig sind, ist nicht nur wegen der Bedingungen, unter denen Kobalt abgebaut wird, ein Problem.
Kobalt ist auch ein extrem seltenes Material, es tritt in der Erdkruste mit einer Häufigkeit von 0,004 Prozent auf. „Die Frage, ob man klassische Lithium-Ionen-Batterien in ausreichender Menge für die Energiewende produzieren kann, ist mehr und mehr mit ‚Nein‘ zu beantworten“, sagt Freunberger. Das führt zu einem paradoxen Problem: Wir wollen von fossilen Rohstoffen wegkommen und bei der Alternative sind wir wieder von einem Material abhängig, das uns bald ausgehen wird.
Warum es Leben nicht nur im Kongo gibt
Deshalb ist die Energiewende eine Wette mit der Zeit: Wenn wir den Absprung von den fossilen Brennstoffen schaffen wollen, müssen rechtzeitig die richtigen Rahmenbedingungen herrschen, damit wir (uns) das auch leisten können. Freunberger forscht am ISTA an einer Lösung dafür: „Wenn man kein Szenario will, in dem beispielsweise Elektroautos wieder nur eine Übergangstechnologie sind, dann braucht man Speicher – also Batterien –, die man langfristig und in großen Mengen herstellen kann.“ Also solche, die ohne Kobalt auskommen. Neue und nachhaltige Batterien, die auch noch preisgünstiger sind.
Denn Batterien sind auch deshalb so teuer, weil sie eben von knappen Materialien abhängig sind. „Der Kern des Problems, bei dem man ansetzen muss, sind die verwendeten Elemente. Ganz klar für Chemiker: Man sollte Elemente verwenden, die überall verfügbar sind, und zwar in großer Menge“, sagt Freunberger. Das sind beispielsweise jene Elemente, auf denen das Leben aufbaut – die Elemente der organischen Chemie. „Wenn das Leben auf Elementen aufbauen würde, die nur im Kongo existieren, würde es nur im Kongo Leben geben.“
Scheitern bis zum Erfolg
Organische Materialien für Batterien zu verwenden ist also grundsätzlich der richtige Weg, allerdings haben sie die Eigenschaft, nicht besonders stabil zu sein. „Bei Lebewesen ist die Stabilität nicht so wichtig, weil ein Hauptmerkmal von Leben die Selbstreparatur ist“, sagt Freunberger. Die Batterien, die er aus diesen organischen Materialien bauen will, haben diese Fähigkeit leider nicht. Deshalb forscht er auch noch an einer anderen Möglichkeit: Wenn sich organische Materialien ständig auflösen, könnte man sie doch gleich in ihrer flüssigen Form verwenden – Redox-Fluss-Batterien werden solche Batterien genannt. „Da hat man Flüssigkeiten separat an der positiven und der negativen Seite, muss allerdings verhindern, dass sich die beiden vermischen.“ Alles nicht so einfach also.
„Bei den organischen Materialien schauen wir uns deshalb die limitierenden Schritte an“, sagt Freunberger. Das sagt er oft: limitierende Schritte. Was er damit meint: „Es ist sehr oft klar, welche Materialien man verwenden kann, aber es ist weit weniger klar, wo deren Limitierungen sind.“ Was also alles nicht funktioniert, wenn man diese Materialien verwendet. Um im Idealfall letzten Endes bei etwas zu landen, das funktioniert. „Der wichtige Schritt ist, aus dem Scheitern zu lernen“, sagt er. „Deshalb provozieren wir das Scheitern natürlich auch.“
In Freunbergers Labor wird aber auch an Batterien mit anderen, anorganischen Elementen geforscht, die es in rauen Mengen gibt – Sauerstoff und Schwefel. Und auch da orientiert er sich am Leben: „Auch Lebewesen machen Sauerstoff-Redox-Chemie, deshalb atmen wir.“ Warum sich das Leben auf Sauerstoff eingeschworen hat? Weil man mit Sauerstoff-Redox-Chemie viel Energie gewinnen kann – weshalb Sauerstoff-Batterien ein großes Potenzial hätten. Bei dem Prozess entstehen allerdings sehr viele reaktive Stoffe, zum Beispiel elektronisch aktivierter Sauerstoff. Der ist beim Menschen ein Hauptgrund für Hautalterung und auch Batterien nicht sehr zuträglich.
Keine Revolution in Sicht
Die Limitierungen sind also zahlreich. Wann werden Freunbergers Forschungen in der Praxis ankommen? „Bei Sachen, die wirklich Grundlagenforschung sind, kann man das nicht wirklich sagen“, sagt er. Anderes ist schon weiter: „Unsere Forschung zu Sauerstoff hat recht direkte Auswirkungen, weil man in einer Lithium-Ionen-Batterie recht ähnliche Reaktionen hat – und wenn man die versteht, kann man auch die Lebensdauer von aktuellen Batterien erhöhen.“
Eine Revolution dürfen sich E-Auto-Besitzer von neuen Batterien aber sowieso nicht erwarten: „Ob man eine Lithium-Eisenphosphat- oder eine Schwefelbatterie im Auto hat, macht für den Anwender nicht viel Unterschied“, sagt Freunberger. Es wird eine stetige Evolution sein, schon allein deshalb, weil die Zeit drängt: „Man kann nicht warten, bis die Schwefelbatterie zum Maximum ihrer Entwicklungsfähigkeit ausgebaut ist, sondern sie wird eingeführt, wenn sie der nächst besseren Batterie überlegen ist.“ Und irgendwann dann Kobalt aus allen Batterien verbannt ist.
Über diese Serie
Unter dem Titel „Forschungsreisen“ präsentieren wir spannende Forschungsprojekte aus ganz Österreich. Der Pragmaticus war bereits zu Gast bei Peter Turchin vom Complexity Hub, der die USA vor einem Bürgerkrieg sieht, hat mit Alexander Lukeneder vom Naturhistorischen Museum nach Fossilien gesucht und sich von Lisa Bugnet am ISTA erzählen lassen, wie die Sterne klingen. Alle Forschungsreisen können Sie hier nachlesen.